Alpine Hideaway Zillertalerhof – Nachhaltigkeit ist sexy

Wer bin ich – und wenn ja, wieviele? Der Philosoph David Richard Precht verzeiht hoffentlich, wenn wir seinen Buchtitel ausleihen, um Franz Josef Perauer und seinen Zillertalerhof zu beschreiben. Der Tiroler: Ein Marken-Experte, Ex-Banker, Immobilientreuhänder, E-Touristiker, Green Thinker, Modefreak, Genussmensch, Nachdenker, Tüflter, Familienvater. Und  immer mehr Künstler. Sein Hotel: ein Design-Showroom, Kunstgalerie, Haubenlokal, Szenebar. Trotzdem ein Rückzugsort. Ein Green Alpine Hideaway. Eine verrückte Insel im Zillertal, auf der es nur wenige Gesetze gibt. Das Wichtigste: Nachhaltigkeit darf auch sexy sein. Beide eine Wunderkammer, aus der Dinge hüpfen, die man vorher darin nicht vermutet hätte.

Aber gehen wir es langsam an: Bis 2019 war der Zillertalerhof ein gut geführtes Vier-Sterne-Hotel im Ortszentrum von Mayrhofen. Noch früher ein Wirtshaus, ein beliebter Ort bei den Einheimischen für ein Würstel und ein Seidl Bier nach dem Kirchgang. Als Franz-Josef nach seinen Wanderjahren in Australien und Jobs bei Autokonzernen und Banken den Betrieb von seinen Eltern übernahm, waren zwei Dinge für ihn und seine Frau Katharina klar. „Wir machen daraus ein unverwechselbares urbanes Designhotel im Zillertal.“ Und es sollte das erste Green Hotel im Zillertal sein. „Für uns war von Anfang an klar: Wir kümmern uns nicht nur um Gäste, sondern auch um das Wohl der Mitarbeiter*innen, der Ressourcen, der Natur und der Region“.

Irritation ist das Zaubermittel von Franz-Josef Perauer. Kaum bist du hinter der Eingangstür, stehst du mitten im Tirol Tropicana. Kein Helles-Holz-Lehm-Schafwollteppich-Gefühl. Hunderte exotische Vögel zwitschern dir von der Tapete zu. Auf dem goldenen Schwan steht schon dein Gin-Cocktail von der Hof Bar. 20 Ginsorten stehen dort im Regal. Dazu aber später. Du versinkst in der petrolfarbenen Samtcouch. Der Kamin flackert. Und schon hat dich Franz Josef dort, wo er dich haben will: Raus aus deiner Welt, rein in seine Design-Hotel-Welt. Das ganze wiederholt sich in den Zimmern. Der Design Lounge Chair von Freifrau, die Couch von Minotti. Vegane Kosmetik von Saint Charles Apothecary, alles ohne Farbstoffe, Parabene, Silikone, Mineralöle. Ein ghd Air Hochleistungsfön statt einem Warmwindblasgerät für die Top-Friese. Allergiefreundliche Bettdecken. Eine Marshall-Box. Deine persönliche Yoga-Anleitung für Übungen im Zimmer. Bio-Natur-Apfelsaft. Und jeden Menge Zillertaler Bergquellwasser.

Später an der Hof Bar. Eine kleine, feine Bar mit Fischgrät-Parkett, Messing, Leder, Granit und Samt. Wie in Paris, London oder New York eben. Franz-Josef reicht die Sardinenkarte. Er hat die erste Sardinenbar in Tirol eröffnet. Ein guter Zeitpunkt, um mit ihm über Nachhaltigkeit zu reden.

„Wir kaufen nur zertifizierte Sardinendosen“, erklärt er. „Die kleinen Schwarmtierchen werden nachhaltig gefischt und noch auf dem Fischkutter von Hand gesäubert und verarbeitet.“ Diese Green-Checks im Haus macht er selbst. 24 Monate hat er sich mit dem Thema Zertifizierung und dem Eco-Umwelt-Label beschäftigt.  Als erstes Hotel in der gesamten Ferienregion Mayrhofen-Hippach wurde der Zillertalerhof mit dem Österreichischen Umweltzeichen und dem EU Ecolabel ausgezeichnet. Sein großer Traum ist, dass das Zillertal die nachhaltigste Touristenregion Österreichs wird. Zugegeben: Der Mann hat Fantasie.

Franz-Josef hat seine Rolle im Gespräch an der Bar längst gewechselt. Jetzt ist er nicht mehr der emotionale Rock’n’Roll-Hotelier, sondern der rationale Nachhaltigkeitsfreak. 27 Nachhaltigkeitsziele nennt er, die seien auch auf der Homepage zu finden. „Unsere Energie produzieren wir mit unserer Solaranlage, einer neu errichteten Photovoltaikanlage sowie dem eigenen Blockheizkraftwerk. Die benötigte Restenergie kommt von nachhaltigen Wasserkraftwerken in den Zillertaler Alpen.“ Er blüht förmlich beim Reden, die Augen leuchten – und erzählt:  Von Energiesparlampen. Dass der Out- und Indoorpool zum größten Teil mit Solarenergie beheizt wird. Von konsequenter Mülltrennung. Weg mit den Kleinverpackungen. Wenn, dann nur Mehrwegverpackungen. Fleisch, Milch, Brot, Joghurt, Gemüse, Eier und viele andere Produkte aus der Region. Die eigens designte Mitarbeiterkleidung trägt das Blue Economy Label, 100 % Handarbeit zu fairen Bedingungen aus Bayern. Die Betten von Joka, der als einziger österreichischer Matratzenhersteller mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgestattet ist. Gäste bekommen Rabatte, wenn sie mit der Bahn anreisen oder auf die tägliche Zimmerreinigung verzichten.

Wie der Gast denn diese Nachhaltigkeit im Hotel merke, fragen wir. „Wir reden ganz viel mit unseren Gästen drüber“ sagt er. Ganz wichtig sei ihm, dass die Gäste nicht das Gefühl haben, sie verzichten auf etwas. „Eigentlich bekommen sie von uns einen Urlaub mit gutem Gefühl und vor allem gutem Gewissen“. Die Veränderung im Mindset der Gäste erreiche er nicht mit Verboten und Verzichten, sondern mit positiven Anreizen und Inspiration. Ein Hotel sei immer ein Testlabor – auch für die Gäste. Vegane Kosmetik, vegetarisches Essen – viele nehmen das als Inspiration mit nach Hause.

„Design ist an sich ist schon nachhaltig, weil es von echten Handwerker*innen kommt“. Gerade deswegen scheut Perauer trotz allem Design und Good-Feeling im Hotel nicht davor zurück, den Gästen auch konkrete Tipps zu geben. Er macht sie zu Green Guests. Im Zimmer hängt eine grüne Karte, mit vielen einfachen Ratschlägen. Fürs Hotel, aber auch als Probelauf für zu Hause. Das klingt dann so: Wir lieben alle Arten von Festen, aber keine Festbeleuchtung. Schalte das Licht im Zimmer aus und spare Energie.“ Oder: „Deinem Auto geht es in unserer Garage richtig gut. Das Zillertal lässt sich am besten zu Fuß erkunden – natürlich auch mit dem (E-)Bike. Das kannst du sogar bei uns ausleihen.“ Wichtig: „All you can eat – aber nicht mehr. Übrig gelassenes Essen ist nicht nur Lebensmittelverschwendung, sondern macht auch unser Küchenpersonal traurig.“

Perauer schenkt ein Glas Champagner ein – als Zeichen, dass wir den Höhepunkt des Gesprächs erreicht haben: Die Mitarbeiter*innen. Wobei: Er nennt sie Mitgastgeber*innen. Über 30 seien es im Haus. Der Zillertalerhof wurde als der bester Arbeitgeber in Tirol ausgezeichnet – „das wäre ohne unseren Zertifizierungsprozess nie möglich gewesen“. Frauen haben die tragenden Rollen im Haus – Küchenchefin, Restaurantchefin, Rezeptionschefin. Umgekehrt gibt es auch einen Room Boy. Fairer Lohn und auf Wunsch Fünf-Tage-Woche und Jahresverträge. „Wertschätzung untereinander, das ist mir das Wichtigste im Hotel“, sagt er. 

Ob er ein Pionier der Nachhaltigkeit im Tal ist? Nein, so sehe er sich nicht. „Ich bin selbst auch nicht heilig, was meinen ökologischen Footprint angeht.“ Aber er will, dass sich Hotels und Regionen und auch Gäste Gedanken über das Leben und die Zukunft machen“. Als Designhotel im Zillertal habe er das Privileg, hier zu irritieren und Aufmerksamkeit zu schaffen. „Mir ist nicht wichtig, dass den Gästen alles am Design gefällt. Mit ist wichtig, dass sie sich Gedanken drüber machen.“ Viele würden immer noch denken, Umweltschutz ist Jutesack und Sandalen, Verzicht und Komforteinbuße. „Nein, das ist es definitiv nicht“. Ein cooles Haus mit einem coolen Team kann gerade deshalb gut auf die Dinge schauen. Nachhaltigkeit ist sexy. Rücksicht auf andere nehmen auch. „Wenn ich Bewusstseinsbildung als crazy Hotelier schaffe, dann bin ich glücklich und habe aus meiner Sicht alles richtig gemacht.“