Das Tschofen: Kosmopolit in Bludenz
Ein charmantes Boutique-Hotel in einem 500 Jahre alten Haus, ein Dorfplatz-Cafe-Weinbar-Gasthaus mit einer Bio-Köchin als Gastgeberin: Hier liest du, warum Denise Amann die Fritteuse aus der Küche warf, wie der Hauseigentümer Sandro Preite die Stadt Bludenz belebt und was es mit dem Loch im Dachboden-Spa auf sich hat.
Die Szene ist immer dieselbe: Um etwa zehn Uhr betritt ein Herr das Restaurant. Er legt seine Jacke ab, fährt sich durchs grau melierte Haar und lächelt sich an der Rezeptionistin Sonja vorbei. Dann biegt er elegant um die grüne verflieste Bar, richtet sich auf, ergreift die Hand der jungen Dame, die dort sitzt, und deutet einen Handkuss an. Für Gastgeberin Denise Amann ist dieser Handkuss ihres Stammgastes der glückliche Startschuss eines langen Tages im Hotel-Restaurant Tschofen: Am Morgen ein Kaffeehaus, zu Mittag die Kantine der Bludenzer*innen, am Nachmittag ein gemütlicher Treffpunkt in der Stadt. Wenn die Luft finster wird, verwandelt sich der Ort in ein Restaurant mit Bar und Weinkeller. Da sitzen Hotelgäste neben Vorarlberger Jungmamas, Geschäftsleute neben jungen Pärchen, Touristen neben der Bankerinnen.
Das Tschofen ist ein Glücksfall für die Bludenzer Innenstadt. Erstes Haus am Platz und auch das „stille Zentrum“ von Bludenz. Ein komplett saniertes Hotel in einem 500 Jahre alten denkmalgeschützten Gebäude. Gastronomisch eine wollmilchlegende Eiersau in Bio-Qualität – geführt von der früheren Haubenköchin Denise Amann, die total bio und regional kocht. Wo in anderen Städten leere Gassen und verlassene Ladenlokale vor sich hin dösen, füllt Amann und ihr Team die Rathausgasse mit gesundem Essen und lustvollen Leben.
Gehen wir ein paar Jahre zurück: Als das „Tschofenhaus” im März 2016 zum Verkauf stand, wusste Sandro Preite sofort, dass er hier mitbieten würde. Mit 19 Jahren war er der jüngste Trockenbau- und Stukkateur-Meister Vorarlbergs. Vater Antonio, Ende der 60er Jahre ohne jegliche Deutschkenntnisse aus Süditalien nach Liechtenstein emigriert, legte 1989 den Grundstein für das erfolgreiche Familienunternehmen. Dieses Haus mit Geschichte denkmalgerecht zu sanieren, es technisch auf den neuesten Stand zu bringen und den Wert damit für die nächsten Generationen zu sichern, das waren für Preite die Herausforderung.
Zwei Jahre Bauzeit später: Der Spaziergang durchs Hotel beweist – hier wurde nichts zu Tode saniert, Kuriositäten wie ein kleiner Durchgang beibehalten: Wenn du das Zimmer „Werdenberg“ buchst, musst du dich durch die Mini-Tür buckeln. Alice im Wunderland lässt grüßen. Die Räume sind hell und freundlich, was nicht leicht ist bei einem historischen Stadthaus, denn an den Fensteröffnungen wurde kaum etwas verändert. Andere Zimmer überraschen mit perfekt sanierten Vertäfelungen und spannenden Malereien. Liegst du im Bett des Zimmers St. Jakob, passen die Heiligen im Bild über dir auf dich und deine Träume auf. Licht, Farbe und Materialien wie die Kalkfarbe an den Wänden beweisen das gute Händchen bei dem Umbau. Die Zimmernamen: Personen, Heilige und Berge aus der Region. Da mal ein alter Gewehrschrank als Kasten, dort ein in Harz gegossenes Telefon als Rauminstallation. Die Wände lebhaft buckelig, keine Tür im rechten Winkel. Ein Gesamtkunstwerk.
5 Sinne Check
Kalkfarbe an der Wand
Gereifter Bergkäse
Spicy Asia in Bludenz
Viele Sprachen
Bio-Weinkeller
Unternehmer Sandro Preite war es auch, der die Spitzenköchin Denise Amann 2022 ins Tschofen holte. Zuvor führte sie mehrere Hauben gekrönte Restaurants in Vorarlberg: St’ill, Mitzi Tant und das Mitzi Green. Vielen ist sie auch noch vom Restaurant NOI am Wiener Yppenmarkt bekannt.
Amann, die sich nach Jahren von der Hauben- und Sterneküche verabschiedete, brachte eine ganz neue Linie ins Haus: Bio, regional und weltoffen. Die Lieferant*innen stammen aus der Gegend, doch der Geschmack am Teller ist durch ihre vielen Reisen in den Fernen Osten asiatisch angehaucht. „Meine Mitarbeiter*innen im Tschofen kommen aus Pakistan, Somalia, Türkei, der Ukraine. Auch die Gäste hier sind sehr international“, sagt sie, „warum also nicht auch international kochen?“ Nur, dass sie Produkte aus der Region nutzt, wo es nur geht: heimische Fische, Fleisch aus Vorarlberg. „Der Käse, die Eier, die Heumilchbutter, alles ist von hier“, sagt sie. Im Weinkeller hat sie ebenfalls ordentlich auf bio und biodynamisch eingelagert. Gut und gesund essen und trinken, das ist ihre Leidenschaft. Und dafür will sie nun auch mit ihrem Hotel-Restaurant Tschofen die Hemmschwelle senken.
Das Restaurant selbst wendet sich der Stadt zu. Das alte Bludenzer Kaffee „Eberle“ ist heute räumlich Teil des Restaurants. „Hier haben wir darauf geachtet, dass wir den historischen Ursprungscharakter besonders erhalten. Es war für viele Menschen aus Bludenz ein wichtiger Ort", sagt Amann. Und eine dunkelgrüne Verfliesung an der Bar nimmt Bezug auf die Scherben, die Tscherpa, die hier einst augenzwinkernd dem ehemaligen Haushaltswaren-Geschäft im Haus seinen Beinamen gegeben haben.
Das Tschofen ist ein change maker Hotel, weil...
... hier einige wichtige Dinge aufeinandertreffen: eine kosmopolitische Küche, regionale und Bio-Produkte und ein für die nächsten Generationen saniertes Denkmalschutzhaus. Denise Amann gelingt es mit dem Tschofen, die Altstadt von Bludenz zu beleben und weltoffener zu machen.
„Essen wegschmeißen, das tut mir brutal weh“, sagt sie. Sie hat deswegen das Frühstücksbuffet im Hotel verkleinert. „Wir richten alles auf kleineren Platten an, und laufen lieber öfter in die Küche, als dass wir nach dem Frühstück die Hälfte wegschmeißen müssen." Viel wichtiger ist ihr, dass das Buffet mit top regionalen Produkten gefüllt ist, die häufig wechseln. Weniger ist mehr. Erstmalig legt sie im Sommer auch Hunderte Gläser Gemüse und Obst ein, um sie im Herbst und Winter servieren zu können. Einkochen, Einlegen, Fermentieren – das sind die Kochkünste, die ihren kosmopolitischen Anspruch möglich machen.
Das Schmuckstück haben wir uns für das Ende aufbehalten: den Spa im Dach des 500 Jahre alten Hauses – zwischen Holzbalken und Steinwänden ist die Panorama-Sauna versteckt. Da schwitzt du mit Blick auf die Berge rund um Bludenz. Wenn du dann im Ruheraum liegst, versuche das kleine Loch am Giebel zu finden. Nein, da ist kein Fehler bei der Renovierung des Hauses passiert. Du siehst ein Seelenloch: Diese unscheinbare Öffnung half vor Jahrhunderten den Verstorbenen des Hauses. So konnte ihre Seele ins Freie schlüpfen und den Weg in die Ewigkeit antreten. „Heute kannst du die Öffnung anders nutzen’“, sagt Amann. „Packe alle deine Sorgen und Probleme zusammen und schicke sie durchs Loch.“ Der Sauna-Gang am Dach als Reinigung für die Seele – in welchem Stadthotel hat man das schon?
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6700 Bludenz
Österreich
Das Tschofen
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Boutiquehotel mitten in Bludenz
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Restaurant von Bio-Köchin Denise Amann
Bio-Weinkeller
Dachboden-Sauna