Change Maker Hotel Das Tschofen Bludenz Denise Amann
Foto: Angela Lamprecht
Bludenz

Das Tschofen –
Denise Amann
im Interview

Interview • Locationtipps

Denise Amann liebt Veränderungen: Nach Wanderjahren in ganz Europa und Asien und eigenen Restaurants in Wien und Vorarlberg ist die mehrfache Haubenköchin in ihre Heimatstadt Bludenz zurückgekehrt. Hier lebt sie den großen Change: Mit dem Hotel das Tschofen mitten in der Altstadt ist sie in die Hotellerie eingestiegen.

Robert Kropf
8. September 2023

Du hast dich von der Zwei-Hauben-Köchin zur Hotel-Gastgeberin verändert. War es dir in der Küche zu langweilig?

Erstens: Ich bin immer noch Köchin mit vollem Herzen. Ich liebe das Kochen und das Genießen. Aber ich habe gespürt, ich brauche eine Veränderung. In dem Moment, als ich für diesen Change offen war, kam das Angebot, das Hotel zu übernehmen. Da hats in mir zu arbeiten begonnen. Ich dachte mir: Ich bin 43. Wenn ich so was Großes mache, dann jetzt. Also habe ich zugesagt.

Was waren deine ersten Veränderungsschritte im Hotel?

Ich habe alle Fertigprodukte rausgeschmissen. Zum Beispiel die Eier aus dem Tetrapak. Die Fritteuse flog auch sofort aus der Küche. Wir haben beim Frühstück sehr viel umgestellt. Drei statt sechs Wurstsorten, die dafür aber in Top-Qualität. Weniger Käse, der dafür Bio und aus der Region. Was mir wichtig war: Den Kaffeevollautomaten beim Frühstück zu entfernen. Frischen Kaffee für Gäste persönlich zuzubereiten halte ich für etwas Essentielles im Hotel. Das ist das erste, was die Gäste in der Früh sehen und schätzen. Und ich habe schon den ersten direkten Kontakt mit dem Gast. Das ist herrlich. In Summe geht es mir um ein Weniger ist mehr, dafür aber mit um so besserer Qualität. Wir bekommen viel Feedback von den Gästen dazu. Sie haben eine Freude dran, kommen auf uns zu, wertschätzen unsere Arbeit und sagen das auch.

Das Tschofen: Kosmopolit in Bludenz

Ein charmantes Boutique-Hotel in einem 500 Jahre alten Haus, ein Dorfplatz-Cafe-Weinbar-Gasthaus mit einer Bio-Köchin als Gastgeberin: Hier liest du, wie Denise Amann die große Welt ins kleine Bludenz bringt.

Aber ein Hotel besteht nicht nur aus Essen und Trinken. Wo habt ihr noch rumgeschraubt?

Völlig richtig. Wir arbeiten an besseren Saunaschlapfen, stellen die Kosmetik im Haus auf Bio um. Ein nächster wichtiger Schritt ist die Reinigung: Welche Putzmittel sind umweltverträglich, wie kann chemiefreie Reinigung klappen? Braucht der Gast wirklich jeden Tag eine Zimmerreinigung, wie oft werden die Bettwäsche und die Handtücher gereinigt, wo kann ich den Bewegungsmelder für das Licht einbauen? Wir haben gelernt: Die Gäste haben oft zu Hause schon einen sehr nachhaltigen Lebensstil. Das erwarten sie in jedem Fall auch von dir als Hotel – im Zweifelsfall sogar noch mehr.

Das Hotel-Haus ist über 500 Jahre alt. Was macht das mit dir?

Erstens ist der CO2 Abdruck des Hauses allein durch sein Alter schon super. Und beim Haus ist es wie mit dem Gemüse:  Da hast du was in der Hand und musst damit was Gutes machen. Kein Schema F, sondern alles ist individuell. Jede Ecke ist anders, nichts ist gleich. Das taugt mir.

Was überwog bei deiner Entscheidung: Weg von etwas Altem, oder hin zu etwas Neuem?

Von der Haubenküche habe ich mich schon im Vorgänger-Restaurant Green Mizzi verabschiedet. Mir sind die Gästebewertungen wichtiger als die von anonymen Testessern. Ich mag diesen Ganztageskontakt mit den Gästen, ich möchte die Leute beim Namen kennen. Da ist viel mehr Leben drin als in einem Haubenrestaurant. Gereizt hat mich auch die Entwicklung hin zu etwas Ganzheitlichem – Frühstück, Mittagessen, Abendessen, die Zeit dazwischen. Das alles mit meiner Haltung zu bio, saisonal und regional zu verknüpfen, das ist der Sinn meiner Arbeit.

Diese Haltung kommt ja nicht über Nacht. Wie ist sie in dir herangewachsen?

Der Auslöser war die Oma. Sie war mein Glück. Sie hatte einen riesigen Garten. Es waren immer Hühner, Enten, Gänse, Hasen da. Ihre Saucen waren legendär. Einmal, als Kind, hab ich drei Semmeln in die Saucen getaucht und gegessen. Das hat mir meine Mutter immer wieder erzählt. Ich habe die Oma oft gefragt, wie sie die Saucen gemacht hat. Sie sagte dann immer, hmmm, ich weiß es nicht, ich hab ein paar Kräuter aus dem Garten geholt. Sie hat so intuitiv gekocht, das habe ich danach nie wieder erlebt. Sie hat mir diesen Urgeschmack beigebracht. Das ist Geschmack der Heimat. Das ist die Basis meiner Arbeit.

Was war dein Change Moment, der dich zum Kochen brachte?

Meine Mama wurde mit 29 Jahren Witwe und Alleinerzieherin von uns drei Kindern. Sie hat so viel gearbeitet, dass sie wenig Zeit zum Kochen hatte. Einmal kam ich von der Schule nach Hause, und sie hatte einen Schweinebraten mit Fertigsauce im Rohr.  Ich habe das gerochen und gesagt, dass esse ich jetzt nicht. Da war ich zwölf. Von da an habe ich begonnen, immer öfter für meine beiden kleinen Brüder zu kochen.

Du bist als Mrs. Bio bekannt. Wann hat das mit den Bioprodukten begonnen?

Schon in meiner Studentenzeit. Ich habe immer wenig gekauft, dafür aber gute Ware. Bio-Freilandeier. Bio-Bauernbutter. Brot vom Biobauern. Mein Motto war: Lieber drei Tage hintereinander Gemüsesuppe. Dann aber vom Top-Gemüse.  Ich hab mir damals gedacht: Ich möchte meinen Kindern eine gesunde Welt weitergeben und nicht alles kaputtmachen und runterleben von ihr. Und da war mir klar, dass man so einkaufen und arbeiten muss. Die Erde gehört nicht uns, wir haben sie nur von unseren Kindern geliehen.

Was ist dir lieber: Bio oder regional?

Am liebsten beides zusammen, wann immer es geht. Was ich nie tu, egal ob Bio oder nicht: Ich kauf nix Spanisches. Ich kauf zum Beispiel viel aus dem süddeutschen Raum, Demeter-Ware. Das sind die Richtlinien der Kreislaufwirtschaft – so streng, dass ich den etwas längeren Transport in Kauf nehme. Ich arbeite mit Liefergemeinschaften wie den Sulzberger Biobauern. Der Topfen, die Heumilchbutter, der Käse kommen von dort. Die sammeln alles ein und liefern auf einmal. Das ist für alle fair. Ich kaufe auch viel Regionales, wenn ich weiß, wer das unter welchen Bedingungen wo anbaut. Wenn ich den Produzenten kenne und das Vertrauen stimmt, brauche ich keinen Biostempel.

Wieviel Kompromiss gehst du bei Bio ein?

Bio-Ware sollte so nahe wie möglich wachsen. Wenn ich den Bio Spargel aus Peru bestelle, dann ist kein Bio mehr dran und drin. Hier im Tschofen halten wir es so: Alles, was bei uns wächst, holen wir nicht von woanders her. Und wir gehen selten, aber doch Kompromisse ein: Einmal im Jahr habe ich Bio-Mangos für einen Monat auf der Karte. Irgendwann braucht man auch mal etwas anderes. Dieses bisschen Fernweh ist meiner Meinung nach erlaubt, wenn du rundherum schaust, dass du so nachhaltig wie möglich arbeitest. Ein 100 Prozent richtig oder falsch, das gibt’s hier nicht. Wenn es zu dogmatisch wird, halte ich nix davon.

Wie schwer ist die Saisonalität im Hotel und im Restaurant umzusetzen?

Eigentlich ist es ganz einfach. Du musst das Angebot drosseln. Eine Biotomate im Dezember: Das ist für mich ein No go. Und das Angebot monatlich wechseln, weil ja monatlich mehr Produkte in der Umgebung wachsen. Das es in Vorarlberg im Winter nur Kraut und Rüben gibt, das stimmt einfach nicht, das hat auch noch nie gestimmt. Die Bauern waren immer schlau genug, ihre Produkte haltbar zu machen, einzulegen, zu fermentieren, zu trocken. Das ist auch die große Aufgabe, der wir uns stellen. Wir sind jeden Tag dran, Obst und Gemüse, das gerade in der Saison ist, für den Winter vorzubereiten. Wir legen Gemüse in schöne Gläser ein und stellen sie im Winter an das Frühstücksbuffet.

Wie gehst du mit der Teuerung der Lebensmittel um?

Für mich gibt es da einfach Regel: Um so regionaler und saisonaler zu einkaufst, um so günstiger ist es.

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Kann diese Teuerung auch mehr Wertschätzung für Lebensmittel bringen?

In gewisser Weise schon. Der Food Waste Anteil wird kleiner, weil die Leute genauer hinschauen und mehr bis zum Ende nutzen. Du schaust beim Einkauf genauer auf die Produkte.

Du redest viel von bio, regional und saisonal. Dabei hast du viele asiatische Gerichte auf der Karte. Wie bringst du das in Einklang?

Einfach: Wir kochen sie mit regionalen Produkten. Ganz wenig dazu braucht es aus der Ferne. Das ist der Kompromiss, den wir eingehen. Man darf sich da die Freude nicht nehmen lassen. Kasteien ist nicht unser Ziel, da geht die Freude verloren. Und es ist auch eine Art Ausflug in die Ferne, ohne dort hinzufahren. Kochen ist die nachhaltigste Art zu Reisen.

Haltung, das ist ein Wort, dass du gerne verwendest. Was steckt für dich genau dahinter?

Haltung ist, den Mut zu haben, hier im Hotel den eigenen Weg zu gehen. Da muss einem klar sein, dass nicht alle mögen, was man tut. Dafür kommen auch die Gäste, die zu mir passen. Es zieht die an, die mit meiner Wertewelt etwas anfangen wollen. Ganz wichtig: Wir sind auf dem Weg, wir machen auch Fehler, und sich das auch einzugestehen, ist voll wichtig.

Welche Werte sind dir hier wichtig?

Heimat. Authentisch sein. Mut zur Veränderung haben. Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Wissen, dass die eigene Arbeit nicht endgültig gut ist. Es gibt immer Platz zur Veränderung und Verbesserung. Immer auch offen sein und schauen, was gibt es Neues.

Missionieren oder inspirieren – was ist hier der beste Weg für dich?

Früher habe versucht, die Menschen zu missionieren. Heute bin ich auf der Inspirationsseite. Ich versuche den Gästen positive Angebote zu schaffen. Im Restaurant bei uns haben die Gäste immer die Wahl zwischen Fleisch- und vegetarischen Gerichten. Die Gemüsevariante wird super angenommen, vor allem von älteren Gästen. Und das in Vorarlberg. Das ist schon sehr super.

Was sind deine täglichen Nachhaltigkeits-Routinen?

Ich fahre weniger mit dem Auto. Ich fliege viel viel weniger als früher. Es sind aber auch viele Kleinigkeiten. Ich dusche kühler und kürzer. Ich verwende meine Wattepads öfter als ein Mal. Ich überleg mir beim Kochen, was ich brauche, damit ich die Kühlschranktür nicht zehnmal aufmachen muss. Ich erledige die Einkäufe am Weg von und zur Arbeit, damit ich nicht nochmals fahren muss. Ich schreibe mir eine Liste am Handy, was ich genau brauche. Ich kaufe nur das, was ich brauche.

Was wird deine Tochter Una in zehn Jahren zu deiner jetzigen Arbeit sagen?

Mama, ich bin stolz auf dich, dass du das damals so durchgezogen hast.

 

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