
Vom 70er-Jahre-Bau zum Design-Hideaway: Christa und Matthias Schulze Dieckhoff haben das Hotel Sturm in Mellrichstadt radikal neu gedacht – architektonisch, kulinarisch und konzeptionell. Im Interview erzählen die Hoteliers von herausfordernden Umbauten, ihrem bio-zertifizierten Neuanfang und wie KI den Hotelalltag revolutioniert.
Mit dem Hotel Sturm in Mellrichstadt erfüllte sich Otto Sturm in den 1970ern seinen Lebenstraum. Auch Tochter Christa war schon als Kind fasziniert von Architektur, Design und Bau. Statt Puppen begeisterten sie Papas Baustellen. Doch ein Mädchen auf dem Bau? Damals undenkbar. Also entschied sich Christa für die Hotelfachschule. Nach Jahren in renommierten Betrieben kehrte sie zurück in die Rhön, stieg in den elterlichen Betrieb ein – und lernte ihren Mann Matthias kennen. Der ausgebildete Restaurantfachmann und Hotelkaufmann durchlief alle Stationen innerhalb der Hotellerie und wollte schon vom ersten Ausbildungstag an Hoteldirektor werden. Er sah sich bei den großen Ketten, sein Ziel immer vor Augen. Dann kam die Liebe – und mit ihr der Wechsel in ein kleines Hotel mit großem Potenzial.
Gemeinsam katapultieren Christa und Matthias Schulze Dieckhoff das Hotel Sturm in die Moderne. Aus dem Klinkerbau wurde ein stilvolles Refugium für Design, Bio und bewussten Genuss. Wie es dazu kam, welche mutigen Entscheidungen nötig waren und warum der Umstieg auf Bio ihr Leben verändert hat, erzählen sie im Interview.
Das Hotel Sturm wurde in den 1970ern erbaut und hat seither viele Veränderungen erlebt. Erzählt uns bitte davon!
Christa: Mein Vater war Bauunternehmer und träumte vom eigenen Hotel. So entstand das Sturm – gebaut im typischen Stil der 1970er mit rotem Klinker und klarer Formensprache. Er dachte: Ich baue das, dann läuft es schon, doch es fehlte an Strategie und Hotelwissen. Viele bewunderten seinen Mut, aber es war ein hartes Geschäft. Mit der Eröffnung 1976 übernahm meine Mutter Inge das Hotel – ganz ohne Fachwissen und mit viel Respekt vor dieser Herausforderung. Sie setzte auf Busreisende, die sich für die Rhön, das Bäderdreieck und die Nähe zur damaligen Zonengrenze interessierten. Mein Vater kümmerte sich ums Baugeschäft, meine Mutter ums Sturm. So kamen sie irgendwie über die Runden.
Matthias: Da muss ich meinen Hut ziehen. Inge hat das Haus sehr ordentlich geführt und es genoss einen guten Ruf. Ich kam im September 1987 dazu; 1996 pachteten wir das Hotel. Meine Schwiegermutter ließ uns schnell walten, und wir investierten kräftig: weg von der Bustouristik, hin zu Tagungen und Seminaren. Unter der Woche kamen Geschäftsreisende, aber die Wochenenden blieben leer. Als leidenschaftlicher Motorradfahrer setzte ich dann auf diese Zielgruppe – das war unsere Rettung. Ich war plötzlich auf Motorradmessen unterwegs, sogar mit eigenem Stand. Das war damals ein Novum; das Sturm wurde zum erfolgreichsten Motorradhotel Deutschlands. Die Gäste kamen, aber nur bei Schönwetter. Wir wussten, dass wir mehr bieten müssen. Ein großer Schritt war der Kauf des Sturm im Jahr 2003. Christa und ich wurden die alleinigen Eigentümer und somit waren wir in unseren Entscheidungen frei.
Architektur ist euer Herzensthema. Es war euch wichtig, beim Um- und Neubau die Geschichte des Hauses zu bewahren. Wie habt ihr das hingekriegt?
Matthias: Das verdanken wir unserem Architekten Prof. Matthias Loebermann. Er ist nicht nur Architekt, sondern auch ein hervorragender Künstler, der für seine Fassadenentwürfe bekannt ist. Loebermann hatte den richtigen Ansatz für uns. Die Fassade wurde sorgsam bearbeitet: 22 Handwerker schrubbten jeden Klinkerstein von Hand ab, erneuerten die Fugen und trugen eine natürliche, weiße Kalkschlämme auf, dies sich jeder Witterung annimmt und das Sturm immer wieder in einem anderen Licht erscheinen lässt. Uns war wichtig, den Baukörper von 1976 zu erhalten – als Hommage an die Geschichte – und ihn zugleich in die Gegenwart zu holen. Dies gilt im übrigen für all unser Tun am Bestand des Sturm.
Christa: Wir wollten auch weitere natürliche Elemente beim Bau integrieren, daher kam die Idee für die Holzverkleidungen aus Naturlärche. Die verschiedenen Bauphasen sieht man noch. Nichts ist ökologischer, als einen alten Bestand weiterzunutzen. Nach dem Außenbereich kam das Innenleben dran: Lehmputz, wassersparende Armaturen, behutsame Modernisierungen. Neubauen ist leichter, aber Bestand klug zu transformieren – das ist echte Nachhaltigkeit.
Matthias: Manchmal haben wir auch so gehandelt, weil das Geld nicht da war. Du kannst nicht alles rausreißen; oftmals reicht es, es hübsch zu machen.
Christa: Ein schönes Beispiel dafür ist unser Restaurant „Otto’s“, benannt nach meinem Vater. Die einstige Stube war ein österreichischer Bau. Der Architekt wollte die schweren Deckenelemente abreißen, Matthias hatte dann die Idee, sie weiterhin zu zeigen, sie aber mit mattem Schwarz zurückzunehmen. Meine Mutter wollte das Hotel nicht mehr betreten, weil wir die Stube umgebaut hatten, aber als wir es ihr erklärt und gezeigt haben, war sie besänftigt.


Das Sturm bietet über 30.000 m2 Fläche. Wie sorgt ihr dafür, dass sich das Hotel gut in die Natur eingliedert?
Christa: Dafür müssen wir meinen Eltern danken, weil sie so viele Bäume gepflanzt haben. Das ist die Basis dafür, dass sich das Sturm heute so harmonisch in die Natur einfügt.
Matthias: Ein weiterer Schlüsselmoment war der Hitzesommer 2002. Unsere Gäste suchten unterwegs nach Abkühlung – oft sogar in den Basaltseen der Rhön. So entstand die Idee für unseren Naturschwimmteich. Mit dem Bau haben wir erstmals begriffen, welches Naturparadies wir haben. Vorher sahen wir vor allem Arbeit: eine riesige Fläche, die es zu mähen galt. Aber plötzlich änderte sich unser Blick. Es folgten die Außensauna, der Saunabereich – und nicht zu vergessen, der wunderschöne Nasch- und Kräutergarten. 2025 entsteht unser Ruhehaus – ein reiner Holzbau mit Blick über den Schwimmteich in den Garten.
Gab es auf eurem Weg auch Hindernisse oder Herausforderungen?
Matthias: Herausforderungen gab es viele – vor allem finanziell. Viele Entscheidungen haben wir aus dem Bauch getroffen, nicht immer kaufmännisch durchgerechnet. Aber ohne diesen Mut wäre vieles nie passiert. Besonders bei der Umstellung auf 100 Prozent Bio im Jahr 2011 – da waren wir aus heutiger Sicht schon echt früh dran – hatten wir Angst vor höheren Kosten. Und ja, der Einkauf wurde teurer – aber wir konnten bessere Zimmerpreise erzielen und hatten mehr Gäste. Unterm Strich war es ein Gewinn.
Christa: Auch der große Umbau war eine Herausforderung. Wir haben dem Architekten vertraut und alles im laufenden Betrieb gestemmt. Das war mutig. Aber wenn du dich nicht traust, bleibst du stehen. Und es ist ein wunderbares Gefühl, wenn aus diesem Mut etwas wirklich Schönes entsteht.
Welcher Change hat euch und das Hotel besonders geprägt?
Christa: 2011, als wir zu den Bio Hotels dazugestoßen sind. Da hat sich nochmal ein Schalter umgelegt.
Matthias: Das vergesse ich nie. In diesem Jahr bin ich 50 geworden und habe nochmal das Leben neu gelernt. Die Weitsicht, andere Ansichten und Gedanken der Bio-Pioniere haben uns beeindruckt. Dann mussten wir nur noch unseren Küchenchef von der neuen Herausforderung überzeugen.
Christa: Ich habe gedacht, die Umstellung für die Bio-Zertifizierung dauert drei bis vier Monate, aber Matthias wollte einen radikalen Schnitt. Wir haben dann unsere vorrätigen Lebensmittel verschenkt und alles komplett umgestellt.
Matthias: Nach Weihnachten bis Dreikönig hatten wir noch Gäste. Dann haben wir vier Wochen zugemacht und den ganzen Laden von jetzt auf gleich umgekrempelt.
Wie schwierig war diese Veränderung auf 100 Prozent Bio?
Christa: Damals gab es in der Rhön wenig Bio-Angebot, vor allem die Logistik war eine Herausforderung. Doch das hat sich verändert: Heute gibt es viele Bio-Betriebe in der Region, bei denen wir Ziegen, Hühner, Schafe, Gemüse und vieles mehr beziehen. Einiges kommt sogar direkt aus unserem Nasch- und Kräutergarten: Von Salat über Beeren bis zu frischen Kräutern – was bei uns wächst, landet auch auf dem Teller. Das ist gelebte Kreislaufwirtschaft. Natürlich reicht das nicht für alles, aber es ergänzt unsere Küche perfekt.
Matthias: Heute hat die Rhön die höchste Bio-Dichte Deutschlands. Was wir nicht direkt bekommen, liefert uns der Bio-Großhandel. Unser Prinzip: so regional wie möglich.
Gibt es Lebensmittel, die heute noch schwer in Bio-Qualität zu beschaffen sind?
Matthias: Fisch ist bei uns ein Sonderthema. Zwar gibt es MSC-zertifizierten Fisch, aber keinen in Bio-Qualität aus der Region. Deshalb beziehen wir unseren Fisch von Sven, einem Züchter aus der Rhön mit wunderschönen Teichen. Seine Setzlinge sind allerdings nicht bio – und werden es auch nicht, selbst wenn sie gut gefüttert werden und ein gutes Leben haben. Aber uns ist es wichtiger, diesen regionalen Betrieb zu unterstützen. Das ist eine bewusste Entscheidung, zu der wir stehen – und die wir auch offen kommunizieren.
Wie kam es zu eurem Live-Cooking-Konzept und was ist das Besondere daran?
Christa: Während des zweiten Lockdowns haben wir unser Essenskonzept neu gedacht. Manche hielten uns wegen der Bio-Zertifizierung für ein Sanatorium – mit entsprechend langen Listen an Unverträglichkeiten, die oft eher persönliche Vorlieben waren. Für unsere Küche war das kaum noch umsetzbar. Deshalb haben wir ein flexibles System entwickelt: Es gibt täglich Fisch, Fleisch, vegetarische und vegane Optionen – jeder wählt, was ihm schmeckt. Das Herzstück ist unsere offene Küche. Gäste sehen zu, wie gekocht wird, und kommen direkt mit unseren Köch*innen ins Gespräch. Das schafft Nähe und Wertschätzung.
Matthias: Das offene Küchenkonzept erlaubt uns, flexibel auf regionale Angebote zu reagieren. Statt starrer Speisekarten kaufen wir, was gerade frisch und gut verfügbar ist – und reduzieren so Food Waste. Wenn ein Bauer spontan ein halbes Schwein hat, verarbeiten wir es sofort. Die Gäste nehmen sich, was und wie viel sie möchten – das hilft uns beim Planen und schont Ressourcen.

Kräuter- und Naschgarten im Hotel Sturm

Mit welchen Worten würdet ihr Nachhaltigkeit für euch definieren?
Matthias: Wenn mein Handeln und mein Tun gut ist und Dritten nicht schadet, weder der Umwelt, noch den Menschen.
Christa: Du kannst nicht alles perfekt machen oder hundertprozentig nachhaltig leben. Aber wenn du achtsam bist und viele kleine Dinge veränderst, ist das ein großer Schritt. Nachhaltigkeit bedeutet für mich, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen und jede Handlung bewusst zu hinterfragen.
Das Hotel Sturm beweist seit langem Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Was ist eure Superpower?
Matthias: Im Endeffekt ändert sich die Zeit rasend schnell. Du musst immer up-to-date bleiben, denn vieles verändert sich und es entwickeln sich ja auch neue Trends. Gerade im digitalen Bereich kommt viel rund um KI.
Christa: Daher ist es wichtig, nicht den Fokus aufs Eigentliche zu verlieren und dann in irgendeine Richtung zu schlittern, die vielleicht nicht zu uns passt. Wichtig ist uns, am Puls der Zeit zu handeln, aber dabei unsere Grundwerte Bio und Natur nicht aus den Augen zu verlieren.
Weil ihr KI erwähnt habt: Wo steht ihr digital und wohin geht die Reise?
Matthias: Wir setzen bereits auf Künstliche Intelligenz – etwa bei Gästeanfragen, die auch nachts automatisch beantwortet werden. Ein vollautomatisierter Chatbot ist in Planung. Unser Preissystem reagiert dynamisch auf Auslastung, Saison und weltweite Ereignisse. Aktuell richten wir ein KI-basiertes Controlling-Tool ein, das Finanzdaten analysiert, Budgets erstellt und Optimierungen vorschlägt.
Christa: Auch unsere Gästekommunikation läuft modern: Über unseren WhatsApp-Kanal kannst du sogar direkt ein Zimmer buchen. Unser CRM (digitales Kundenbindungsprogramm, Anm.) erlaubt gezieltes Marketing – etwa für Yoga-Gäste. Die Website ist nahtlos integriert und sorgt für rund 60 Prozent Direktbuchungen. Trotz all der Technik achten wir aber darauf, dass der persönliche Kontakt nicht verloren geht – im Restaurant gibt’s bewusst keinen QR-Code zum Bestellen. Langfristig wird’s vermutlich so sein, dass die KI nicht nur das Hotel vorschlägt, sondern gleich bucht, die Anreise organisiert – und du brauchst gar keine Website mehr. Da tut sich gerade viel, und wir schauen, dass wir vorne mit dabei sind.
Ihr seid längst Vorbild für viele. Welchen Tipp gebt ihr Hoteliers, die auch euren nachhaltigen Weg einschlagen möchten?
Matthias: Mein wichtigster Tipp: Alles im Haus einmal umdrehen und genau hinschauen. Jedes einzelne Detail hinterfragen – und nie damit aufhören. Die schnellste Wirkung zeigt das Thema Energie. Wer nachhaltig arbeiten will, sollte sich zuerst überlegen, wie er mehr Strom selbst produzieren und effizienter nutzen kann.
Wo möchtet ihr gerne noch nachbessern?
Matthias: Wir beziehen bereits Biogas, aber ich möchte den Gasverbrauch weiter senken. Als Chef kümmere ich mich um solche technischen Fragen. Früher lagen unsere Stromkosten bei rund 4.000 Euro netto und mehr – heute sind es nur noch etwa 1.000 Euro, trotz größerem Hotel, vier Saunen und Küche – und da ist noch nicht mal die Rückvergütung aus dem Verkauf von Strom an unserer E-Ladetankstelle berücksichtigt. Im Vergleich zu anderen Hotels in unsere klasse und Größe sind wir da sicherlich Spitzenreiter. Maßnahmen wie Photovoltaik, Batteriespeicher, Wärmerückgewinnung, Geo- und Solarthermie haben viel gebracht. Und das Beste: Nachhaltigkeit zahlt sich auch wirtschaftlich aus. Du schützt die Umwelt und sparst dabei noch Geld. Das ist ja das Coole.


Welche Gäste kommen heute ins Sturm?
Matthias: Unsere Gästeklientel hat sich durch die Bio-Zertifizierung und unser gelebtes Nachhaltigkeitskonzept komplett verändert. Wir haben viele Stammgäste verloren, die mit dem Bio-Gedanken nichts anfangen konnten. Dafür gewinnen wir heute ein viel bewussteres Publikum, das Transparenz und Echtheit schätzt.
Christa: Die Gäste loben die Atmosphäre, das Design, die Küche, das Wellnessangebot und unser Team – das zeigt auch die Auswertung unserer Bewertungen. Das macht uns stolz, gerade weil wir nicht mehr täglich vor Ort sind. Unser Team funktioniert eigenständig und professionell; wir schenken Vertrauen, und das spüren auch die Gäste. Sie erwarten keine permanente Präsenz der Familie. Dafür sind echte Begegnungen, zum Beispiel spontane Gespräche im Naschgarten, umso wertvoller.
Wie stellt ihr euch den Tourismus im Jahr 2050 vor?
Christa: Ich glaube, der Tourismus wird regionaler. Viele Menschen werden nicht mehr so weit fliegen, sondern die Schönheit vor der eigenen Haustür mehr wertschätzen – auch wegen der Krisen und Spannungen weltweit. Das sieht man schon heute, besonders bei der jüngeren Generation.
Matthias: Es wird auch eine Kostenfrage. Fliegen wird teurer, und Länder wie Indonesien oder Thailand werden selbst wohlhabender. Gleichzeitig wird der Klimawandel viele zum Umdenken bewegen. Wer will schon, dass es zu Hause noch heißer wird? Wir hören immer öfter von Kund*innen: Warum soll ich mich stundenlang in die Autobahnlawine stürzen, wenn ich in kurzer Zeit ins Sturm fahren kann?
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