Der gemütliche Frühstückstisch mit Blick auf den Balkon mit hunderten Pelargonienblüten, eine Hommage an Wien in den 60er-Jahren, ebenso wie der Name des Hotels: Henriette. Verena und Georg Pastuszyn machten das ehemalige „Das Capri“ zum Vorzeige-Stadthotel mit Gleichwohlfühl-Konzept für alle.
Den neuen Namen Henriette hat das Hotel von jener Frau geerbt, die ein paar Häuser weiter ein unkonventionelles Leben führte. Als Sängerin und Mutter von sieben unehelichen Kindern heiratete Henriette 1862 den Walzerkönig Johann Strauss. 160 Jahre später stehen Verena und Georg Pastuszyn vor dem Hotel Capri, dem Hotel von Georgs Eltern. Sie übernehmen den Betrieb, wechseln den Namen und verwandeln es peu à peu in das erste Gemeinwohl-Hotel der Stadt.
Verena, geboren und aufgewachsen in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Weinviertel, absolvierte nach der Schule ihr Magisterstudium im Fach Ethnologie und Kommunikationswissenschaften. Im Anschluss war sie als PR-Beraterin tätig und widmete sich der Weiterführung der elterlichen Buchenschank. Seit 2016 führt sie gemeinsam mit Ihrem Ehemann Georg die Henriette.
Wie ist das, wenn ein Hotel zu einer Persönlichkeit wird?
GEORG: Als ich Das Capri von meinem Vater übernommen habe, war es ein gut etablierter Betrieb. Aber ich hatte auch den Anspruch, es zu meinem eigenen zu machen und nach einigen Jahren das Gefühl, dass mir das unter Das Capri nicht so gelingt, wie ich es mir gewünscht habe.
VERENA: 2018 haben wir eine Zukunftserzählung für unser Hotel geschrieben, in der wir den 4. Juli 2024 beschrieben und alle unsere Visionen und Ziele vorkommen ließen, die wir für unser Hotel wagen wollten. Das war für uns ein großer Wurf, denn da stand auch plötzlich Henriette drinnen. Da stand etwas von Gemeinwohl-Ökonomie drinnen, Lob und Anerkennung für und durch Mitarbeiter*innen, eine begrünte Fassade, der Wunsch, dass unsere Mitarbeiter*innen zu den glücklichsten der Branche gehören, davon dass man etwas zurückgibt. An die Region, an die Menschen, an die Nachbarn.
GEORG: Das Ergebnis unserer Zielsetzung klang einfach: Es ging um das Gute. In der Ausführung, die sich ja durch alle Bereiche des Hotels durchziehen soll, wurde es enorm komplex.
VERENA: Wir wollten das Gute nähren. Es ging und geht um ein gutes Leben für alle, die mit uns zu tun haben. Und Henriette wurde zum Ausdruck und Antrieb für unsere Werte.
GEORG: Deswegen ist Henriette nicht eine Person, Henriette sind viele. Das kann ein Gast, können Mitarbeiter*innen, wir sein: Henriette ist die Summe von uns allen: unsere Werte, die wir teilen; Respekt, Wertschätzung, Achtsamkeit. Darum steht auf unserem Logo seit der Umbenennung von Das Capri und unserem kompletten Relaunch im November 2021: Wir sind Henriette.
Die Stärken des Hotel Henriette
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Praterstraße 44-46
1020 Wien
Henriette Stadthotel
66 Zimmer, 6 Suiten
Preis € ab 127 pro Zimmer/Nacht (2 Personen)
Wiener Hotel nach Gemeinwohl-Ökonomie, Wiener Soul Food Frühstück, chemiefreie Reinigung, Schlafen in Naturmaterialien.
Seither stellt Euch Henriette auf den Prüfstand mit Zertifikaten, Auszeichnungen und einer ganz wichtigen Bilanz in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie.
GEORG: Uns wurde bereits 2005 als eines der ersten Wiener Hotels das österreichische Umweltzeichen verliehen, 2015 kam das EU-Ecolabel dazu.
VERENA: Aber das genügte uns noch nicht. Als wir 2019 unsere erste Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz erstellt haben, hatten wir endlich etwas in der Hand, worin wir uns wirklich wiederfinden.
GEORG: Ein ganz wichtiger Aspekt der Gemeinwohl-Ökonomie ist, dass in Unternehmen nicht die Profitmaximierung an erster Stelle steht, sondern dass es allen Stakeholdern, allen Beteiligten gut geht. Das ist der Rahmen für das, was wir täglich tun. In Wahrheit steht die Gemeinwohl-Ökonomie auch in einigen Verfassungen festgeschrieben, in der deutschen zum Beispiel: dass die Wirtschaft dem Wohle aller zu dienen hat. Nur ist das in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Es wird schon an den Universitäten nicht unterrichtet, sollte aber eigentlich Kern der Wirtschaft sein.
VERENA: Sie ist auch nicht zu verwechseln mit kommunistischen Ansätzen. Mit diesem Vorwurf wird die Gemeinwohl-Ökonomie immer konfrontiert, aber das hat nichts damit zu tun.
GEORG: Ihre Basis ist ein solides, gesundes Wirtschaften. Wir müssen wirtschaftlich erfolgreich sein, für unsere Leistungen einen entsprechenden Preis verlangen, nachhaltig Gewinne schreiben, weil wir unser Gutsein sonst nicht durchhalten können. Wenn unser Unternehmen pleite ist, tun wir auch nichts Gutes mehr. Dann verlieren Menschen ihren Arbeitsplatz, dann können wir Lieferanten nicht mehr fair bezahlen. Unser höchstes Ziel ist aber nicht, den Profit für uns zwei zu maximieren, sondern wir fühlen uns erst dann richtig erfolgreich, wenn wir gesund wirtschaften und eine Win-Win-Situation für alle herstellen. Ganz klar auch für unser Grätzel, mit dem wir in guter Nachbarschaft und im Austausch leben wollen.
Wie fiel eure Bilanz aus?
GEORG: Wir haben in den Jahren 2016 bis 2018 von 1000 möglichen Punkten 398 erreicht. Null Punkte bedeutet die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens. Von dort aus startet die Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz überhaupt erst. Wir haben also die gesetzlichen Standards aus eigenem Antrieb heraus um 39 Prozent übererfüllt.
VERENA: Wir stehen damit aber erst am Anfang. Anhand dieser Bilanz arbeiten wir konsequent und gezielt unsere Themen ab und bilden diese auch transparent auf unserer Website ab, zum Nachlesen. Darin geht es ganz konkret um Menschenwürde, Transparenz und Mitentscheiden, Gerechtigkeit und natürlich ökologische Nachhaltigkeit.
Mit Henriette habt ihr aber zugleich auch eine ganz eigene Definition von Gemeinwohl gefunden?
VERENA: Ja. Denn worum geht es denn, wenn wir ein gutes Leben für alle wollen, die mit unserem Hotel zu tun haben – sei es als Gast, als Lieferant, als Mitarbeiter*in. Ums Wohlfühlen. Wir sagen dazu Gleichwohl fühlen.
Gab es Augenblicke, in denen Ihr Henriette am liebsten vor die Tür gesetzt hättet?
VERENA: Oh. Ja. Rauswerfen wollten wir sie nie, aber es gab schon auch viele Durststrecken. Wir hatten ja im Sinne der Nachhaltigkeit schon vieles implementiert. Aber uns ging es um die Durchdringung des Betriebs, darum, unsere Unternehmenskultur tiefgreifend zu verändern. Um gelebte Werte. Für alle, täglich. Und nicht nur auf dem Papier. Um ein kleines Beispiel zu nennen: bei uns gibt es ein gemeinsames Mittagessen. Für alle. Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter*innen, egal aus welcher Abteilung, und auch wir zusammensetzen und miteinander essen. Das war anfangs tatsächlich schwierig umzusetzen, jetzt genießen es alle.
GEORG: Respekt und Wertschätzung funktioniert nur so: Wenn sich alle miteinander an einen Tisch setzen und reden können. Das ist eigentlich die Basis.
VERENA: Oder einander zu loben. Auch das fordern wir von unseren Mitarbeiter*innen ein – und es gab leider wirklich welche, die das nicht über sich gebracht haben. Wir haben eine App für interne Kommunikation, und da gibt es die Gruppe: Gut gemacht. Hier posten alle Mitarbeiter*innen, die vielen kleinen und großen Dinge, die ein Kollege oder eine Kollegin gut gemacht hat. Im Jahr kommen da etwa 1000 Posts zusammen.
Im Henriette Stadthotel werden auch besondere Jobs vergeben.
VERENA (schmunzelt): Ja, wir haben keine Reinigungskräfte, kein Frühstückspersonal und keine Assistent*innen. Wir haben Wohlfühlexperten, an der Rezeption haben wir Gästebegeisterer und in der Früh sind die Muntermacher+innen am Werk. Und Genusskoordinator sagen wir zum Beispiel zum Kollegen, der unsere F&B-Abteilung aufbaut und uns auch mit großartigen Produkten aus der Gegend von Apetlon im nahen Burgenland versorgt.
Eure Energieversorgung habt ihr schon längst zukunftsfit gemacht. Mit einer Luft-Luft-Wärmepumpe am Dach und mit 100 Prozent Ökostrom. Was tut ihr noch?
GEORG: Wir reinigen das ganze Haus zu 100 Prozent chemiefrei, außer im Küchenbereich und bei den Waschmaschinen, wo das gesetzlich vorgeschrieben ist.
VERENA: Das heißt, wir bringen kaum Reinigungsmittel ins Abwasser. Wenn wir uns vorstellen, jedes Hotel in Wien würde das machen – was bedeutete das fürs Abwasser? Das wäre genial!
GEORG: Oder auch der Plastikmüll. Wir produzieren keinen Plastikmüll bei der Reinigung. Keine Container, keine Chemikaliengebinde, keine Plastikkanister, das haben wir nicht mehr.
VERENA: Wir haben beim Putzen einen um 90 Prozent reduzierten Wasserverbrauch, weil das Dampfreinigen so sparsam ist. Sonst wird geschrubbt und das Wasser rinnt.
GEORG: Dazu kommen die hochkonzentrierten Chemikalien, die auf zwei Liter Wasser verdünnt und überall versprüht werden. Das fällt alles weg. Wenn man sich einmal damit beschäftigt, was für Chemikalien auf Oberflächen haften blieben und womit man dadurch täglich in Kontakt kommt, was das für die Gesundheit der Mitarbeiter*innen, der Gäste, der Umwelt bedeutet, und welchen Schaden das anrichtet, dann will man nie wieder etwas anderes, als das alles wegzulassen.
VERENA: Für unsere Gäste stellen wir gerade in unseren Zimmern auf „Natürlich Schlafen“ um – mit reinen Naturmaterialien. Matratzen aus Naturlatex und Kokosfaser, Bio-Baumwolle und Leinenbettwäsche von Vieböck Leinen, Decken mit Maisfüllung, das beziehen wir alles aus Österreich und Deutschland.
Wien ist eine lebenswerte Stadt, davon erzählt ihr auch in jedem Stockwerk und noch weiter in den Zimmern mit Fotos und kleinen Geschichten. Ein Stockwerk widmet sich, zum Beispiel, Wiener Ausblicken, eines der Architektur, eines der Wiener Prominenz. Was bedeutet es für Euch in einer so lebenswerten Stadt einen Betrieb zu führen?
VERENA: Dass Wien lebenswert ist und bleibt, liegt in der Verantwortung jedes einzelnen. Unsere Gäste wohnen ja quasi tatsächlich mitten in Wien, mit den Wiener*innen. Die Hofzimmer blicken auf die umliegenden Wohngebäude, in denen Wiener Alltag herrscht, vor den straßenseitigen Zimmern spielt sich das quirlige Stadtleben des zweiten Bezirks ab. Und wir sind da mittendrinnen und gestalten das mit.
GEORG: Wir haben das Gute und Lebenswerte für unser Unternehmen definiert. Wir wollen unsere Kultur der Achtsamkeit und Wertschätzung weitergeben, und wünschen uns auch, dass sie von unseren Mitarbeiter*innen weitergetragen wird.
VERENA: Ja, wir wollen nicht die ganze Welt verändern, aber das Stückchen Welt um uns herum.