Walter Holzer ist kein Pfennigfuchser, sonder ein schlauer Nachdenker, wie er sein Berghotel Sexten in Südtirol noch ressourcenschonender betreiben kann. Lies hier, wie er Nachhaltigkeit günstiger macht, warum er die Fünf-Sterne-Mentalität nicht mag und weshalb Lebensmittel-Kreisläufe immer kleiner werden.
Es vergeht fast kein Tag, an dem Walter Holzer nicht selbst im Berghotel Sexten anzutreffen ist. Er ist in dem Haus aufgewachsen, als seine Eltern noch den Betrieb geführt haben. Walter absolviert die Hotelfachschule, schließt ein Wirtschaftsstudium ab, beginnt Jus, verwirft jedoch den Plan, Rechtsanwalt zu werden. Nach kurzen Wanderjahren in der Hotellerie und einem halben Jahr auf Weltreise kehrt er 1996 in das Südtiroler Dorf zurück, übernimmt das Berghotel und baut es zu einem charaktervollen Urlaubsplatzerl für Menschen aus, die es solide, ehrlich und im Einklang mit Mensch und Natur mögen.
Wir sitzen hier an deinem Lieblingsplatz – an der Bar des Hotel Sexten. Hast du hier besonders nette Momente erlebt oder magst du die Bar, weil sie zum ältesten Teil des Hauses gehört?
Ich bin gern da, weil es gute Getränke gibt. Als Aperitif empfehle ich zum Beispiel den Orange Wine vom Kuckuck, meinem Weingut.
Du bist auch Winzer?
Ich würde eher sagen: Hilfswinzer. Ich kenne mich aus, wenn ich es selber mache, würde auch Wein rauskommen, aber der würde sicher nicht alle Jahre gleich schmecken. Wein machen ist eine Kunst!
Das Hotel liegt inmitten der Dolomiten, direkt am Wander- und Skigebiet mit den berühmten Drei Zinnen in Sichtweite. Wie tickt das Tal?
Im ersten Weltkrieg wurde das gesamte Tal für drei Jahre evakuiert. Es wurde total zerschossen, die Menschen sind dann zurückgekommen, haben alles wieder aufgebaut, aber diese Zeit hat sehr viel kaputt gemacht. Es ist heute ein verschlossenes Tal mit einem ganz eigenen Dialekt. Der in Österreich tätige, hier geborene Journalist Claus Gatterer hat ein Buch geschrieben: Schöne Welt, böse Leute. Es handelt von unserem Tal und sagt sehr viel. Aber die Natur in der Region ist wunderbar.
Wenn du selbst mal raus musst, an welchen Ort zieht es dich? Wo findest du Inspiration?
Ich kann hier in Sexten nicht nichts tun. Deshalb muss ich manchmal weg. Wurscht, wohin. Da habe ich keine Ansprüche – außer beim Essen. Und Luxus brauche ich auch nicht.
Aber hier bietest du deinen Gästen doch auch Luxus?
Ja schon. Aber ich kann genau erklären, warum ich nur ein Vier-Sterne-Haus sein will: Weil ich nämlich die Fünf-Sterne-Mentalität der Gäste nicht mag. Ich mag keine Gäste, die nicht freundlich sein müssen. Und auch keine, die sagen, hier ist mein Autoschlüssel, machen Sie! Unser ökologisches Gewissen passt mit gewissen Fünf-Sterne-Standards nicht zusammen. Aus meiner Sicht hat der Gast gewisse Pflichten. Minimale, aber Pflichten.
Da siehst du deine Rolle als Gastgeber vermutlich ganz anders als noch deine Eltern. Erinnerst du dich an den Moment, an dem du erkannt hast, du willst das Hotel anders führen?
Das ist sukzessive gegangen. Ich bin viel in anderen Hotels gewesen, weil ich nie betriebsblind werden wollte. Und habe vor allem Beispiele gesehen, wie ich es sicher nicht machen wollte. Ich habe mich aber noch nie gescheut, Dinge anders zu machen.
Was bedeutet nachhaltiges Wirtschaften im Berghotel für dich?
Vor 20 Jahren wollte ich eigentlich sparen. Ich wollte nichts unnötig wegschmeißen und verschwenden. Der Gedanke, dass das eigentlich aktiver Umweltschutz ist, ist parallel mitgewachsen. Aber dazu musst du dir erstmal Gedanken machen. Wie spare ich Energie mit LED und Bewegungsmeldern? Wie verkleinere ich den Fußabdruck? Dazu braucht es zum Beispiel größere Lagerräume. Weil ich nicht will, dass mein Lieferant jeden Tag vor der Tür steht. Ich will auch nicht jeden Tag bestellen müssen. Auch das ist eine Arbeit. Ich vermindere Arbeit, spare Geld und bin gleichzeitig umweltfreundlich. Das eine kann man vom anderen nicht trennen.
Erzählst du anderen von deinen Tüfteleien und Maßnahmen im Hotel?
Wenn ich gefragt werde schon. Aber ich bin kein Missionar. Ich mag den Austausch und bekomme auch gerne etwas zurück. Es freut mich aber, wenn etwas kopiert wird! Viele nehmen allerdings nur eine punktuelle Maßnahme heraus. Zum Beispiel die Ablage für das Besteck im Restaurant. Damit bieten wir Gästen die Möglichkeit, dass sie nicht für jeden Gang neue Gabeln und Messern bekommen. Aber das alleine bewirkt nichts.
Du hast viele Ideen, um Energie zu sparen und Abfall zu vermeiden. Wie misst du deine Erfolge im Haus und mit wem vergleichst du die Ergebnisse?
Vergleiche sind schwierig aber wichtig, damit ich sehe, wo ich stehe und weiß, wo ich Hausaufgaben zu erledigen habe. Wenn Hotels anfangen Stromverbrauch, Müllverbrauch, Wasserverbrauch pro Nächtigung zu erheben, scheitern viele, weil sie nicht richtig ablesen. Viele haben zum Beispiel immer noch Fernwärme und Heizöl, dann muss man eine Einheit konvertieren. Die Daten sind dann nicht sauber und schon gar nicht vergleichbar. Es ist halt recht einfach, sich selbst anzulügen. Die Einkaufsgenossenschaft Hogast - da war ich ein paar Jahre Präsident - hat dafür ein Eingabetool gebaut. Das funktioniert recht gut, hängt aber trotzdem immer von der Sauberkeit der Daten ab.
Eines deiner Ziele ist, Kreisläufe immer kleiner zu machen. Welcher Zyklus wird immer kleiner?
Vor allem der bei Lebensmittel. Die Rinder kommen fast alle aus Sexten. Das Kalbfleisch auch. Für Speck und Wurst werden Turoc Schweine hier aufgezogen, geschlachtet und verarbeitet. Normales Schweinefleisch gibt bei uns kaum mehr, weil es hier keine Schweinebauern gibt, dasselbe gilt für Hühner aus der Umgebung. Die Eier bekomme ich alle aus Südtirol.
Warum gibt es so wenig Anbieter, wenn es euch und andere Hotels als Abnehmer gibt?
In Österreich wären wir besser dran. Da haben die Gütesiegel der Handelsketten für Schub gesorgt. Der Bioanteil ist in Österreich viel höher. Die Leute kennen es aus dem Supermarkt, Nachfrage erzeugt Angebot. Wir machen es bei gewissen Produkten umgekehrt. Da muss ich ausschließlich biologisch nehmen und anbieten, sonst ist es ja sogar ungesund.
Was zum Beispiel?
Ein Apfel. Ein gespritzter Apfel löst Allergene aus, auch wenn ich ihn abwasche. Der Hofburggarten in Brixen wurde über 30 Jahre als konventionelle Apfelplantage genutzt. Jetzt wurden die Bäume gerodet, ein öffentlicher Garten entsteht. Doch dafür mussten sie den Boden 50 Zentimeter abtragen, weil er so kontaminiert war. Hühnerfleisch und Schweinefleisch aus herkömmlicher Haltung kann ich auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Das kann ich nicht essen. Und es ist bestimmt nicht gesund. Genauso wie Rindfleisch aus den USA – bei uns wird nichts mehr importiert. Und ich will auch sicherstellen, dass nichts davon in unsere Kaminwurzen und Salamis beigemischt wird.
Wie sicherst du die Fleischqualität?
Wir haben erst probiert, das ganze Tier zu kaufen und im Hotel zu zerlegen, aber da sind wir an unsere Grenzen gestoßen. Jetzt arbeiten wir wunderbar mit dem Metzger im Ort zusammen. Wenn ein Bauer mir ein Kalb anbietet, kann ich das abnehmen, wenn der Metzger es kauft und verarbeitet. So kommen wir auch auf einen Preis, der für alle stimmt.
Welche Wünsche spürst du von den Gästen?
Die Schwimmflächen, die Sauna und die Auswahl am Buffet können nie groß genug sein. Wir haben immer noch Gäste, die auch Kreuzfahrtschiffe buchen, und die glauben, es sei am besten, wenn die Auswahl am größten ist. Aber ich spüre auch, dass Gäste bewusst hierher fahren. Die suchen sich das Berghotel aus und wissen das zu schätzen.
Wie wichtig sind Zertifikate?
Ich habe mich lange gegen Papierkram und Aufwand gewehrt. Aber ich sehe immer klarer, dass es ohne Zertifikate nicht geht, weil vor allem die Generation, die nachwächst, immer weniger von Warenkunde und Produkten versteht. 25jährige von heute haben kaum Praxis. Sie bringen selten einen Dübel allein in die Wand. Und genauso wenig können sie gute von schlechten Lebensmitteln unterscheiden. Warum ist ein gekaufter Tomatensugo per Definition schlechter als ein selbstgemachter? Weil Zucker drin ist, Haltbarkeitsmittel und Farbstoffe. Darum ist ein verarbeitetes Produkt in jedem Fall schlechter als ein Produkt mit wenig Inhaltsstoffen. Aber heute können nicht mehr alle Italiener ein Tomatensugo selbst machen. Das geht verloren. Deshalb brauchen wir Zertifikate als Richtpfahl. Wo jemand anderer kontrolliert und sagt, das ist gut oder schlecht. Für die, die es selbst nicht mehr beurteilen können.
Welche Zertifikate tragt ihr?
Wir haben uns anfangs mit dem Ecolabel, jetzt nach GSTC und mit dem Nachhaltigkeitslabel Südtirol zertifizeren lassen. Das Ecolabel und das CO2 Klimaneutralitätsbündnis werde ich wieder lassen. Den Fußabdruck zu messen ist zwar wichtig. Aber es ist allein zu wenig. Da geht es nur darum, was in der Luft passiert, aber es klammert aus, was am Boden passiert. Der Emissionshandel ist mir absolut nicht geheuer. Den mag ich nicht.
Was stört dich an den Kompensationszahlungen?
Es ist das gleiche wie der Ablasshandel im Mittelalter, da muss ich nicht dabei sein. Ich versuche ja sowieso so wenig Co2 wie möglich auszustoßen. Dafür muss ich nicht etwas auf den Philippinen unterstützen. Ich halte den globalen Welthandel, wie wir ihn heute haben, sowieso für ein absolutes Unding, solange ich neuseeländische Kiwis billiger kriege als italienische. Dass der Transport nichts kostet, ist ein Witz.
Hast du Lösungen?
Man bräuchte nur den Schiffs- und den Flugzeugbenzin gleich besteuern wie den fürs Auto und alles wäre gelöst. Dann rechnen sich Billigimporte nicht mehr. Aber so lange ein chinesischer Krautkopf gleich viel kostet wie ein Pustataler Krautkopf kann das nicht funktionieren. Für mich ist das einfach. Ich kaufe diese Produkte nicht. Privat nicht, für das Hotel nicht und meine Kinder bekommen sie auch nicht.
Du verfügst über einen Multiplikatoreffekt im Hotel…
Ja, ich agiere hier nicht im Kleinen, ich agiere wie wenn ich 200 wäre - so viel Gäste habe ich im Haus, wenn wir voll sind. Im Jahr erreiche ich 8.000 bis 10.000 Gäste.
Eine enorme Reichweite! Kann ein Hotel zu einer besseren Zukunft beitragen?
Ja, Hotels können sehr edukativ sein. Mein Handeln ist sichtbarer als bei anderen. Aber ich will nicht missionarisch sein. Es ist eher umgekehrt. Ich brauche Akzeptanz, dass der Gast trotzdem bezahlt, obwohl er keine Badelatschen bekommt, die dann weggeschmissen werden. Obwohl es bei uns 8 Euro kostet, wenn man den Bademantel wechseln möchte. Ich will, dass er sich wohlfühlt, obwohl er nicht jeden Tag frische Bettwäsche bekommt wie in andere Hotels. Obwohl er keine Flugmangos am Frühstücksbuffett findet. Und auch keine Ananas. Ich stehe ja in Konkurrenz mit anderen, die das machen. Das muss ich kommunizieren, sonst versteht der Gast den Preis nicht. Wo der Überfluss an der Tagesordnung steht.
Ein Spoiler – du weißt schon, wie sich der Tourismus entwickelt. Wie urlauben wir 2050?
Lokaler. Fernreisen werden abnehmen, weil ich schon annehme, dass im Transportwesen bis dahin eine Kostenwahrheit eingeführt wird. Globaler Handel ist gut und wichtig, aber er darf eben nicht Null kosten wie momentan.
Du siehst die Zukunft optimistisch!
Nicht nur! Ich hoffe, dass die Schere zwischen arm und reich nicht weiter aufgeht, weil dann bleiben nicht mehr viele Mittelständler übrig. Individuelle Betriebe wie das Berghotel zahlen, um jetzt eine Nummer zu nennen, 40 Prozent Steuern – ein global agierendes Unternehmen zahlt 6 bis maximal 8 Prozent. Dank Zinseszinsrechnung werden große Ketten mit allem, was sie sich über die Jahre ersparen, reicher, alles was die anderen Zahlen müssen, macht die kleineren ärmer. Folgedessen wird jedes Hotel und jede Firma, die irgendwann ein Problem mit der Übergabe hat, von Großen gekauft. Von Fonds und internationalen Gruppen, denen der Preis eigentlich egal ist. Solange der Staat das erlaubt und solange Arbeit mehr versteuert wird als Kapitalerträge, solange gehen wir in eine miese Zukunft.
Den Druck auf die Politik erhöhen oder selbst tätig werden? Wo liegt der größere Hebel?
Viele Einzelne müssen etwas machen und nachhaltig handeln. Es geht um die Änderung des Verhaltens. Niemand zwingt mich, Schrott zu kaufen. Obwohl ich schon sehe, dass das für Ärmere nicht so leicht ist.
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