Change Maker Hotel Pogusch Glashaus Birgit Heinz Reitbauer
EY Österreich, Entrepreneur Of The Year / Robert Herbst
Pogusch

Glashaus Pogusch – Birgit und Heinz Reitbauer im Interview

Interview • Locationtipps

Warum das Steirereck am Pogusch auf keine Fall eine Trendgeschichte werden darf, wie die Idee von Betten im Glashaus entstand und weshalb sich alles um die Kreislaufwirtschaft dreht: Birgit und Heinz Reitbauer und wo der Pogusch in 10 Jahren sein soll.

Petra Percher
7. Juli 2023

Am Pogusch spürt man die lange Geschichte. Könnt ihr uns kurz erzählen, wie ihr dazu gekommen seid?

Es hat einer älteren Dame gehört, die in jahrelangen Besuchen überzeugt worden ist, dass sie ihn hergibt. Das ist am Land immer schwierig. Die Schwiegereltern und mein Mann haben ihn dann gekauft und in Selbstbauweise den alten Pogusch hingestellt. Ursprünglich war nur das Steinhaus aus dem Jahr 1616 da. Dann ist das Holzhaus aus Turnau abgetragen und dazugestellt worden und 1999 kam das alte Salettl dazu.

Wirtshaus Steirereck – Hotel im Glashaus

Urlaub bei den innovativsten Gastronomen des Landes: Die Reitbauers haben am Pogusch Glashäuser mit Hotelzimmern gebaut. Wer darin schläft, darf in der Küche mitarbeiten und zahlt weniger für die Kabane.

Was verändert sich jetzt am Pogusch – der ja mit den neuen Baumhäusern und den Kabanen im Glashaus mittlerweile zum 50-Betten-Hotel gewachsen ist?

Heinz Reitbauer: Wir haben drei Jahre lang fast jeden Tag ein bis zwei Stunden investiert, um über das Projekt nachzudenken. Birgit ist dabei sehr exakt und klar, ich verliere mich gern in Details.

Birgit Reitbauer: Der Schwiegervater, der bis zum Start des Umbaus den Pogusch geführt hat, meinte, für uns braucht‘s nimma umbauen. Sein Tipp war: Macht es kleiner, auch wegen der Personalprobleme. Aber a) ist Wirtschaftlichkeit im Kleinen nicht möglich und b) hat der Pogusch immer auch von der Action gelebt. Ein Wirtshaus, wo gegessen, gesoffen, gelacht worden ist. Das war für uns der Charakter. Wir haben uns dann Gedanken über die Tiefgründigkeit dieses Hauses gemacht. Wo soll die Reise des Pogusch hingehen? Was wird aus dem Pogusch in zehn, 20 Jahren? Welche Nachhaltigkeit wollen wir erreichen? Welche Kreislaufwirtschaft können wir angehen? Wir hatten diese Dimension im Kopf. Wir denken alles zehn Mal durch. Wir hinterfragen und kritisieren. Für PPAG architects, die den Wettbewerb gewonnen haben, sind wir ein fordernder Partner.

Heinz Reitbauer: Wir sind die schlimmsten Bauherren, die man sich vorstellen kann!

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Cathrine Stukhard

Was ist der Kernsatz, der nach so viel Denkarbeit übrigbleibt?

Heinz Reitbauer: Ein sehr transparenter Betrieb, der in allen Bereichen in Kreislaufwirtschaft denkt. Es gibt keinen Bereich, der nicht zugänglich und nicht schön und hell ist. Hinten ist vorne und vorne ist hinten.

Birgit Reitbauer: Hinten ist es genauso schön wie vorne. Wir und die Mitarbeiter verbringen so viel Zeit hinten in der Küche und den Arbeitsräumen. Das motiviert und du gehst anders in den Tag.

Heinz Reitbauer: Der Pogusch darf auf keinen Fall eine Trendgeschichte werden. Dieser Ort ist langfristig gedacht. Eine Selbstverständlichkeit. Das Gemeinschaftliche, die Wertschätzung der Lebensmittel, das Herzeigen – alles ist getrieben davon, dass wir selbst mehr lernen wollen.

Welchen Change merken die Gäste am stärksten?

Wir wollten gastronomisch zurück zu den Wurzeln und auch eine Schlafmöglichkeit anbieten, die nicht auf dem hochpreisigen Niveau, aber trotzdem etwas Besonderes ist. Die Idee vom Bett im Glashaus ist entstanden. Es duftet super. Es ist interessant für Menschen, die einen Bezug zur Natur haben. Wir hatten an Himmelbetten in den Pflanzen gedacht. Die Kabanen sind dann mit den Architekten entstanden.

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Cathrine Stukhard

Neu ist auch, dass Gäste mitanpacken und dafür noch weniger zahlen…

Heinz Reitbauer: Die Herausforderung unserer Zeit ist, diese Ästhetik, die Liebe und Handarbeit rüberzubringen. Leute, die im Glashaus schlafen, verstehen das am ehesten. Was wir machen ist wunderschön. Viele Tätigkeiten sind sehr einfach, brauchen aber viele Hände, gerade am Wochenende. Wenn 20 Leute ein paar Stunden Kräuterzupfen, sortieren, waschen oder Zwiebel und Erdäpfel schälen ist sehr geholfen. Wer mithilft, soll weniger bezahlen. Wenn das Thema Corona durch ist, starten wir damit.

Birgit Reitbauer: Es folgen noch mehr Möglichkeiten für interessierte Gäste. Wir können Vorträge machen und gleich alles herzeigen. Die ganze Praxis wächst rund ums Haus. Von der Kräuterkunde bis zum Wurst machen. Damit bekommt das Haus noch einen weiteren Sinn.

Warum fragen Menschen nach freiwilligen Jobs?

Birgit Reitbauer: Weil die Unzufriedenheit steigt. Viele wecken damit Erinnerungen an ihre Kindheit. Bei der Oma, als sie bis halb neun nicht heimgekommen sind, weil sie im Wald etwas gebaut haben.

Heinz Reitbauer: Sie suchen nach dem Mehrwert im Leben. Wenn wir bald unsere Erdäpfel ernten, und du machst das in einer Gemeinschaft von 30 Leuten und jeder nimmt eine Kiste mit nach Hause, dann ist das für alle erfüllend und respektvoll. Ein Wandel zur Erlebnis- und Sinngesellschaft. Deshalb wollen wir auch, dass unsere Mitarbeiter das machen. Es geht viel mehr Liebe rein, wenn ich Teil dessen bin und weiß, woher etwas kommt.  

Birgit Reitbauer: Viele machen es für den Sinn, viele einfach nur für das Erlebnis. Da darf man den Kreis nicht zu eng machen, weil möglichst viele damit in Berührung kommen sollen.

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Cathrine Stukhard

Welche Erwartungen habt ihr an die Gäste?

Heinz Reitbauer: Wir warten auf Menschen, die genau das suchen. Wir haben den Umbau im Vorfeld ja gar nicht promotet. Irgendwann haben wir dann gesagt, jetzt kann auch das Glashaus gebucht werden. Gäste haben dann das Glashaus genommen, weil alle Zimmer schon voll waren. Sie hatten sich nicht damit auseinandergesetzt und offenbar etwas ganz anderes erwartet. Es ist eben gewöhnungsbedürftig. Im Gegensatz zu den vier neuen Baumhäusern.

Birgit Reitbauer: Die Leute fragen aber auch, warum es im Baumhaus so viele Stufen gibt... Dafür spricht es andere, jüngere Leute an. Alt werden wir eh selber. Wir müssen schauen, dass der junge Drive da ist.

Was ist eure Vision für den Pogusch?

Heinz Reitbauer: Es soll ein landwirtschaftliches Vorzeigeprojekt sein. Wie kann man Land bearbeiten, bestellen und die Produkte dann verarbeiten? Über all dem steht die Wertschätzung für Lebensmittel. Wir sehen den Pogusch erst in 10 Jahren dort, wie wir ihn uns ausmalen. Wir haben 400 verschiedene essbare Pflanzen und mehr als 110 alte Streuobstsorten rund um das Haus gepflanzt. Wir kultivieren die Vielfalt und wollen mehr über Landwirtschaft lernen. Die Bildung hört ja nicht bei der Küche auf.

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Ihr müsst noch lernen?

Wir sind nur Laien, weil wir so viele Dinge machen. Wir arbeiten dafür mit allen namhaften Experten des Landes zusammen. Mit Evelyn Bach haben wir das kleine Glashaus gemacht, mit Zitruspflanzenexperte Heimo Karner von der Orangerie Schönbrunn das große. Wolfgang Palme von der City Farm Wien hat uns beraten. Siegfried Tatschl mit seinen 555 essbaren Wildpflanzen, hat die Obststräucher gepflanzt. Davon kennen wir selber nur zwei Drittel, bei Rest haben wir noch keine Ahnung, was das Ding überhaupt kann. Wie wir es verarbeiten können. Das ist ein Prozess, der erst losgeht.

Treibt Neugier euch an?

Birgit Reitbauer: Ja. Die Küche ist in ständiger Veränderung. Immer im Aufbruch. Immer am Kreieren. Wir schaffen 120 neue Gerichte im Jahr.

Heinz Reitbauer: Wenn wir nichts verändern, bleibt nur die Arbeit über. Und es ist viel Arbeit für alle. Am schlimmsten ist, du bist am Abend müde und erkennst, dass sich nichts bewegt hat. Auch unsere Mitarbeiter wollen sich weiterentwickeln und nicht nur arbeiten.

 

Wo inspiriert ihr euch?

In der Ruhe. Wir arbeiten sieben Tage die Woche. Wir sind nur mehr unterwegs, um zu genießen und Kraft zu schöpfen. Wir schauen uns wirklich nichts mehr an. Alles, was wir kochen oder tun, holen wir aus uns selbst.

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