Hotel magdas Wien Chefin Gabriele Sonnleitner
Karin Wasner
Wien

Gabriela Sonnleitner – Magdas Hotel

Interview • Locationtipps

Gabriela Sonnleitner leitet das Magdas Hotel und schafft damit Ausbildungsplätze für Menschen mit Fluchterfahrung. Sie macht vor, wie ein Unternehmen am Markt bestehen kann und dabei soziale Verantwortung übernimmt. Ein Gespräch über neue Ideen im Social Business.

Karin Wasner
2. Januar 2024

Mit positivem Blick und Hands-on-Mentalität zeigt Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin des Magdas in Wien, wie ein Hotel als Social-Business-Projekt funktioniert. Die gebürtige Kärntnerin arbeitete jahrelang in der Kommunikationsbranche, von NGOs bis große Kaufhausketten war alles dabei. 2015 fand sie schließlich ihren Platz in der Magdas Social-Business-Gruppe, die sie gemeinsam mit Co-Geschäftsführer Michael Kleinbichler leitet und zu der auch Magdas Hotel gehört.

Was war der Auslöser, dieses einzigartige Hotel-Projekt zu starten? 

In den Caritas Beratungsstellen haben wir die Erfahrung gemacht, dass Asylwerber mit positivem Bescheid schwer Jobs bekommen. Sie haben tolle Qualifikationen, sind motiviert und arbeitswillig aber niemand will sie beschäftigen. Also wollten wir ein Pilotprojekt im Tourismus starten und haben uns ganz naiv gedacht: Na dann machen wir halt ein Hotel!

Magdas Wien: Erstes
Social Business Hotel

Im Magdas Hotel in der Wiener Ungargasse bekommen Menschen mit Fluchthintergrund eine Ausbildung. Das Social Business Hotel der Caritas zeigt, dass Hotels einen höheren Zweck haben (dürfen).

Was kann ein Social Business zur Gesellschaft beitragen?

Wir wollten als ganz normaler Wirtschaftsbetrieb Arbeitsintegration vorzeigen. Dass das funktionieren kann, wenn man Menschen eine Chance gibt und dass man so ein soziales Problem mit wirtschaftlichen Mitteln löst. 2015 haben wir mit 20 Mitarbeitern mit Fluchthintergrund und fünf Hotelfachleuten gestartet – und das Magdas hat all unsere Erwartungen übertroffen. Wenn niemand das Potenzial der Geflüchteten sieht, zeigen wir vor, wie es gehen kann. 

Du warst ja selber auch lange in der Privatwirtschaft, was hat dich ins Magdas bzw. in den Bereich Social Business verschlagen? 

Ich habe meinen Magister in Musik- und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und bin dann im Tourismusmarketing eingestiegen. Danach war ich eine Zeit lang in England bei einem großen Einzelhandelsunternehmen. Dort habe ich erkannt, dass ich nur etwas vermarkten und kommunizieren kann, wenn ich wirklich dahinterstehe. In meiner Arbeit bin ich mit ganzem Herzen dabei, wenn das nicht geht, bin ich grottenschlecht in meinem Job, dann fällt mir auch nichts mehr ein. So bin ich dann in die NGO Szene gerutscht und seit 2015 führe ich gemeinsam mit Michael Kleinbichler die Geschäfte von Magdas Social Business.

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BWM/Severin Wurnig

Was hat dich in der Anfangsphase am meisten überrascht? 

Faszinierend war, wie viele Menschen ehrenamtlich und mit Begeisterung mitgearbeitet haben. Da waren so viele Freiwillige beteiligt. Studenten und Flüchtlinge haben mit Daniel Büchel und professionellen Tischler*innen alte Kästen auseinandergenommen. Student:innen der Akademie der bildenende Künste haben Kunstwerke in den Zimmer gestaltet. Und das Schönste ist: Hier spazieren noch immer Menschen herein und wollen etwas beitragen.

Gab es auch Hindernisse und Schwierigkeiten?

Jede Menge! Die gibt es immer. Alte Gebäude sind stets herausfordernd, deshalb mussten wir ja auch unseren ersten Standort im Prater schweren Herzens verlassen. Magdas Hotel war dort nur auf 5 Jahre geplant, dann haben wir noch zweieinhalb Jahre verlängert. Wir mussten oft selbst Hand anlegen, improvisieren, wir kochen, duschen, feiern - diesem heavy use war das ehemalige Seniorenheim nicht gewachsen. Jetzt sind wir im generalsanierten Haus in der Ungargasse. Hier konnten wir alles genau planen und auch die ökologische Bauweise mit Erdwärme und Photovoltaik besser einsetzen.

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BWM/Severin Wurnig

Was sind die besonderen Herausforderungen bei einem Social Business wie eurem?

Die große Challenge ist, das richtige Konzept zu entwickeln. Für uns bedeutet das, eine Balance zu finden zwischen Fachkräften, Lehrlingen und Auszubildenden, denen wir eine Chance geben wollen, sich in der Arbeitswelt zu beweisen.
Vor allem gute Fachkräfte, Führungskräfte und Ausbildner:innen zu finden, die beide Qualitäten vereinen, nämlich social und business, ist nicht einfach. Bei uns kommen auf eine Fachkraft maximal zwei Lehrlinge und es sind immer mindestens 12 Lehrlinge in Ausbildung. Denn neben der Ausbildung müssen wir die Qualität für unsere Gäste, ob im Hotel oder im Restaurant, immer garantieren können.

Wo sieht man den Change im Magdas?

Der sitzt an der Rezeption! Ziad ist das beste Beispiel. Im Integrationsjahr hat er in allen Abteilungen im Hotel gearbeitet, Deutsch gelernt und in eineinhalb Jahren seine Lehre und dann die Buchhalterprüfung gemacht. Als wir vergangenen Herbst die Leitung fürs Front Office Management gesucht haben, wussten wir, wen wir fragen. 

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Julia Geiter

Wieviel Change traust du anderen zu?

Viel! Im Magdas sind wir ein buntes Team, Männer und Frauen aus derzeit mindestens 15 verschiedenen Nationen, von Syrien bis Somalia ist alles vertreten. Jeder von uns ist woanders aufgewachsen und bringt andere Erfahrungen und andere Werte mit. Und wir haben die Chance, voneinander zu lernen und zu profitieren. Wir veranstalten interkulturelle Workshops, die den Umgang miteinander erleichtern und Verständnis füreinander schaffen. Miteinander reden, „Was meinst du, wenn du das sagst?“, was für Erwartungen gibt es, wie kann man ein erfolgreiches Miteinander leben - das empfehle ich jedem Unternehmen.

Wie gelingt das bei euch, das erfolgreiche Miteinander?

Wir agieren auf Augenhöhe. Ich bin nicht mehr wert als der Lehrling. Wir sind alle per du, auch wenn das vielen jungen Menschen, die mit hierarchischeren Strukturen großgeworden sind, im ersten Moment schwerfällt. Wichtig sind klare Kommunikation und klare Regeln. Wir haben zwei Sozialarbeiterinnen im Team, die sich um das Recruiting und die Lehrlinge aber auch die anderen Kolleg*innen kümmern. Zu hinterfragen, was meine Mitarbeiter:innen brauchen, welche Probleme sie haben und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, auch das wäre etwas, wovon viele Betriebe profitieren könnten. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter gerne bei Weiterbildungen und Deutschkursen, zahlen auch mal Nachhilfe oder einen Baristakurs. Das ist doch das Schönste, wenn jemand sich entwickeln will.

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Und was sagen eure Gäste? Wer kommt gerne zu euch? Was denkst du warum? 

Das ist ein bunter Querschnitt aus Wientouristen, Business ebenso wie Freizeit. Und in unserem Salon kommt ganz Wien zusammen. Das Magdas verbindet Menschen. Ich glaube, es ist diese Atmosphäre, die sich aus dem Mix aus Mensch und Kreativität ergibt. Hier kann jeder so sein, wie er eben ist. Ob Geflüchtete oder Businessreisende, hier muss sich niemand verstellen. Die Welt in einem Salon haben wir es genannt. Es ist nicht immer alles perfekt, manchmal gibt es Schwierigkeiten, wie überall, aber alle bemühen sich, gut zueinander zu sein.

Habt ihr mit dem Magdas einen Nerv getroffen?

Wir waren schon da, als 2015 viele Flüchtlinge nach Österreich kamen. Es war das richtige Projekt, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit. Andere müssen sich ihren USP oder ein glaubwürdiges Konzept aus den Fingern zuzeln, unser „Warum?“ ist ganz klar und überzeugend. Das ist unser Herz, da braucht man nichts erfinden. Das ist auch der Grund, warum Medien weltweit an uns interessiert waren und sind. 

Ihr seid von Beginn an bei Gestaltung und Design neue Wege gegangen. Schlagwort Wiederverwendung, Upcycling und DIY. Kann das ein Vorbild sein?

Ressourcen zu schonen ist in jedem Fall aktueller und wichtiger denn je. Kreislaufwirtschaft war für uns immer ein Thema, aber leider denkt die Bauwirtschaft da oft anders und es gibt viele Reglements, die das erschweren. Wo es möglich war, wurde und wird auf Re- und Upcycling gesetzt. Das war auch notwendig, denn wir hatten aus der Crowdfundig-Aktion und durch den Kredit der Caritas nur sehr überschaubare Mittel zur Verfügung. Das Wiener Architekturbüro BWM und der Künstler Daniel Büchel haben uns dabei großartig unterstützt. Und die helfenden Hände der vielen Freiwilligen. Sie haben vielen bereits vorhandenen Dingen neues Leben eingehaucht. 

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magdas / Peter Barci

Ist Crowd-Funding ein Konzept für die Zukunft?

Das werden wir auch jetzt, bei unserem neuen Projekt, Magdas Hotel City immer wieder gefragt. Da haben wir die Aktion „Blumen statt Beton“ ins Leben gerufen und 17.000 Euro für einen Garten generiert. „Könnt ihr euch die paar Blumen nicht einfach kaufen?“, hören wir da oft. Aber uns geht es nicht ums Geld, sondern um das gemeinsame Gestalten. Wenn du geholfen hast, etwas auf die Beine zu stellen, kommst du später mit deinem Crowdfunding-Gutschein zum Frühstücken und hast einen völlig anderen Bezug zum Haus. 

Wie wird Tourismus in 50 Jahren aussehen? Wie werden Menschen reisen?

Es wird hoffentlich gemütlicher. Vor Corona war die Devise „Ich kann auf einen Kaffee nach Mailand und für einen Tag nach London zum Shoppen.“ Diese Hektik ist dann hoffentlich Geschichte. Vielleicht geht es wieder mehr ums Erleben, darum bewusster zu reisen, dafür länger weiter weg. Und viele haben auch entdeckt, dass Österreich viel zu bieten hat. Die Frage ist und wird sein: Wie können wir diese wunderbare Welt genießen und sie gleichzeitig nicht zerstören? Diese Frage muss sich auch jedes Hotel stellen.

Was wird sich ändern?

Reduktion könnte ein Stichwort sein, weniger haben, mehr sein. Das haben wir im neuen Magdas Hotel City umgesetzt. Ausgesuchte Stücke, die schön und nachhaltig sind. Wir stopfen das Zimmer nicht mit Dingen voll. Wir überlegen: Was brauche ich wirklich zum tiefen Genießen, zum Erholen, zum Entspannen?

Was hast du aus dem Magdas für dich mitgenommen?

Immer offen zu sein. Für Menschen und ihre Hintergründe, für neue Ideen und für Inspirationen von anderen. Bevor ich etwas Neues kaufe überlege ich jetzt, wie kann ich vielleicht aus etwas Altem noch etwas Kreatives Neues machen.

Hast du persönlich Nachhaltigkeit in dein Leben integriert?

(Sie zeigt auf ihr T-Shirt auf dem steht: Ich bin für Planet retten, und du?) 

Erst vor kurzem habe ich einen Brief an meine Urenkelin in der Zukunft geschrieben, dass mir das alles zu langsam geht. Ich bin entsetzt wie träge wir sind. Wir könnten heute beginnen, z.B. alle einfach nur mehr 100 auf der Autobahn fahren. Ich ernähre mich vegetarisch und ich bin eine absolute Radfahrerin und genieße das. Ich erlebe so viel mehr dadurch, ich spüre, rieche und sehe viel mehr. Darin liegt wahrscheinlich der Schlüssel: Wir sehen die Vorteile zu wenig, die uns ein nachhaltiger Lebensstil bringen würde. So Vieles ist nicht Verzicht sondern ein Gewinn.

Visionär*innen