Hinterfrage alles, zweifle nie. Lukas Sendlhofer ist ein Sturschädel. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, bleibt er dran. In dritter Generation führt er gemeinsam mit seiner Schwester Martina und Partnerin Eva Goldmann das Sendlhofer‘s in Bad Hofgastein. Ihr Ansatz: mutig Neues wagen, trotz Gegenwind. Nicht weil das Alte schlecht war – sondern weil es noch besser geht. Lies hier, wie eine junge Generation von Hoteliers im Salzburger Gasteinertal mit Herz und Vision ein fast 100 Jahre altes Haus neu erfindet.
In Bad Hofgastein wird die Tradition der Sommerfrische kräftig mit frischem Wind durchgepustet: Was Martinas und Lukas’ Großvater einst mit einer kleinen Ferienpension begann, entwickelte sich zum Kurhotel und später zum Wellnesshotel. Heute erfinden die Jungen das Haus neu – mit österreichischen Tapas, Sharing-Konzept und Mut zur Regionalität. Den Mut haben sie von ihren Eltern und Großeltern, ebenso die Gewissheit: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Ein Gespräch über Aufbrüche, Widerstände, Visionen – und warum es manchmal gut ist, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.
Im Sendlhofer's atmet man Geschichte in jeder Ecke. Schwarz-Weiß-Fotos, Holzski, Möbel aus verschiedenen Jahrzehnten. Wie hat alles begonnen?
Mein Opa war ein echter Tourismus-Pionier. Er hat durchgesetzt, dass wir in Bad Hofgastein auch Thermalwasser bekommen und das erste Thermalfreibad im Ort eröffnet. Dann kamen die Kurgäste. Nach dem Ausfall der deutschen Kassengäste – der unsere ganze Region damals arg getroffen hat – reagierten unsere Eltern Monika und Josef genau richtig: Als ums Jahr 2000 der Wellnessboom begann, hatten sie einen großen Umbau bereits fertiggestellt: die Aqua Vitalis Welt mit allem, was damals rund um Beauty und Wellness en vogue war.
Wie war es für deine Schwester und dich, im Hotel aufzuwachsen?
Wir waren immer ein Familienbetrieb. Meine Eltern haben das Hotel mit harter Arbeit aufgebaut. Als Kind hab ich mit Martina jedes Weihnachten für die Gäste auf der Flöte gespielt und selbstgebackene Kekse verteilt. Zu Silvester waren‘s dann Glücksschweinderln.
Eure Wege als Gastgeber und Gastgeberin waren also vorgezeichnet?
Unsere Eltern haben uns nie gedrängt. Wir hätten alles werden können. Aber wir haben beide mitbekommen, wie schön es ist, mit Menschen zu arbeiten.
Trotzdem hast du erstmal das Weite gesucht, warst als Chef de Rang in British Columbia, Kanada. Was hat dich zurückgebracht?
Ich war immer lieber am Gast als in der Küche. Der Austausch, das Miteinander – das ist lebendig, das macht mir Spaß. Als Ausgleich brauche ich meinen Berg, die Ruhe, einsame Orte. Dafür war Kanada perfekt: echtes Niemandsland, weit und breit nichts als Wildnis. Allein im Wald, im Zelt, am Lagerfeuer – da hast du Zeit zum Nachdenken. Dort wurde mir klar: Ich komme zurück, aber ich werde nicht weitermachen, wie bisher.
Was hast du anders gemacht?
Ich habe das komplette Gastrokonzept über den Haufen geworfen. Weg mit der Halbpension. Mir hat die Wertschätzung für das, was auf den Teller kommt, gefehlt. Die Gäste sind tagtäglich nach fünf Gängen mit vollem Magen ins Bett gefallen. Ich erinnere mich an einen Sommerabend mit Live-Musik im Garten unter traumhaftem Sternenhimmel – und ich schaute nach oben und in fast allen Zimmern liefen die Fernseher.
Welche Vision treibt dich an?
Ich will Menschen etwas beibringen – nicht oberlehrerhaft, sondern spielerisch: über Regionalität, Saisonalität, über Zusammenhänge. Wie man auch leben kann. Ich will Menschen animieren, aus dem ewig gleichen Trott auszusteigen. Out of the Box. Was probieren. Nicht immer Schnitzel, nicht immer Hugo.
Gab‘s Gegenwind?
Oh ja. Als ich meinen Eltern erklärt habe, dass ich die Dreiviertelpension abschaffe und stattdessen österreichische Tapas als Sharing-Konzept anbieten will, haben sie die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Sie haben gedacht: Jetzt dreht er komplett durch.
Und, war’s so schlimm?
Kommt drauf an, wen du fragst. (lacht) Ich hatte eine wirklich blöde Idee: Wir haben alle Stammgäste zum Probewochenende eingeladen und wollten ihre Meinung hören. Ergebnis: ein Desaster, die negativste Bewertung ever. Manche waren fuchsteufelswild, weil ich ihr Hotel ruiniere.
Was habt ihr daraus gemacht?
Wir können uns nicht verbiegen. Es ist unser Leben, wir leben hier im Haus. Viele der enttäuschten Stammgäste sind im Tal geblieben und einfach in andere Hotels gegangen – und dort jetzt happy. Schön für unsere Nachbarn!
Du hast also deinen Kopf durchgesetzt. Heraus kam: Luke’s Wohnzimmer – Fine Dining, aber ganz umkompliziert. Was erwartet uns dort?
Hier schlägt unser Herz. Es ist der Platz, an dem alle zusammenkommen, sich wohlfühlen, eine gute Zeit haben. Luke’s Wohnzimmer ist unser aller Wohnzimmer.
Was war der Gedanke hinter dem Sharing-Konzept im Restaurant?
Das hat viele Komponenten. Wir mögen das Miteinander am Tisch, das Teilen, das Probieren. Wenn du kein großer Esser bist, isst du einfach weniger und fühlst dich nicht schlecht dabei. Food Waste ist ein großes Thema – es wird kaum etwas weggeschmissen. Auch Nose-to-Tail funktioniert wunderbar, wenn Hirn, Blunzn oder Beuschl nur eine kleine Portion unter vielen anderen ist.
Ist die Welt reif für österreichische Tapas?
Auf jeden Fall! Die Karte ist anfangs eine Überforderung, oft schaue ich in ratlose Gesichter. Mehr als drei Gerichte zum Auswählen: uff. Aber schon bei der zweiten Runde ist der Funken übergesprungen und die Gäste bestellen mit Freude die nächsten Gerichte. Ich garantiere dir: Indem ich die Menschen fordere, ihr Essen selbst zusammenzustellen, erinnern sich noch eine Woche später dran.
Bei euren Lieferanten arbeitet ihr nach einem Ring-Prinzip, wie kann man sich das vorstellen?
Wir schauen zuerst, was wir im ganz nahen Umkreis bekommen können. Erst wenn wir in diesem Ring nichts finden, schauen wir im nächstgrößeren Umkreis. So bleibt möglichst viel Wertschöpfung in der Region. Durch unser Markthallen-Konzept mit dem Shop können wir unsere Produzent*innen super präsentieren und pushen. Und das Beste: Wir bauen Partnerschaften auf, knüpfen Freundschaften, entwickeln uns gemeinsam weiter. Kurz: Wir schauen aufeinander.
Wie sehen solche Partnerschaften konkret aus?
Zum Beispiel so: Ein Bauer hat acht Kühe und arbeitet, um über die Runden zu kommen, neben seiner kleinen Landwirtschaft als Schlosser. Wenn der weiß, dass ich ihm im Jahr zwanzig Kühe abnehme, kann er seinen Nebenjob einstellen und nur mehr das machen, was er mit Liebe und Leidenschaft tut: Bauer sein. Was glaubst du, was ich dann erst für tolle Produkte von dem bekomme!
Also Farm-to-Table. Wie sieht’s mit Nose-to-Tail aus?
Sowieso! In Luke’s Wohnzimmer verarbeiten wir alles vom Tier. Mehr noch: wir verarbeiten auch das, was andere sich nicht auf die Karte schreiben trauen. Tapas sind prädestiniert dafür, auch mal was auszuprobieren. Mein Metzger sammelt für mich die Leber oder auch mal einen Saurüssel – und dann gibt’s eben eine Zeit lang etwas, das man sonst nirgends mehr findet.
An der Bar verwendet ihr ausschließlich österreichische Produkte?
Nicht ganz. Beim Tequila hast du mich – den gibt´s nur aus Mexiko. Aber selbst da hab ich etwas gefunden, hinter dem ich zu 100 Prozent stehen kann: den Padre Azul. Hans Peter Eder aus dem Großarltal und Adriana Alvarez Maxemin aus Guadalajara machen auf einer Agaven-Plantage Tequila, wie wir ihn gar nicht kennen. Die achten auf Qualität und faire Arbeitsbedingungen und unterstützen die lokale Bevölkerung, wo sie nur können.
Und der Rest ist aus heimischer Produktion?
Bei den Weinen sind es 100, bei Spirituosen 99 Prozent aus Österreich. Aperol Spritz suchst du vergeblich, wir servieren nur Signature Drinks.
Die Wertschöpfung soll also möglichst in der Region bleiben, am besten bei deinen Nachbar*innen?
Und genau deshalb hab ich die Dreiviertel- bzw. Halbpension abgeschafft! Viele Hotels sperren ihre Gäste im eigenen Betrieb ein, mit vier Events am Tag und Verpflegung rund um die Uhr. Ich denke da anders. Ich will, dass andere auch etwas vom Kuchen abbekommen: die Almwirtin, der Eisverkäufer, die Wirtsleute von nebenan.
Aber damit verzichtest du auf Einnahmen?
Ich sag meinen Gästen: „Macht‘s eine Wanderung, esst den Kaiserschmarren von der Oma auf der Hütte und kommt‘s am Abend noch auf einen Cocktail zu Marek und mir an die Bar und erzählt mir von eurem lässigen Ausflug.“ Ich glaube es ist kurz gedacht, wenn ich als Hotelier die Region aushungere und glaube, die Gäste kommen trotzdem. In erster Linie kommen sie ins schöne Gasteinertal. Damit das lebendig bleibt, braucht es Hütten, braucht es Wanderwege – und Landwirt*innen, die im Sommer ihre Tiere auf die Alm treiben.
Viele Gäste sind erstaunt, dass ihr Wasser – auch Soda und beim Dinner – gratis anbietet.
Das ist das Prinzip von Geben und Nehmen. Wir leben im sogenannten „Tal des Wassers“ und haben ein super weiches, kalkarmes Trinkwasser. Warum soll ich das dem Gast nicht einfach geben? Ich bin überzeugt, das kommt irgendwie zurück.
Ihr habt einen großen Umbau hinter euch. War Regionalität auch da ein Thema?
Eigentlich nicht, das war für uns selbstverständlich. Heimische Hölzer, Rauriser Steine, lokale Firmen. 100 Prozent geht das allerdings leider nicht, aber wir haben bei allem was wir gemacht haben, über Nachhaltigkeit nachgedacht. Den Tapezierer aus Bad Hofgastein haben wir schon total genervt mit unseren ewigen Fragen: „Wo kommen die Stoffe her, ist da Chemie drin?“
Mit alter Bausubstanz geht man anders um als wenn man neu baut. Was waren die Herausforderungen?
Auch da wollte ich immer wieder mit dem Kopf durch die Wand. Aber manche davon waren halt tragende Wände – da hat sich mein Vater dazwischengeworfen. Als ich dann noch die Holzdecke in der Halle rausnehmen und wieder einsetzen wollte, hat er gestreikt. Mit einem alten Haus kann man nicht immer so, wie man will. Man muss viel mehr nachdenken. Was geht, was geht nicht, was bleibt, was macht Sinn. Unser Architekt hat jedenfalls irgendwann gemeint, ich sei sein bislang anstrengendster Bauherr.
Apropos: Was bleibt, was geht? Thema Upcycling. Das Hotel ist ein charmanter Mix aus alt und neu?
Vieles hat hier schon sein drittes Leben, manches ist noch aus Opas Ära. Stühle, Sofas, Tischplatten, Lampen. Neu bezogen, mit Rollen dran, neue Elektrik. Das ist nicht so schnell und einfach, wie alles auf den Müll zu werfen und neu aus dem Katalog zu bestellen. Ich denke, es wird allgemein unterschätzt, wie viel Ressourcen ein längerer Lebenszyklus spart.
Was darf bleiben, was kommt neu?
Darüber diskutieren wir viel zu dritt. Dem einen gefällt das, die andere will es loswerden. Irgendwann kommen wir zusammen und dann bleibt die eine Lampe hier, die andere zieht weiter.
Was stand zur Diskussion?
Im Innenschwimmbad gibt es eine alte Wandmalerei, die wirkt aus der Zeit gefallen. Der Künstler „Knarf“, der unser Logo und die moderne Wall-Art im Haus gestaltet hat, kämpfte dafür und meinte: „Wenn ihr diese Handmalerei entfernt, designe ich nie wieder etwas für euch.“ Ein Künstler hat die Arbeit eines anderen geschätzt, auch wenn sie nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Ich sehe das ähnlich: Nur weil es gerade nicht alle haben, muss ich es nicht gleich entsorgen. Ich kann es so inszenieren, dass es lässig ist und Spaß oder Sinn macht. Oder am besten beides!
Ihr seid selbst gern und viel auf Reisen. Was habt ihr mitgenommen?
So vieles! Wir haben einen ganzen Ordner mit Fotos von Dingen, die wir unterwegs entdeckt haben. Die schwarz-weißen Fliesen im „Weitblick“ habe ich in Barcelona in einer Rooftop-Bar gesehen und sofort gewusst: Die will ich auch!
Was wird die Zukunft bringen? Wie wird sich der Tourismus entwickeln?
Ich glaube, dass Betriebe, die ans große Ganze denken, gut aufgestellt sind – egal ob Hotel, Weingut oder Landwirtschaft. Wir sitzen alle im selben Boot. Umso komplizierter und unübersichtlich die Welt wird, desto mehr beschäftigen sich die Menschen mit sich selbst und dem, was wirklich wichtig ist. Und vielleicht wird damit das Kleinere, Persönlichere, Individuellere auch im Urlaub relevanter. Vielleicht wird mehr geschätzt, dass Gastgeber*innen für weniger Gäste mehr Zeit haben.
Was denkst du: Wer fühlt sich bei euch wohl?
Ich denke, Menschen, die so ticken wie wir. Egal ob jung oder alt – aber jung geblieben im Herzen, die mit Liebe durchs Leben gehen, die Details sehen und schätzen. Die sich auch mal ein Buch im Wohnzimmer schnappen oder mit einem Kaffee in der Hand eine halbe Stunde einfach nur in die Natur schauen.
Hast du schon Zukunftsspinnereien im Kopf?
Jede Menge! Als nächstes nehme ich mir unseren Garten vor. Er soll unserem Wohnzimmer-Konzept folgen. Auch dort soll es mehr Raum für Begegnung und Miteinander geben. Da schwirrt mir vieles im Kopf herum – vom Schwimmteich bis zum Sommerkino, Live-Musik oder Outdoor-Kochen mit Gästen. Was es davon in die Realität schafft, wird sich weisen.
Hast du ein Credo, das dich leitet?
Ein schlauer Mann hat mal zu mir gesagt: „Hinterfrage alles, aber zweifle nie.“ Du musst Fehler machen, um zu lernen. Auch wenn es weh tut. Auch wenn es viele Stunden oder viel Geld kostet. Wenn du an etwas glaubst, kannst du selbst bei Gegenwind mit harter Arbeit alles schaffen.
Also weiter mit dem Kopf durch die Wand?
Fix! In drei Jahren feiern wir 100-jähriges Jubiläum. Wie genial ist das: Wir dürfen als Familie das Lebenswerk der Generationen vor uns für die Zukunft weiterdenken – und diesen besonderen Ort für die nächsten Generationen gestalten.
Zum Abschluss: Als Gast hat man bei euch sofort das Gefühl, Teil einer Crew zu sein. Ist das der Spirit, den ihr für euren Neustart wolltet?
Ein Beispiel: Unser Shop ist riesig, alles frei zugänglich – Weine, Spirituosen, hochwertige Produkte. Kein Gast würde auf die Idee kommen, das auszunutzen. Sie spüren die Leidenschaft – von uns, von den Produzent*innen – und werden Teil der Community: Winzer, Bäuerin, Hotelier, Gast. Jede und jeder hat seinen Part, aber alle sind sich einig: Die Welt soll es noch länger als 100 Jahre geben. Das haben die nächsten Generationen verdient. Und jeder trägt sein Schauferl bei.
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