Warum ein Kinderhotel eigentlich ein Haus für Erwachsene ist. Weshalb Platz und Weite der liebevolle Luxus der Zukunft ist. Und welche Vorbildwirkung ein Hotel auf Familien und Kinder hat: Nora Lipp vom Moar Gut im Change-Maker-Interview.
Das Moar Gut im Salzburger Großarl wird von drei Generationen der Familie Kendlbacher geführt. Nora Lipp ist Teil der Familie. Sie ist selbst Mama, kennt die Erwartungen an einen erholsamen Urlaub aus Elternperspektive, sie weiß, was es braucht, um die Erwachsenen genauso gut abzuholen wie die Kinder.
Das Ziel der Gastgeberfamilie im Moar Gut ist es, Kinder wieder an die Natur heranzuführen. Die jungen und jüngsten Menschen sollen einen natürlichen, respektvollen Umgang mit Tieren kennenlernen, wieder mehr Ponyreiten und Enterl füttern. Im Interview liest du von ihren Grundsätzen und Visionen. Warum Nora die Natur so glücklich macht und wie sie sich den Tourismus der Zukunft vorstellt.
Wir sitzen an deinem Lieblingsplatz im Hotel Moar Gut. Warum hast du dir ausgerechnet den ausgesucht?
Wir sind jetzt in der Seebar vom neuen Seerestaurant. Hier machen ich oft Meetings, weil ich einfach ganz andere Ideen bekomme als im Büro.
Das Moar Gut ist aus einem Bauernhof entstanden. Erzählst du die Geschichte?
Oma und Opa haben mit einem Bauernhof mit Gästezimmern angefangen. 1995 haben meine Eltern übernommen und gleich erkannt, was für ein Potenzial dieser Platz bietet. Wir sind weg von der Hauptstraße, haben ein Riesenareal und deswegen haben sie sich auf Familien spezialisiert. Seither haben wir nie die Richtung gewechselt. Nie Zwischensaisonen für Pensionisten oder Busreisen angeboten. Das macht das Moar Gut so erfolgreich. Meine Eltern haben Vollgas gegeben. Jedes Jahr ist etwas dazu gekommen. Mama war lange mit Oma in der Küche, Papa war Restaurantleiter und Mädchen für alles. Bis es nicht mehr gegangen ist und Mitarbeiter dazugekommen sind. Mittlerweile gibt es 100 Mitarbeiter - nicht nur Vollzeit. Wir haben auch ganz viele Mamas, die vormittags arbeiten.
Wann hat es diesen Klick gemacht – dieses Erwachen, dass das Moar Gut etwas Spezielles ist? Dass es einen Change gibt?
Wir wollten nicht mehr so sein wie andere Kinderhotels. Wir wollen ein Ort sein, der nicht nur Kindern taugt, sondern Eltern gleichermaßen. Man stellt sich den ersten Urlaub mit Kind immer so mega romantisch vor. Dann stellst du fest, was du für eine Woche alles mitschleppen musst. Eltern wollen, dass ihre Kinder in der Betreuung super aufgehoben sind, die Natur entdecken, mit Tieren vom Bauernhof in Kontakt sind, in unserem komplett plastikfreien, mit regionalen Naturmaterialien gebauten Kinderhof toben, damit sie selbst ein bisschen Me-Time oder Zeit mit dem Partner haben. Wir wollen Gästen den besten Urlaub ihres Lebens mit Kind bieten - dass sie keine Abstriche machen müssen, nur weil sie jetzt Eltern sind.
Und was war der größte Change, den deine Eltern schon vollzogen haben?
Die Natur- und Bioschiene. Und das Zur-Verfügung-Stellen von Platz und Weite - dass wir nicht 400 Gäste hier unterbringen, sondern mit den neuen Suiten 46 Familien. Das sind um die 3000 Quadratmeter pro Familie. Platz auch im Restaurant - jeder Tisch soll so stehen, dass man ganz easy mit einem Zwillingswagen hinfahren kann.
Wie spüren Gäste, dass sie in einem besonderen Haus sind?
Sie spüren unsere langfristige Vision. Die Werte und Ziele, die uns von der schnelllebigen Hotellerie unterscheiden. Unsere Mission ist ein nachhaltiger, sozialer Tourismus im fairen und gemeinnützigen Gleichgewicht für alle Beteiligten und die Umwelt. Wir nennen diese Weite, die Exklusivität liebevollen Luxus.
Es gibt so viele Green-, Bio- und Öko-Siegel momentan. Wie wichtig sind Siegel für ein Hotel?
Wir informieren uns regelmäßig. Aber solche Labels sind oft extrem teuer, was für mich immer ein bisschen die Frage aufwirft, ob man sich da seine Nachhaltigkeit kauft. Wir gehen einen anderen Weg. Wir haben unser eigenes „moar natur“ Label kreiert, wo wir unseren Gästen aufzeigen, wie nachhaltig das Moar Gut ist und was für uns Nachhaltigkeit bedeutet.
Welche Kriterien steckt ihr euch?
Ihr als Change Maker Hotels nennt es so schön enkelgerechter Urlaub - das beschreibt es am besten. Auch wenn man sagen muss, dass es bei Luxusurlaub immer einen Zwiespalt mit der Nachhaltigkeit gibt. Jeder Pool, der beheizt wird, jede Banane oder Avocado für die Kinder am Buffet.
So ein Luxushotel verbraucht ja ziemlich viel Energie...
Genau. Ganz streng genommen dürfte eigentlich überhaupt kein Luxushotel eine Auszeichnung bekommen. Wenn man aber sagt, Hotels gehören zum Leben dazu, dann kann ich zumindest den Anspruch haben, es besser zu machen als andere. Wir nutzen zum Beispiel viel Erdwärme, das ist sozusagen unsere eigene Wärme. Wenn schon Pool, dann wird er hier mit grüner Energie beheizt.
Können Hotels tatsächlich zu einer enkelgerechten Zukunft beitragen? Vorbild sein?
Ja, auf jeden Fall. Ganz viele Familien planen gerade ihr Haus oder Umbau. Die fragen nach den Materialien in unseren Zimmern oder im Wellnessbereich. Wir hören oft, dass der Naturstein im Bad gut ankommt. Und die Schlichtheit. Es braucht so wenig. Dafür sind hochwertige und langlebige Materialien vor allem mit Kindern umso wichtiger. Es ist ja auch eine Form der Nachhaltigkeit, dass ich ein Sofa nicht gleich wegschmeißen muss.
Du hast die FH Tourismus Management in Salzburg gemacht. Bekommt man da Bausteine für ein perfektes Hotel?
Für jeden Menschen ist ein anderes Hotel perfekt. Unser Credo: Hör nicht auf andere! Mach es so, wie du gerne Urlaub machen würdest. Wir stellen uns die Frage, was uns besonders macht? Das ist das, was die Leute suchen. Dass man nicht nur hinfährt und Zeit verbringt, sondern wirklich mit einem Mehrwert wieder zurückkommt in den Alltag. Hilfreich ist auch immer die Frage: Würdest du in deinem eigenen Hotel ein Zimmer buchen?
Gibt es perfekte Gastgeber*innen?
Entweder, du liebst oder du liebst es nicht. Das kann man nicht wirklich lernen. Ich bin das von Klein auf gewohnt. Wenn zehn Kinder Mama schreien, dann ist das für mich wie Hintergrundmusik.
Was macht das glückliche Landleben aus?
Wir können uns sehr glücklich schätzen, dass unsere Kinder da aufwachsen dürfen. Noch ein bisschen geschützter als in einer Großstadt. Hier kennt man sich und man weiß genau, zu wem man gehen kann, wenn man was braucht. Wir haben 4000 Einwohner in Großarl. Der Vorteil ist: Jeder kennt jeden. Der Nachteil ist aber auch: Jeder kennt jeden.
Wenn ihr was braucht, greift ihr also auch auf regionale Partner zu?
Wir arbeiten bei Umbauten generell mit regionalen Handwerkern. Anders würde es gar nicht gehen. Gerade, wenn es zu Verschiebungen kommt wie bei Corona, geht es nur mit Firmen, die man kennt und denen man schon jahrelang vertraut. Dann kann man sich verlassen, das Termine halten. Die Handschlagqualität ist sicher höher als anderswo.
Welche Gedanken kommen dir Tourismus der Zukunft?
Eines fällt mir dazu gleich ein. Es geht weg vom Massentourismus und auch weg von diesem glänzenden Glitzer-Luxus-Tourismus. Ich sehe in Zukunft mehr individuellen Qualitätstourismus. Menschen stellen sich viel öfter die Frage, ob sie wirklich dorthin wollen, wo die Massen hinfahren. Das ist der größte Wandel und durch Corona bleibt das auch noch ein Weilchen so.
Welche Trends siehst du beim Essen?
Fleisch ist das große Thema. Der Mann meiner Kollegin zum Beispiel ist sehr sensibel, was die Umwelt betrifft, er lässt total gerne das Auto stehen und geht zu Fuß. Aber er mag eben gern Fleisch und zwar öfter als nur einmal in der Woche. Obwohl er wie jeder weiß, dass der Fleischkonsum schlecht fürs Klima ist und schnellstens reduziert werden sollte. Wir überlegen ständig, ob wir im Hotel fleischlose Tage machen. Dass wir sagen, zweimal die Woche gibt es einfach kein Fleisch, der Umwelt zuliebe. Ich frage mich auch, ob es wirklich das Thunfischsteak sein muss oder die Garnele. Jetzt fordern es die Gäste noch. Ich rechne aber damit, dass es da ein Umdenken geben wird.
Wie hältst du es persönlich mit Fleischessen?
Ich esse total gerne ein gutes Stückchen Fleisch, aber wirklich nur, wenn ich weiß, es kommt aus der Region oder am besten von unserer eigenen Landwirtschaft. Supermarktfleisch mag ich nicht.
Wer erzieht da wen? Das Hotel den Gast oder schafft an, wer zahlt?
Da komme ich wieder zurück auf die Bananen und Avocados am Buffet. Wenn die einmal aus sind, wird sofort gefragt: „Wo sind die Bananen? Mein Kind mag so gerne Bananen." Vielleicht muss man sie einfach weglassen und im Vorhinein gut kommunizieren. Wenn einer dabei ist, der das wirklich nicht will, ist er vielleicht nicht der richtige Gast. Wir schauen derzeit lieber auf die Qualität.
Wie könnte man Gäste noch erziehen?
Wir überlegen, sie im Vorhinein zu fragen, wie oft sie die Suite gereinigt haben möchten. Andererseits schätzen Familien doch gerade im Urlaub, dass sie mal das Zimmer nicht selber aufräumen und das Bett selbst machen müssen. Da kommt man als Familienhotel schnell in einen Zwiespalt. Glücklicherweise reinigen wir generell chemiefrei mit Dampf.
Achtsamkeit - der Begriff geht ja heute weit über die Yogastunde hinaus. Was bedeutet Achtsamkeit für dich?
Für mich persönlich bedeutet es, jeden Tag den Fokus darauf zu legen, wie gut es uns geht. Mitten in der Natur zu leben, einen Traumjob und Familie zu haben. Sich nicht von Kleinigkeiten im Leben nerven lassen.
Du hast mittlerweile zwei Kinder und machst einen tollen Job im Familienunternehmen – dein Glücksniveau ist schwer zu toppen, oder?
Ein Traumjob als Working Mom. Das ist nicht selbstverständlich. Als solche wird man ohnehin von allen Seiten bewertet - ob man die Kombination aus Arbeit und Familie richtig macht, wie man es macht, wie viel man macht…
Wo bist du glücklich in der Natur?
Wir haben eine eigene Jagd und eine kleine Hütte. Wir haben vom Hotel aus eine Hütte aber dann noch so eine kleine Jagdhütte. Ganz mini mit einem kleinen Ofen drinnen und zwei Stockbetten und einem Brunnen vor der Tür. Damit meinen Kindern zu sein, macht so happy. Es kommt kein Mensch vorbei. Ein echter Lieblingsplatz.
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