
Martha Schultz regt ihre Gäste zur Nachhaltigkeit an. Sie geht auf die Barrikaden, wenn Gäste ihre Mitarbeiter*innen nicht schätzen. Und sie setzt auf Kreislaufwirtschaft und Investitionen für die nächsten Generationen. Gradonna-Miteigentümerin Martha Schultz im Change Maker Interview.
1966 eröffnete ihre Mutter eine Frühstückspension im Tal. Die kleine Martha wächst mit und zwischen den Gästen auf, schnappt sich beim Frühstück einen Teller und setzt sich dazu. Wahrscheinlich entwickelt man so eine gewisse Leidenschaft für die Hotellerie und den Tourismus. Zumindest bei Martha Schultz war es so. Fast forward: Heute steht die Tirolerin gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz an der Spitze eines erfolgreichen Familienunternehmens, der Schultz-Gruppe, zu der auch das Gradonna gehört. Martha ist Vollblutgastgeberin, – visionär, fokussiert, diszipliniert, vif. Und als wäre dies nicht schon Aufgabe genug, lebt sie nebenbei noch viele andere Leben: Seit 2010 ist sie Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, seit Jahren macht sie sich für Frauen in der Wirtschaft stark und setzt sich für eine funktionierende Kinderbetreuung und für Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ein.
Unsere erste Frage ist die nach deinem Lieblingsplatz im Gradonna?
Ehrlich gesagt ist mein absoluter Lieblingsplatz nicht direkt im Hotel selbst, sondern bei der Maximilian Kapelle etwas außerhalb im Wald. Der wunderbare Blick aufs Dorfertal ist hier einmalig. An diesem Ort bekomme ich – und das sage ich als Zillertalerin – naturgegeben den Weitblick. Zusätzlich erinnert mich dieser Platz auch an die Geschichte des Tals; insbesondere an die Kalser Frauen und deren herausragende Leistung.
Welche Rolle haben die Kalserinnen hier gespielt?
Das Tal würde in der jetzigen Form nicht mehr existieren, hätte es die starken Frauen von Kals nicht gegeben. In den 70er Jahren planten hier Energieversorger gemeinsam mit lokalen Bauern ein Kraftwerk und eigentlich war dieses sogar schon beschlossen. Die tapferen Kalser Frauen wollten aber die wundervolle Natur nicht aufgeben und schoben dem Projekt einen Riegel vor. Sie haben auch ihren Männern gedroht: Ihr könnt zusammenpacken und gehen, wenn dieses Kraftwerk gebaut wird. Der Platz steht also auch für die Stärke der Frauen.
Apropos Platz: Wie habt ihr den Standort für das Gradonna gefunden?
In Kals am Großglockner war die Gemeinde auf der Suche nach Liftbetreibern. Wir wurden gefragt, weil wir auf der anderen Bergseite des Cimaross-Gipfels bereits ein Skigebiet betreiben. Am 15. August, am höchsten Feiertag in Tirol, haben wir die Region besichtigt und diese natürliche Idylle gesehen. Wir haben alle sofort gespürt: Hier lässt sich Zukunft entwickeln. Aber wir haben auch gewusst, hier brauchen wir ein besonderes Projekt – größer als „nur“ das Skigebiet. Aber natürlich angepasst an die wunderschöne Natur ringsum. Es bedarf eigener Gedanken, eigener Visionen hier im Tal. Deswegen haben wir uns bei der Entwicklung auch Zeit gelassen – ganze vier Jahre.
Was waren die größten Bedenken von euch, aber auch den Kalser*innen?
Jeder hat erwartet, dass bei der Talstation des Skilifts ein großes Skihotel mit so vielen Betten wie möglich entsteht. Das war aber nicht unsere Vision. Wir wollten etwas erschaffen, das die Region ganzjährig stärkt. Mit der Natur im Mittelpunkt. Gäste sollen Platz nehmen und – wie in einem Amphitheater – auf die fantastische Osttiroler Bergwelt blicken. Keine Deko, keine Ablenkung. Zusätzlich kam noch die Idee von den Architekten, die Chalets nicht alle gleich zu bauen. Sie sollten wie Pilze aus dem Waldboden sprießen.
Wo sieht man diesen Change im Gradonna am besten?
Dieser angesprochene Change startete bereits bei der Planung. Wir wollten klimafreundlich und nachhaltig bauen – trotzdem aber bodenständig und basierend auf der Natur unsere Ideen umsetzen. Darum war für uns schnell klar, dass wir sehr stark auf Holz setzen und auch das Thema Passivhaus angehen. Damals war das sehr fortschrittlich gedacht – es gab auch viele, die meinten: „Das geht einfacher und billiger“. Mache meinten auch, das geht nie.
Wann war klar, dass du und dein Bruder diesen Change macht und neue Wege geht?
In unserer Familie – und dadurch auch in der Schultz Gruppe – denken wir stets generationenübergreifend. Das haben uns unsere Eltern und Großeltern auch so beigebracht. Mit dieser – ich nenne sie Generationengerechtigkeit –, wurde auch das Gradonna geplant, gebaut und, entwickelt. Meine Eltern haben ja zu ihrer Zeit auch schon Visionen verwirklicht, von denen wir heute noch profitieren. So soll es auch unseren Nachfolgern gehen.
Was waren die Visionen deiner Eltern?
Für meine Eltern lag im Tourismus die Zukunft – das gilt meiner Meinung nach auch noch heute. Er bringt Arbeitsplätze und verhindert so die Abwanderung aus den kleinen Seitentälern. So unterstützt er die regionale Wertschöpfungskette und auch die Gewerbetreibenden vor Ort profitieren.
Welche Verpflichtungen spürst du als Unternehmerin?
Die Generationengerechtigkeit habe ich bereits erwähnt. Ich sehe mich verpflichtet, das Unternehmen so weiterzuführen, dass meine Enkelkinder es mit Freude in einer Region mit intaktem Lebensraum übernehmen und sie ihren Kindern auch wieder diesen Gedanken mitgeben.
Wie viel Change traust du deinen Gästen zu?
Das Gradonna wurde 2012 eröffnet. Manche Stammgäste waren schon über 40 Mal hier. Das ist fast häufiger als ich (lacht). Besonders wichtig ist uns im Resort, dass unsere Gäste die Philosophie des Hotels verstehen und diese teilen. Gerne erklären wir auch unsere Ideen und die miteinhergehenden Veränderungen. Ein Beispiel: Wenn ein Gast anreist und fragt, warum hier so viele Nicht-Österreicher arbeiten, gibt es eine klare Antwort. Wir sind eine offene, liberale Gesellschaft. Das spiegelt sich auch bei uns im Hotel, in Kals und bei unseren Mitarbeitenden wider. In der Küche haben wir elf Nationen, die Sprache ist Englisch. Das Liberale, das Offene, die Diversität ist für mich ein ganz wichtiges Thema, bei den Gästen, im Hotel, aber auch bei unseren Geschäftspartnern.
Kann ein Hotel ein gutes Vorbild sein?
Die Aufgabe eines Leitbetriebs, wie dem Gradonna, ist es Türen zu öffnen und neue Wege zu gehen. Wir wollen als Role-Model voranschreiten und unseren Hoteliers-Kolleginnen und -Kollegen zeigen: Schau, das geht. Ja, es ist mühsam. Aber es ist machbar und vor allem: Das ist es wert!
Welche Pionierarbeit braucht es, um Mitarbeiter*innen zu bekommen und auch zu halten?
Einerseits benötigt es ganzjährig offene Betriebe. Der Begriff Saisonarbeiter*innen ist verdientermaßen negativ behaftet. Andererseits sind die Mitarbeiter*innen-Unterkünfte wichtig. Im Gradonna wird etwa das erste Haus, das Gäste im Gradonna sehen, von unseren Mitarbeitenden bewohnt. Es unterscheidet sich aber nicht von den Chalets der Gäste. Zusätzlich haben wir ein Bauernhaus in Kals und ein weiteres Haus gekauft, um Familien mit Kindern unterzubringen. Es geht drum, die Familienverbände zusammenzuhalten. So schaffen wir Planung und Sicherheit für unsere Mitarbeitenden, Und natürlich muss sich auch die Ausbildung und die Entlohnung auszahlen.
Welche Verbesserungen im Tourismus forderst du seit langem?
Wir müssen die Mobilität neu denken und den öffentlichen Verkehr mehr in den Fokus rücken. Wenn ich mit dem Zug aus Frankfurt nach Kals reisen will, bin ich bis zu zwölf Stunden unterwegs. Das ist zu lange und dadurch nicht interessant. Die Öffis müssen auch aufgrund der heranwachsenden Generationen gestärkt werden, denn diese Generationen fahren immer weniger mit dem Auto.
Wie sieht für dich der bzw. die optimale Gradonna-Reisende aus?
Der Gast reist mit der Bahn an, wir holen ihn mit unserem Hybridauto am Bahnhof in Lienz ab. Die Skier leiht er sich aus, stellt sie ins Depot, und er reist am letzten Tag mit der Bahn wieder ab. Bei vielen jungen Menschen ist es schon so, die ältere Generation werden wir da wohl nicht mehr alle umpolen. Optimal wäre es trotzdem.
Apropos junge Generationen. Du hast zwei Enkelkinder. Was werden die beiden in 20 Jahren zu deinen heutigen Taten sagen?
Ich bin schon sehr zufrieden, wenn sie sagen: So schlecht habt ihr das damals gar nicht gemacht.
Wie siehst du das Reisen in der Zukunft?
Die Mobilität wird sich drastisch verändern. Die Regionalität rückt immer weiter in den Fokus. Menschen werden achtsamer und toleranter. Das ist mein Traum – aber auch realistisch, wenn wir Unternehmerinnen und Unternehmer dies fördern.
Wie integrierst du Nachhaltigkeit in deinen Alltag?
Ich habe mein Reiseverhalten verändert. Ich fahre mit dem Zug so oft es geht. Muss ich mit dem Auto fahren, wenn ich den Termin mit einem Videocall auch erledigen kann?
Was möchtest du verbessern?
Es ist mir wichtig, mehr Frauen in Führungspositionen zu sehen, sie zu stärken und hier als Role Model zu fungieren.
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