Lilly Fresacher sprüht vor Energie. Mit ihren vielen Ideen hat die kreative Gastgeberin das Haus Jausern in Saalbach in den letzten Jahren radikal verändert – von der ersten Motorradpension Österreichs zu einem Design-Hideaway für Familien. Ein Gespräch über einen Neubeginn hinter alten Mauern, den wichtigsten Schritt Richtung Zukunft bei der Planung und die Frage, wie man die große Angst vor Nachhaltigkeit verliert.
Das renommierte Wiener Studio Riebenbauer war offensichtlich in Bestform, als es vor rund vier Jahren begann, das Haus Jausern umzugestalten: Holz, Stein und viel Licht kamen zum Einsatz. Trotzdem liegt der Lieblingsplatz von Chefin Lilly Fresacher etwas versteckt hinter dem großen Kachelofen bei der Bar. Und das bereits seit 38 Jahren, denn Lilly, wie die quirlige Betreiberin überall genannt wird, ist in diesem Gebäude aufgewachsen. In den 1980er Jahren führten ihre Eltern hier die erste Motorradpension Österreichs. Lilly wollte überhaupt nicht in die Hotellerie. Sie ging mit 14 Jahren nach Salzburg, schloss die HTL für Textildesign ab. Danach flog sie sechs Jahre lang mit der Lufthansa um die Welt. Es folgte ein Design- und Produktmanagement-Studium an der FH Kuchl, woraufhin sie eine Werbeagentur aufsperrte. Wieso sie jetzt doch die Gastgeberin im Haus Jausern ist und es statt Harley-Brummen nun nurmehr Wasserfallplätschern zu hören gibt, erzählt sie hier:
Lilly, wo befinden wir uns grade?
An meinem absoluten Lieblingsplatz. Wir sitzen quasi in unserem alten Wohnzimmer. Das war tatsächlich unser Kamin. Ich bin in diesem Haus aufgewachsen. Meine Eltern haben es 1980 eröffnet und das erste Motorradhotel Österreichs ins Leben gerufen. Das Landhaus war auf Motorradfahrer*innen im Sommer spezialisiert. Sie haben das sehr erfolgreich geführt, Kooperationen mit anderen Häusern gestartet und sind irgendwann so groß geworden, dass Sie MoHo, also Motorrad Hotels Österreich, gegründet haben. 1986 bin ich dann dazu gekommen und hier im Betrieb aufgewachsen. Wir hatten damals 17 Zimmer. Die Mama hat die Rezeption gemacht, der Papa gekocht und die Zimmerarbeiten haben sie sich aufgeteilt.
Da hat sich ganz schön viel getan! Wann hast du gemerkt, dass du es anders machen möchtest?
Ich wollte überhaupt nicht in die Hotellerie. Aber irgendwie hat es mich doch immer wieder nach Hause gezogen. Dann hat sich meine Mama zurückgezogen und ich habe immer mehr ihre Aufgaben übernommen. Irgendwann habe ich gesagt: Eigentlich ist das ja ganz nett. Allerdings konnte ich mit dem Thema Motorradpension nichts anfangen. Dann kam Corona. Auf einmal haben wir viel Zeit gehabt, mit der Familie wirklich intensiv zu brainstormen: Was ist unser Weg?
Was waren die ersten Überlegungen?
Wir lebten damals noch ein paar Kilometer entfernt vom Haus Jausern. Schnell war klar, dass wir mit Kind - unsere Tochter Romy ist 2019 auf die Welt gekommen - und Hund nicht täglich so weit pendeln wollten. Das Bestandshaus war aber zu klein für uns. Also haben wir angefangen, den Ausbau zu planen. Am Anfang hatten wir Angst, dass das Haus für unsere Stammgäste nicht funktioniert. Wir haben deshalb sogar überlegt, ob wir den neuen Baukörper lieber hinter dem Altbestand verstecken, um nicht zu irritieren. Inzwischen weiß ich, dass es genau diesen deutlichen Wechsel braucht. Und genau deshalb haben wir letztlich doch richtig Gas geben und den Neubau hervorgehoben, die Tiefgarage gebaut und den Wellnessbereich großzügig bemessen.
Zwei Generationen, zwei Ideen, viel Change - wie lief die Übergabe?
Meine Mama war froh. Die ist da sehr pragmatisch und sagte, wenn sie das Haus verkauft hätte, dürfte sie ja auch nicht mehr mitsprechen. Mein Papa war am Anfang noch sehr involviert, weil er jahrelang gekocht hat und sich die Suche nach einem neuen Küchenchef als sehr herausfordernd dargestellt hat. Also hat er diese Position einfach noch selbst übernommen. Er war auch einfach noch nicht im Rentenalter. Er hat das mit uns sehr gut mitgetragen – bis zu einem gewissen Punkt. Wir haben alles modernisiert und smart gemacht. Jetzt werden auch Lichter, Heizung und das Telefon übers Tablet steuern. Dass er die Musikanlage nicht mehr übers Mischpult steuern kann und einfach die Wechsler hochfährt wie in den guten alten 1990er Jahren, das hat ihn schon ein bissl gestört (lacht).
Wie habt ihr es angelegt: Habt ihr erst überlegt, welche Gäste ihr haben möchtet, und danach das Haus gebaut? Oder hattet ihr schon euer Traumhaus im Kopf, das die richtige Klientel schon anziehen wird?
Wir haben ganz klar eine Person definiert, die eng an unseren eigenen Lebensstil und Lebensabschnitt angelehnt war. Daher rührt auch unseren Slogan „echt sein“. Ich bin Gastgeberin, und ich lade die Leute hier zu mir nach Hause ein. Ich kann in diesem Setting nur darstellen, was sich für mich persönlich echt anfühlt. Das gibt mir aber auch die Freiheit, zu jemandem zu sagen: Wir zwei passen nicht zusammen. Du suchst dir für deinen nächsten Urlaub besser eine andere Unterkunft. Aber es entstehen auch Freundschaften, wenn es sich echt und gut anfühlt. Genauso ist es mit dem Lebensmitteleinkauf. Ich kann nicht 100% Bio vermarkten und verkaufen, wenn ich es in echt nicht umsetzen kann, weil es mit dem Einkaufspreis nicht hinhaut oder weil die Verfügbarkeit nicht da ist. Und deswegen sagen wir, wir setzen alles so um, wie sie sich echt darstellen lässt.
Und wie sah nun die Person aus, die ihr bei der Gestaltung im Kopf hattet?
Das war jemand Designaffines mit etwas höherem Einkommen und einer jungen Familie. Wichtig war uns, dass diese Person das Kind nicht abgeben, sondern die Quality-Time mit ihm nutzen will. Deswegen bieten wir hier auch keinen abgetrennten Spielraum und keine Kinderbetreuung. Die Gäste sollen die Region gemeinsam nutzen und erleben. Auch beim Abendessen sollen sie zusammensitzen und die Familienzeit genießen.
Wie nachhaltig kann man ein Hotel denn wirklich betreiben?
Ich glaube, dass es nie wirklich gelingen wird, einen komplett nachhaltigen Tourismusbetrieb zu haben. Weil das natürlich Einschnitte für die Gäste bedeutet. Unser größter Nachhaltigkeitsaspekt wurde aber schon bei Planung berücksichtigt: Wir wollten das Design des Hauses so reduziert gestalten, dass wir es nicht jede dritte Saison erneuern müssen. Also haben wir qualitativ hochwertige Materialien gewählt und ein zeitloses, reduziertes Design entworfen, das nicht trendabhängig ist. Wenn wir unsere Bilder austauschen oder ein bisschen anders dekorieren, dann habe ich schon wieder einen komplett anderen Look. In der Gastronomie oder in der Hotellerie versucht sich ja jeder ständig zu übertrumpfen: neuer, moderner, schöner. Da wollten wir nicht mit. Unsere Idee war, dass das Haus ein wenig wie eine Galerie gestaltet ist, die ja auch immer wieder ganz anders wirkt, wenn die Ausstellung wechselt.
Was ist Dir wichtig bezüglich der Nachhaltigkeit?
Wir versuchen, dass wir regionale Lieferanten haben und nicht jeden Tag Fleisch servieren. Auch die Portionsgrößen haben wir anpassen, damit nicht so viel verschwendet wird. Wir kochen heute so, dass das Produkt komplett verwertet wird. Unsere Vorspeisen sind meistens sowieso vegan oder vegetarisch. Außerdem haben wir eine Grüne Rate: Wer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist oder auf die tägliche Zimmerreinigung verzichtet, bekommt einen Betrag gutgeschrieben. Wir haben keine Einweg-Schlapfen und abgepackten Pflegeprodukte auf den Zimmern und schauen, dass wir diesbezüglich unseren Fußabdruck so gering wie möglich halten. Aber auch da wollen wir echt sein und behaupten nichts, was wir nicht erfüllen können.
Echt sein ist gerade beim Essen wichtig. Wie stehst du dazu?
Es gibt nicht 100 % Bio, sondern Bio eben nur da, wo es geht. Man muss auch die Angst vor der großen Nachhaltigkeit ein bisschen verliert. Wir wissen, dass wir nicht alles perfekt machen können. Aber wenn jeder einen kleinen Teil dazu beiträgt, ist das einfach viel mehr, als wenn man nur zuschaut. Das möchte ich auch meinen Gästen mitgeben, etwa wenn ich in meiner Frühstückskarte schreibe, dass ein Huhn nur ein Ei am Tag legt. Vielen ist es gar nicht so bewusst, wenn sie so locker die Eierspeis mit drei Eier bestellt, dass das eigentlich das Tageswerk von drei Hühnern ist …
Gibt es Dinge, die Dir Bauchschmerzen machen, die man aber für Gäste umsetzen muss?
Ein offener, geheizter Pool ist auf der Nachhaltigkeitsskala sicher nicht gerade weit oben. Aber ohne ihn wäre das Haus nicht so stark ausgelastet. Viele Gäste haben zuhause schon einen sehr hohen Standard und möchten im Urlaub auch nicht verzichten, oder suchen eben genau den Pool als Highlight zur Entspannung. Dafür haben wir eine große Solaranlage am Dach, die unseren Pool heizt. Die Anreise ist für uns noch ein wichtiges Thema. Wir fördern die Anreise mit den Öffis durch ermäßigte Raten und kostenfreie Abholungen vom Bahnhof. Wir merken aber: Beim Skiurlaub sind die Leute noch nicht bereit, aufs Auto zu verzichten.
Was sind eure nächsten Schritte? Was wünscht du dir?
Bei der Heizung wollen wir noch unabhängiger werden und weg vom Gas. Leider hängt Saalbach noch nicht an der Fernwärme und eine Tiefenbohrung wäre bei uns einfach finanziell nicht möglich gewesen. Mein großer Traum ist, dass wir in den nächsten Jahren ein inklusiver Betrieb werden. Ein bisschen hängt das allerdings von der Betreuung meiner Kinder ab, weil es natürlich auch zeitintensiv ist und ich noch nicht die nötigen Ressourcen habe. Romy hat im Juni 2022 ja noch einen Bruder bekommen …
Legst Du mit dem Haus Jausern bereits den Grundstein für die nächste Generation Hotelbetreiber?
Nein, sie können später mit dem Betrieb machen, was sie wollen. Ob sie jetzt selber drin stehen, ob sie ihn verkaufen, ist mir völlig egal. Ehrlich, ich glaube nicht, dass man sich dieser Illusion hingeben darf, dass der eigene Traum von den Kindern weitergeträumt wird. Ich habe ja selber nicht gewusst, dass das hier meine Leidenschaft wird, bis ich es gemacht habe. Das Haus Jausern haben Christoph und ich nur für uns gemacht. Im Nachhinein denke ich mir sogar, wir hätten noch selbstbewusster sein können und es noch mehr nach unseren Vorstellungen gestalten können.
Was würde dann hier jetzt stehen?
Wahrscheinlich ein zweites Vitra-Haus (lacht). Gut, das wäre finanziell sicher nicht drin gewesen. Aber wir haben beide ein bisschen zu viel Sicherheitsverlangen und sind manchmal zu vorsichtig im Entscheiden.
Du hast Textildesign gelernt und Produktdesign studiert - wie gehst du mit Materialien um?
Wir wollten viel Sichtbeton und Holz. Die Rezeption ist aus einem riesigen Naturstein. Und wir haben viel Eschenholz eingesetzt. Die Böden sind aus Eichenholz. Dazu Leinenvorhänge im Neubau. Aber auch beim Einrichten muss man Kompromisse machen. Selbst wenn man nur Naturstoffe verwenden will, braucht man am Vorhang eine Verdunkelungsbeschichtung und muss auf Dinge wie Waschbarkeit und Brandschutz achten. Auch die Preispolitik ist eine Sache: Loden aus Salzburg kostet einfach viel mehr als ein Stoff aus Italien. Dafür haben wir ausschließlich mit örtlichen Handwerkern zusammengearbeitet, einem jungen Tapezierer-Betrieb aus Hinterglemm haben wir die ganze Polsterei übergeben.
Wie reagieren die Gäste auf euer Haus?
Was ich ganz oft höre, ist: Hier ist es ja noch schöner als auf den Bildern! Das ist mein größtes Kompliment. Viele sagen auch, dass es so gemütlich bei uns sei, obwohl wir da diesen wehrhaften Stein als Rezeption haben, der ja eigentlich sagt: Bis hierhin und nicht weiter! Trotzdem ist es sehr einladend. Wir duzen auch jeden. Das nimmt schon mal ein bisschen die Barriere.
Wie hast du deine eigene Kindheit mit Eltern in der Hotellerie in Erinnerung?
Ich kannte es ja nicht anders und es war in unserer Region schon eher selbstverständlich, dass auch die anderen Kinder Eltern im oder mit Hotelbetrieb gehabt haben. Aber es war schon störend, dass ich in der Saison nie im Pyjama zum Frühstück gehen konnte. Dafür hatten wir immer frische Semmeln. Und es war immer jemand zuhause, wenn ich aus der Schule kam. Man entwickelt eine Offenheit anderen Menschen gegenüber, die ich vielleicht nicht hätte, wenn ich nicht im Hotel aufgewachsen wäre. Ob ich sonst diese Gastgebermentalität hätte? Wahrscheinlich nicht. Für mich war Weihnachten als Kind nichts Besonderes, weil meine Eltern immer gearbeitet haben. Ich habe erst später kennengelernt, wie schön man Weihnachten gemeinsam mit der Familie feiern kann. Wir als Familie feiern das Fest deshalb jetzt auch ganz konsequent mit unseren Gästen. Wir laden unsere ganze Familie ein, schauen, dass wir uns so gut es geht aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und doch sichtbar und da sind. Es ist wunderschön. Wir haben ein Live-Konzert, Feuerschale, Glühwein und Pferdeschlittenfahrt.
Wie haben sich die Leben Deiner Freunde aus dem Kindergarten entwickelt? Machen die jetzt auch vieles anders im elterlichen Hotelbetrieb?
Ganz sicher, ja. Man muss nur daran denken, wie das Gastgewerbe in dieser Region früher meistens ausgesehen hat. Viele haben mit der Familie im letzten Winkel des Hauses gewohnt, weil die schönsten Plätze im Haus den Gästen vorbehalten waren. Es wurde noch viel mehr zum Wohle des Gastes entschieden und selbst hat man verzichtet. Unsere Elterngeneration mussten auch teilweise aus dem Kinderzimmer ausziehen, weil das Hotel überbucht war und noch ein Zimmer gebraucht worden ist. Viele haben den Betrieb auch nicht übernommen. Die, die es gemacht haben, machen jetzt vieles anders. Was alle gemeinsam haben, ist, dass das Team mehr im Vordergrund steht und man sich um die Mitarbeitenden viel, viel mehr kümmert und sie viel mehr wertschätzen darf.
Was glaubst du: Wie wird sich der Tourismus grundsätzlich entwickeln?
Ich glaube, dass die Gastgeberkultur noch mehr an Stellenwert gewinnen wird und persönlich geführten Hotels mehr Zulauf haben werden als großen Ketten. Dort ist durch die ganze technische Entwicklung immer weniger persönlicher Kontakt möglich. Eine Entwicklung, die wir auch bereits bemerkt haben, ist, dass Menschen immer öfter alleine reisen, weil viele - vielleicht auch durch Corona - entdeckt haben, dass sie sehr gerne mit sich selber Zeit verbringen. Und dass es gut tut, unabhängig von anderen und nur für sich zu reisen. Es ist mittlerweile auch kein seltenes Bild mehr, dass eine Frau alleine an einem Tisch im Restaurant oder an der Bar sitzt. Alleinreisende besuchen meiner Erfahrung nach eher persönlich geführte Häuser, weil sie dort schneller nachfragen können, wo es zur schönsten Hütte geht oder was sie sonst noch erleben könnten. Und das ist ja auch unser Ansatz: Wir möchten, dass der Urlaub einen Zusatzwert hat und die Gäste nicht nur eine entspannte Zeit erleben, sondern auch etwas gelernt oder kennengelernt haben. Ob das jetzt eine Kräuterwanderung ist, ein Breathworkshop oder eine Yogasession.
Diese Wertschätzung ist ein schönes Kompliment …
Genau das ist das Thema. Auch von meinen Mitarbeitenden bekomme ich oft Feedback in diese Richtung. Ein Urgestein aus der Gastronomie, der 25 Jahre in einem Hotel mit strengem Regiment gearbeitet hat und dann zu uns kam, sagte mir, dass er noch nie in einem Haus gearbeitet hat, das so liebe Gäste hat. Das ist doch ein riesiges Kompliment! Aber ich finde unsere Gäste auch immer sehr interessant. Es sind viele Menschen dabei, die mich zu neuem inspiriert haben oder mit Gleichgesinnten vernetzen. Wenn man offen ist, kann man im Gastgewerbe viel lernen und mitnehmen. Ich glaube, dass auch Kommunikation etwas sehr Nachhaltiges ist. Ein Ort, wo viel gesprochen wird, kann doch gar kein schlechter sein.
Kontakt &
Buchungsanfragen
Jausernweg 497
5753 Saalbach
Salzburg/Österreich
Haus Jausern
31 Zimmer und Suiten
ab 230 Euro pro Zimmer/Nacht, inkl. Frühstück
Grüne Rate - wer öffentlich anreist, bekommt 10 % Rabatt auf den Zimmerpreis
kostenlose Abholung vom Bahnhof
Ski in, Ski out - das Auto macht auch Urlaub
Yoga- und Breathwork-Sessions
Naturbadeteich vor dem Haus
solarbeheizter Außenpool
Werkbank und Waschplatz für Bikes