
Sonja Wimmer ist Mama, Managerin, Leistungssportlerin. Und Hoteliere mit Herz. Sie erklärt dir, warum ihr Haus allergiefrei ist, weshalb sie so stark mit dem Grätzl verbunden ist – und warum Tanz, Kunst und Kultur so wichtig für ein nachhaltiges Hotel sind.
Wien. Servitenviertel. Harmoniegasse. Sonja Wimmer steht vor ihrem Hotel und ist stolz auf die grüne Fassade. Der Wein und der Efeu ranken sich die markante Hausmauer hinauf. Drunter sitzen die ersten Gäste im Schanigarten des „The Harmonie Vienna“ und trinken ihren Morgenkaffee. Gut möglich, dass hier auch Tänzerinnen des Staatsopernballets oder Sänger der Oper darunter sind. Künstler & Kreative sind Stammgäste des Hauses. Dazu aber später mehr.
Mit 25 Jahren übernahm die Mutter, Managerin und ehemalige Leistungssportlerin das Hotel von ihren Eltern und setzte in gut zehn Jahren ihre Vision eines Boutiquehotels mit klarem Fokus auf nachhaltigen Kulturtourismus um. Im Change Maker Interview spricht die Hotelière über ihr Konzept, über Extremsport und über Gemeinsamkeiten von Kunst und Nachhaltigkeit.
Wir sind hier im Herzen des Servitenviertels, einem der charmantesten Pflaster Wiens. Wo ist Dein Lieblingsplatz im Grätzl?
Vor der Servitenkirche, wo am Samstag der Bauernmarkt stattfindet. Da setz‘ ich mich auf eine Bank und beobachte das Treiben. Besonders mit dem Bewusstsein, dass es diese schon seit über 200 Jahren gibt.
Als Dich deine Eltern fragten, ob Du von heute auf morgen ins Hotelbusiness einsteigen möchtest, hast du sofort zugesagt. Warum?
Ich wusste schon mit neun Jahren: in diesem Hotel will ich arbeiten. Ich hab mir vorgestellt, wie ich die verschiedenen Rollen im Hotel übernehme und wie der Tagesablauf sein würde. Ich habe ganz einfach Hotel gespielt. Gleichzeitig mit meinem Start im Haus begann meine Karriere im Leistungssport. Tagsüber leitete ich sämtliche Abteilungen und begrüßte Gäste an der Rezeption. Vor und nach meinen Diensten trainierte ich für Triathlons. Mit der Zeit wuchs ich in beides rein und lernte, wie ich erfolgreich sein kann. So konnte ich im Hotelbetrieb die finanziellen Mittel erwirtschaften, mit denen wir uns später die große Generalsanierung leisten konnten. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung übernahm mein Vater damals die Bauleitung. In den vielen hitzigen Diskussionen mit ihm schärfte ich meine Vision des Hotelprojektes The Harmonie Vienna. Das war ein wichtiger Prozess in meiner Entwicklung und in Richtung Nachhaltigkeit!
Welche Vision reifte hier in dir heran?
Für mich war’s wichtig, die Geschichte des Ortes zu verstehen und die Essenz daraus für die Zukunft erlebbar zu machen. Ich ging in Museen, auf Behörden, sprach mit Menschen, die hier schon lange lebten. Dadurch bekam ich ein Gefühl für diesen Ort und ließ dieses auch in die Gestaltung des Hotel einfließen, ein für mich wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit. So bewahrten wir die Vertäfelungen, das Streifenmuster, die Paravents in den Zimmern aus der Zeit des Biedermeiers, als das Haus ursprünglich gebaut worden war. Nachhaltigkeit sehe ich als Prozess, den ich über die Generalsanierung hinaus fortführen wollte. Ich wollte, wie im Sport, in einen Flow kommen, der weitergeht. Mich interessiert die langfristige Perspektive, und ich entwickelte ein langfristiges Konzept für The Harmonie Vienna. Am 1.1.2020 übernahm ich das Haus. Die Übergabe hatte zehn Jahre gedauert. Auch ein Prozess.
Gib uns einen kurzen Einblick in die Geschichte dieses Hauses!
Es besteht eine enge Verbundenheit zu Kunst und Kultur. Das Ensemble Harmoniegasse war das Erstlingswerk von Otto Wagner zu dem alle zehn Häuser und das ehemalige Harmonietheater am Ende der Gasse gehörten. In den jetzigen Zimmern wohnten die Tänzer, Schauspieler und Künstler.
Gab es einen besonderen Change-Moment für Dich? Ein Punkt, an dem gesagt hast: „Jetzt mache ich das anders!
Ja, die Geburt meiner Tochter war für mich eine bedeutende Lebensveränderung. Sie war auch der Auslöser für meinen Beschluss, eine nachhaltige Unternehmenskultur zu entwickeln. Ich wollte nicht nur meine neue Rolle als Mutter leben, sondern auch mein berufliches Umfeld, meinen Hotelbetrieb, so gestalten, dass es Transformation und Wachstum fördern würde. Es wurde mir klar, dass ich eine Umgebung schaffen wollte, die mein Team in ihrer Entwicklung unterstützt.


Was war bei dieser Veränderung dein größtes Ziel?
In vielen Jahren lernte ich, dass mir der Blick von außen fehlte. Dieses Bewusstsein schuf meine Tochter, weil ich aus dem operativen Tagesgeschehen ausgestiegen war. Dieser Perspektivenwechsel ermöglichte erst die nächste Phase meiner Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit.
Wie hat sich das Team seitdem verändert?
Unsere Harmonie Heroes und ich arbeiten in einer eigens entwickelten kooperativen Firmenkultur. Wir kombinieren neue Ideen und Beobachtungen aus dem operativen Alltag, um das Hotel kontinuierlich weiterzuentwickeln. Und unternehmen auch abseits vom Hotelbetrieb Dinge, um uns in neuen Umgebungen besser kennenzulernen. Wir haben in allen Bereichen einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin mehr im Einsatz als üblich – an der Rezeption, in der Küche, im Zimmerservice. Das ermöglicht noch mehr Qualität, die Gäste spüren das.
Du warst Jahre lange Leistungssportlerin, hast beim Crosstriathlon sogar zwei Staatsmeisterschaftsplatzierungen erkämpft. Das klingt nach Ehrgeiz, Ausdauer und Zielorientierung. Wie wirkt sich das auf deinen Job als Führungskraft aus?
Sehr! Ich lernte den Wert von Feedback zu schätzen. Das biete ich auch Mitarbeiter*innen, die den Wunsch haben, sich zu entwickeln.
Möchtest du 3 Learnings aus dem Sport teilen, die man beim Führen eines Hotels nutzen kann?
„Keine Energie, keine Leistung“. Man braucht ein ordentliches Essen. Wir kochen jeden Tag frisch für unsere Mitarbeiter*innen. „Wer sich anstrengt, braucht gezielt Pause“. Das Gleichgewicht aus Anstrengung und Erholung ist für eine langfristige erfolgreiche Entwicklung entscheidend. „Wenn man langfristig und diszipliniert an sich arbeitet, kann man etwas Besonderes schaffen“. Wichtig ist dabei eine gute Fehlerkultur!
Was sind die Werte im The Harmonie?
Unsere Werte haben wir gemeinsam entwickelt: einzigartig, einfühlsam, einsatzfreudig. Einsatzfreudig ist Entwicklung, einfühlsam ist Zuhören und einzigartig ist, dass wir gemeinsam Lösungen kreieren. Aus dem heraus entsteht Innovation. Wir nehmen Trends auf, die nachhaltig sind, und entwickeln sie weiter.
Kannst du uns innovative Beispiele nennen?
Es sind viele Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Harmonie-gebrandete Flaschen, in denen wir frisches Wiener Hochquellwasser kostenlos anbieten. Wir kommunizieren damit den Wert dieser Ressource. Wer auf die tägliche Zimmerreinigung verzichtet, unterstützt damit Künstlerinnen und Kreative in Wien. Weil wir das Geld, das wir damit sparen, in Wiener Kunstprojekte investieren.


Stichwort Umweltbewusstsein: Wie definierst du Nachhaltigkeit für dich?
Nachhaltigkeit betrifft alle Bereiche im Leben, innen, wie außen. Ich fahre ein elektrisches Auto und nütze zuhause eine Photovoltaikanlage und eine Wärmepumpe.
Und wo gelingt es dir im Hotel besonders gut, den ökologischen Fußabdruck zu verringern?
Ich nütze die ESG-Kriterien. Das „E“ sind die konkrete Klimaschutzmaßnahmen, wir bekommen gerade eine Photovoltaikanlage am Dach, setzen laufend auf Energieeffizienzmaßnahmen und messen die Ergebnisse. Letzten Jänner ließen wir den SDI-Index auswerten und erreichten zu unserer eigenen Überraschung einen Wert von 3,27 Kilogramm pro Nacht, was uns zu den allerbesten im Bereich Stadthotellerie machte. In den Kriterien „Social“ pflegen wir viele Kooperationen in unserer Umgebung und in „Governance“ das Miteinander im Hotel, die Kultur im Haus – das sind unsere Stärken! Das spannende daran: Gerade unsere Initiativen in den Bereichen Social und Governance haben am meisten zum Top-Rating beigetragen.
Wie kam der Fokus auf das „Social“?
Fast wie von selbst. Ich arbeite seit zehn Jahren mit Künstler*innen zusammen und bespreche Kunstprojekte. Daraus resultieren konkrete Aktivitäten, die auch in der Kategorie Social Niederschlag finden.
Kunst und Nachhaltigkeit gehören also zusammen?
Ja, Kunst hinterfragt die Themen der Gesellschaft und regt zur Weiterentwicklung an. Das macht sie für mich zu einem nachhaltigen Faktor im Nachdenken.
Beschreibe deinen Wunschgast!
Qualität ist der oberste Antrieb. Und Neugierde. Wien abseits von Touristenpfaden kennenlernen zu wollen, sich auf Kultur einzulassen. Mein Wunschgast ist außerdem jemand, der Bio, Regionalität und eine langfristige Perspektive schätzt.


Wie wichtig ist dir das Thema gesunde Ernährung im Hotel?
Es gehört für mich zu einem hochwertigen, qualitativ-individuellen Aufenthalt dazu. Ein Tag in der Stadt ist anstrengend, ob man arbeitet oder als Tourist unterwegs ist. Sich mit gutem Essen zu stärken, ist etwas Essentielles. Wenn wir hier ein Zuhause für unsere Gäste schaffen wollen, ist das ein großes Thema. Zentral ist, dass wir offiziell biozertifiziert sind. Dreimal pro Jahr werden wir überraschend kontrolliert, es werden die Lager kontrolliert, Rechnungen angeschaut. Es ist ein Versprechen, das wir geben und auch konsequent einhalten.
Warum ist dir veganes Essen so wichtig?
Aufgekommen ist das Thema in der Zeit der Corona-Lockdowns, da war dieses vegane Bewusstsein spürbar ein Wunsch. Wir haben uns damals informiert und zum Beispiel ein Kichererbsen-Omelette gefunden, das gut passt zu uns. Das ganze Thema ist etwas, was meinen Mitarbeiter*innen sehr viel Spaß macht. Einige von ihnen leben ja auch vegan.
Werfen wir einen Blick in die Glaskugel: Wie wird sich die Stadthotellerie bis 2050 ändern?
Ich glaube, dass sie sich sehr in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit engagieren wird. Mir ist wichtig, menschlichen Kontakt ins Zentrum der Begegnung zu stellen.
Das sind die Stärken
des The Harmonie Vienna
The Harmonie Vienna
66 Zimmer
Doppelzimmer ab 124 € pro Nacht/Person
mitten im charmanten Serviten-Viertel gut mit Öffis erreichbar
Bio-Frühstück
kleines Bistro mit viel Veganem geprüft allergikerfreundlich
kleiner Fitnessraum
Kaminzimmer mit Bibliothek