Ulli Retter, Gastgeberin des Retter Bio-Natur-Resorts, verrät, wie ein magischer Moment auf dem Pöllauberg ihr Leben veränderte. Im Interview spricht sie über die Geheimnisse ihres Erfolgs, warum Nachhaltigkeit manchmal verrückt mutige Entscheidungen braucht – und was es mit einem Apfelbaum, Regenwassertanks und ihrem Lieblingsplatz im Hotel auf sich hat. Bereit für einen Blick in eine Welt, die wirkt und berührt?
Die Geschichte des Retter Bio-Natur-Resorts ist auch eine Liebesgeschichte. Begonnen hat sie mit einem großen Wunsch: Als Tochter von Gastwirten in Nestelbach bei Graz und Älteste von drei Schwestern, war es für Ulli Retter immer klar, dass sie eines Tages den elterlichen Gasthof übernehmen würde. Doch die Eltern meinten: „Ulli, ohne den richtigen Mann geht das nicht, das macht man zu zweit.“ Doch der Richtige ließ auf sich warten.
Zu dieser Zeit war sie Obfrau des Jungen Gastgewerbes in der Steiermark und reiste eines Tages nach Pöllau. Auf dem Pöllauberg sah sie die Wallfahrtskirche. Wenn man eine neue Kirche betritt, so sagt man, soll man sich etwas wünschen. Also sprach sie leise vor dem Altar mit der Madonna: „Maria, bitte schicke mir den richtigen Mann.“ Und das natürlich in Gedanken für den Gasthof zu Hause. Drei Tage später klingelte das Telefon. Am anderen Ende – Hermann: „Grüß Gott, ich heiße Retter, und ich habe gehört, Sie sind die Frau für mich.“ Sie trafen sich beruflich, lernten sich kennen und es funkte. Ein halbes Jahr später klingelten die Hochzeitsglocken. Bis heute führen Ulli und Hermann bei Wanderungen immer wieder Gäste auf den Pöllauberg und ermutigen sie, sich auch etwas zu wünschen – aber mit dem Hinweis, dass man möglichst konkret mit der Formulierung sein sollte, da die Wünsche meist in Erfüllung gehen. „Meine Bestimmung habe ich gefunden. Aber das elterliche Gasthaus habe ich nicht übernommen…“
Dafür machte Ulli das Hotel Retter zum Vorzeigehotel, zur ganzheitlichen Inspirationsquelle. Im Interview spricht die Grande Dame der Nachhaltigkeit über ihren Drang zur ständigen Veränderung zum Besseren, mutige Visionen und starken Teamgeist.
Was zeichnet euer Arbeitsverhältnis aus?
Mein Mann, ein Visionär voller Vertrauen, übergab mir das Hotel und schenkte mir die Freiheit, meine Ideen und mein ökologisches Bewusstsein vollkommen in die Tat umzusetzen. Er hat alle meine Spinnereien unterstützt. Ein großes Geschenk, denn ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Zum Beispiel installierten wir bei jeder Baustelle ein komplexes Regenwassersystem, mit dem wir das Wasser in Zisternen speichern und die Toiletten damit spülen und sorgenfrei unsere Dachgärten damit bewässern können – eine Investition, die unüblich und anfangs kostspielig war. Nachhaltigkeit ist eine Reise, die sich manchmal erst nach Jahren rentiert, aber immer der richtige Weg ist. Gemeinsam haben wir alles konsequent durchgezogen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns sehr ähnlich sind. Wir haben den gleichen Stallgeruch, eine ähnliche Kindheit und dieselbe Vision.
Wer sind deine Vorbilder?
Meine Großmutter hat mich stets inspiriert. Eine lebenslustige, humorvolle Wirtin, tüchtig ohne Ende, mit viel Hausverstand. Und sie sagte mir täglich, wie wertvoll das Leben ist. Von meiner Mutter habe ich das ganzheitliche Bewusstsein, die lebte und liebte schon Vollwertküche und „Zero Waste“ bevor diese Bezeichnungen überhaupt existierten. Sie gab mir auch mit, auf hochwertige, natürliche Materialen zu setzen, wie Vollholz und echte Wolle. Diesen Weg haben wir im Haus kompromisslos umgesetzt. Mir war klar, dass ich alles, was nicht zu 100 % bio ist, nach und nach eliminieren werde.
Wer inspiriert dich?
Unsere Gäste! Ob eigener Workshop vor jeder neuen Baustelle oder intensives Gespräch – ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ideen, das Hotel Retter noch nachhaltiger, noch besser zu gestalten, sind bei uns in wirklich jeder Ecke spürbar. Das zieht sich bis hin zur Reinigung oder dem achtsamen Umgang mit den Handtüchern im Wellnessbereich. Die innige Gästebeziehung hat uns zu dem gemacht, was wir sind – und wird uns auch in Zukunft begleiten. Das hat sich erst unlängst in unserer Umbauphase bewiesen. Drei Kräne standen am Gelände, trotzdem hatten wir nur einen Rückgang von zehn Prozent bei den Buchungen. Beschwerden kamen gar keine. Das erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Was ist deine Vision als Gastgeberin?
Wir haben viele Ansprüche, einer davon lautet: „Retter wirkt“. Keiner soll hier rausgehen, ohne verändert zu werden, ohne etwas gelernt und gefühlt zu haben, das ihn auch nach dem Besuch bei uns begleitet. Unser langjähriges Team bietet Qualität mit Begeisterung. Dieser Ort ist mehr als ein Hotel, er wächst ständig und alles ist miteinander verbunden. Deswegen lautet ein weiterer Slogan: „Einmal Retter, immer Retter“.
Was sind eure „Change Maker Momente“?
Egal ob aus der Tradition oder der Innovation heraus: Die Veränderung zum Besseren begleitet uns ständig. Seien es die neuesten Wärmerückgewinnungssyteme in Küche und Wellness oder mein Lieblingsthema, die neuen Regenwassertanks und die doppelte Verrohrung im gesamten Haus. Denn uns war früh klar: Wir müssen Wasser sparen, Wasser ist das Gold der Zukunft. Selbst in großen Trockenphasen hat sich unser Weg bewährt, weil jeder Tropfen wieder zurückgeführt wird in die Mutterzisterne. Das funktioniert aber nicht ohne doppelte Verrohrung, ein Rohr für Trink-, eines für Gebrauchswasser, auch in den Gästezimmern. Das ist kostenintensiv, aber am Ende des Tages zahlt es sich aus. Auch wenn sich daraus Konsequenzen ergeben: Ich bin zum Beispiel gegen das freiwillige Nichtputzen der Zimmer. Im Regenwasser sind Mirko-Bakterien, ohne regelmäßige Hygienemaßnahmen hast du sofort einen Belag auf den Sanitärflächen. Auch Energiesparmaßnahmen brauchen ständige Innovation. Durch Visualisierung der Mess- und Regeltechnik etwa sehen wir, in welchem Zimmer die Fenster geöffnet sind – dann kommen wir sie schließen, weil sonst funktioniert weder das Heizen noch das Kühlen in nachhaltiger Weise. Noch ein kleines Beispiel: Wir reinigen alle Hygienebereiche mit Ozon, das wir selbst bei uns im Haus aufbereiten. Es ist stark desinfizierend, kommt aber ohne Chemie aus und hinterlässt wunderbare geschmeidige Flächen.
Kreislaufwirtschaft ist auch ein großes Thema im Haus ...
Wir wollen uns immer nach der Decke strecken, im Großen wie im Kleinen. Seit 20 Jahren haben wir unser Bio-Frühstücksbuffet auf verpackungsfrei umgestellt. Aus Gemüseresten entsteht unsere vegane Chi-Suppe, regelmäßig setze ich Gin zum Destillieren mit unseren ausgepressten Zitronen- und Orangenschalen an. Bei uns wird nichts verschwendet. Oder das neue Retter-Mitarbeiterhaus und Mitarbeiterrestaurant. Wir haben es mit den Jogltischen aus der alten Gaststube und mit gebrauchten Möbeln gestaltet, die wir bei den Umbauten aufgehoben haben, weil sie too good to go waren. Andere haben wir ersteigert und dann aufpoliert. So gut verarbeitete Möbel gibt es kaum noch, die sind heute unbezahlbar. Es gibt immer etwas, das man noch verbessern kann, wir verschließen uns weder dem Gestern noch dem Morgen. Es ist eine spannende Reise, bei der man nie auslernt. Aber unser größter Change Maker Moment ist die Welt, die uns umgibt. Die Lage inmitten des Naturparks Pöllauer Tal, inmitten unserer seit mehr als 30 Jahren Bio-zertifizierten Obstgärten, ließ uns immer behutsam ans Werk gehen. Jede Minute, die wir hier verbringen, ist ein Change Maker Moment, weil wir der Natur um uns gerecht werden wollen.
Was gibt die Natur zurück?
Sehr viel, wenn man sie fair behandelt: Unsere Bio-Obstanlagen zeigen, wie stabil sie sind – sind doch in einem Bio-Boden rund 90 Prozent mehr Mikroorganismen und 70 Prozent mehr Regenwürmer. Trotz der sehr trockenen Sommer konnten wir stets gute Ernten erzielen und auch vor Hochwasser müssen wir keine Angst haben, weil der Boden von den vielen Würmern schön aufgelockert ist. Bio macht so viel mehr Sinn, nicht aus gesundheitlichen, auch aus der wirtschaftlichen Perspektive heraus. Zuletzt hat man das in der Versorgungskrise durch den Krieg in der Ukraine gesehen: Konventionelle Erdäpfel waren plötzlich zweimal so teuer, Bio-Erdäpfel sind preislich stabil geblieben. Warum? Die konventionellen Erdäpfel brauchen jede Menge Harnstoff in der Düngung – sonst wächst da gar nichts – und eine Menge an Herbiziden, Pestiziden, Fungiziden. Das sind Junkies. Ohne Spritzen geht nichts und nebenbei zerstören diese Mittel alle wertvollen Mikroorganismen im Boden. Nicht umsonst hat ein Bio-Apfel zehnmal mehr Vielfalt an Mirkoorganismen als ein konventioneller.
Bitte erklär uns deinen Purpose, den Sinn hinter deinem Handeln.
Ich gehe selten auf Urlaub und wenn, dann hole ich mir auch dort frische Inspiration aus anderen Blickwinkeln. Nach der gröbsten Umbauphase war ich eine Woche in Ägypten in Sekem. Dort, mitten in der Wüste, werden biodynamische Demeter-Landwirtschaftsmethoden sehr geschickt als wettbewerbsfähige Lösungen geschaffen, um den vielen unterschiedlichen Herausforderungen im Umwelt-, Sozial- und Ernährungsbereich zu begegnen. Mit einem ganzheitlichen Ansatz, der die Wirtschaft, Ökologie, Kultur und Gesellschaft einschließt. Mein anfänglich schlechtes Gewissen, das Hotel verlassen zu haben, hat sich bald gelegt, denn ich konnte so viel lernen. Zurück kam ich mit neuer Kraft und der Rückbesinnung auf das, was meine Kernkompetenz ist: Das Vorleben unserer Werte, meinen Beitrag zu leisten. Auch im sozialen Bereich. Ich sage es am besten mit Goethe: „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“
Was ist die geheime Superkraft des Retters?
Das Team. Wir haben auch einen großen sozialen Auftrag im Betrieb, bei 130 Mitarbeiter*innen und 18 Lehrlingen. Ich nehme jedes Jahr aus Überzeugung ein bis zwei Lehrlinge auf, die aus verschiedensten Gründen nie eine Chance hätten. Das sehe ich als Dienst an der Gemeinschaft – und bekomme sehr viel zurück. Vielleicht kommt das aus der Kindheit: Ich komme ja von einer Landwirtschaft. In meinem Elternhaus lebten stets Menschen, die von uns aufgenommen und versorgt wurden und auch mitgearbeitet haben. Sie waren immer in unsere Familie integriert. Wichtig ist es, alle im Team in eine nachhaltige und biologische Lebensweise einzubinden. Bei uns erfahren bereits die Lehrlinge, wie gesunde Lebensmittelkreisläufe funktionieren und wie man ressourcenschonend arbeitet. Unsere langjährigen Führungskräfte gehen mit uns den 100-Prozent-Bio-Weg und haben im Laufe der Jahre dazu auch ihre eigenen Konzepte entwickelt. Unser Küchenchef Jürgen etwa ist seit 23 Jahren dabei. Er lebt den Jungen als starke Persönlichkeit vor, was uns ausmacht. Er steht auch heute noch täglich in der Küche und kocht aus echter Leidenschaft. Er ist kein Schreibtischhengst und ein großes Vorbild. Unser Restaurantleiter Michael ist vor 25 Jahren als Lehrling zu uns gekommen, hat sich mit uns weiterentwickelt und einen beeindruckenden Bio-Weinkeller und ein großartiges Bio-Getränkesortiment aufgebaut. Er führt unsere Lehrlingscrew vorbildlich und ist ein wichtiger Gastgeber.
Bist du ein Kopf oder Bauchmensch?
Mein Mann und ich sind beide Bauchmenschen und handeln oft intuitiv aus dem Gefühl heraus. So haben wir gelernt, nur Maßnahmen in unserem Retter-Bio-Natur-Resort zu setzen, die sich für uns gut anfühlen. Sehr oft kam etwas ins Stocken, weil unser Bauchgefühl dagegen war. So als wäre alles eine Fügung. Wir haben gelernt, Dinge zuzulassen, zu vertrauen und damit kommen wir immer in den Flow. Man kann sagen: Am Pöllauberg wirken große Kräfte und diesen Kraftplatz spüren auch die Gäste.
Dein Lieblingsplatz im Resort?
In jedem Hotel gibt es besondere Kraftplätze, bei uns natürlich auch. Möbelstücke, die an die Vergangenheit erinnern. Orte, an denen sehr viel gute Energie zu spüren ist. Aber am liebsten bin ich dort, wo Austausch passiert – mit unseren Gästen, mit den Zulieferern, mit dem Team. Das brauche ich, denn nur so gelingt Veränderung. Ich muss arbeiten und begreifen, kreativ sein, spinnen und vernetzen – in jedem anderen Beruf wäre ich todunglücklich. Mir hat einmal eine Astrologin gesagt, entweder sie reisen oder sie bauen – und beides hat sich irgendwie bewahrheitet. Jeder Tag, jedes Gespräch ist der Beginn einer neuen Reise.
Worauf bist du stolz?
Auf jeden einzelnen kleinen Schritt, denn es sind nicht die großen Sprünge, die es ausmachen, sondern die täglich kleinen Schritte im Wissen, das selbst Gutes verbessert werden kann.
Welche Wünsche hast du für die Zukunft?
Nicht nur als Gastgeberin, auch als Mutter wünsche ich mir eine gute, lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder. Gesunde Böden und Felder, robuste Wälder und hochwertige Bio-Lebensmittel am Teller. Mein Traum ist es, mithilfe unseres Wirkens in der Region bald in einem 100-Prozent-Bio-Naturpark-Pöllauer Tal leben zu dürfen. Und wenn ich an die Zusammenarbeit mit unseren lieben Bauern und Bio-Lieferantinnen hier denke, die selbst immer mehr dafür tun, nachhaltig zu agieren, wird uns das auch gelingen. Man findet immer einen Weg.
So viele scheitern an dieser Konsequenz und am Finden von Produzentinnen und Lieferanten. Wie macht ihr das?
Aufgrund unserer kompromisslosen Bio-Kulinarik kommen viele bioaffine Gäste aber auch Bio-Produzenten zu mir. So auch Herr Sallmanshofer aus dem Burgenland. Er meinte, nehmen Sie doch meine Bio-Enten ins Sortiment auf. Ich habe mir gedacht, das wird sicherlich teuer. Aber da die ganze Welt immer nur Entenbrust will, servieren wir gebratene Keulen. Er war glücklich, wir auch. Verschwendung ist mir ein Graus, gerade wenn es um Fleisch geht. Unsere Mission ist es, Bio-Freilandtiere aus einem Radius von maximal 30 Kilometern zur Gänze zu verarbeiten – denn Fleisch ist etwas ganz Besonderes und kein Massenprodukt.
Wie sieht das der Familien-Clan?
Wir sind uns alle einig: 100 Prozent Bio in Österreich ist keine Utopie, sondern ein machbarer Weg. Ich bin sehr froh darüber, dass alle unsere Kinder diesen Weg gerne gehen. Alle drei denken mit, geben Feedback und bringen neue Ideen ein. Sie schätzen die meist hochwertigere Qualität von Second Hand. Vor allem unsere jüngste Tochter, die als Personalentwicklerin tätig ist. Sie hat so nebenbei einen 60-stündigen Nähkurs absolviert – eine echte Upcycling-Queen.
Dein privates Zaubermittel?
Der Saft der Hirschbirne. Ihr Baum wird bis zu 250 Jahre alt. Die Wurzeln reichen tief hinein in die Erde, alles ungespritzt. Streuobst – da ist alles drin, was man braucht, basisch und mineralisch. Das ist mein Lebenselixier.
Das sind die Stärken des Retter Bio-Natur-Resort
Retter Bio-Natur-Resort
Erstes Bio Organic Spa (3.200 m2) mit Work Life Blending
25 m Waldpool und Naturteich
100 % Bio-Kulinarik
großes Vegan- und Veggieangebot
Yoga, Zen, Eisschwimmen
Retter BioGut-Kurse – Fermentieren, Brot backen, Kräuter destillieren...