Gastgeber Stefan Mahlknecht vom Waldhof2 in Meran vor dem Hotel mit viel Holz
c Jenni Koutni
Lana

Stefan Mahlknecht – Hotel Waldhof2

Interview • Locationtipps

Eigentlich wollte Stefan Mahlknecht lieber Fotograf als Hotelier sein. Jetzt stellt sich der „Junge Wilde“ von Völlan bei Meran als Gastgeber des Waldhof2 mit unkonventionellem Denken den Herausforderungen der heutigen Zeit. Wie er das Wellnesshotel in Südtirol zu einem Leuchtturm für resiliente Tourismusentwicklung macht, erzählt er im Interview.

Jenni Koutni

Wenn man Stefan Mahlknecht als Gastgeber im Hotel der Waldhof schnell beschreiben müsste, dann trifft die Bezeichnung „Junger Wilder“ gut. Der Südtiroler nennt die Dinge gern beim Namen, will nichts beschönigen und glaubt an die Macht der Veränderung. Er ist passionierter Fotograf, gut vernetzt in der Kreativszene und er hat sehr intensiv überlegt, ob er gleich nach dem Studium überhaupt ins Hotelgewerbe möchte. Auch wenn er ein Einzelkind ist, wurde er von seinen Eltern nie gedrängt, Touristiker zu werden. Schlussendlich wurde er doch einer, allerdings einer, der sich als Gastgeber nicht verbiegen möchte: „Ich bin nicht 24/7 im Haus, frage nicht beim Frühstücksbuffet jeden Gast wie er geschlafen hat.“

Ja, Authentizität wird hier im Hotel Waldhof großgeschrieben. Seit 2020 führt Stefan im kleinen Ort Völlan bei Meran gemeinsam nach dem frühen Tod seines Vaters Kuno mit seiner Mutter Dorothea und Partnerin Jasmin das 4-Sterne-Superior-Haus. Bald 50 Jahre ist es bereits in Familienbesitz. Gemeinsam denken die Mahlknechts viel nach über die Zukunft des Tourismus, holen sich Inspiration für neue, unkonventionelle Wege abseits der bedingungslosen Gast-ist-König-Mentalität, und auch beim Thema Nachhaltigkeit wird um die Ecke gedacht. Welche großen Schritte zur Verwirklichung seiner Vision folgen, erklärt er uns an einem sonnigen Frühlingstag auf der Hotelterrasse mit Blick auf die Mayenburg.

Ihr habt große Visionen davon, wie es mit dem Hotel weitergehen soll. Erzähl uns doch bitte davon!

Stefan: Bereits vor der Pandemie begann ich intensiv zu überlegen, wo die Reise hingehen soll. Ich kann mich sehr schwer identifizieren mit dem Investitionsdruck, der hier in Südtirol herrscht. Ich sehe nicht ein, jedes Jahr zu wachsen und immer wieder Sachen zu erneuern und auszubauen. Möchtest du da rauskommen, musst du aber ein so sehr diversifiziertes Produkt haben, damit Gäste zu dir kommen, weil du etwas hast, das sonst niemand hat.

Noch mehr Wellness wie bei vielen anderen also eher nicht. An was denkst du?

Stefan: Unser Wellnessbereich ist absolut ausgereift, da wird es nichts Neues geben. Deshalb habe ich mich eher logisch an zeitgemäße Fragen herangetastet: Wie kann ich das Dorf wiederbeleben, Kunst und Kultur fördern? Wie zur Biodiversität beitragen oder möglichst klimaneutral sein? Ich habe mich dafür bereits vor zwei Jahren mit vielen interessanten Personen außerhalb des Tourismus unterhalten und mich inspirieren lassen. Das waren eine Menge Infos und ich kam an den Punkt, wo ich Hilfe brauchte. In einem Magazin sah ich dann einen Beitrag von LiA Collective, das sind Sozioökonomen, Raum- und Landschaftsplanerinnen, die Unternehmen und Kommunen bei Transformationsprozessen unterstützen. Wir waren schnell auf einer Wellenlänge. Eineinhalb Jahre lang sammelten wir extrem viele Daten – von Bodenproben bis hin zu alten Aufzeichnungen, wie sich die Vegetation im Laufe der Jahre im Dorf entwickelt hat. Das fließt jetzt alles in das Projekt ein.

Hotel der Waldhof2: Lichtblick in Südtirol 

Aufklären und anders denken: Gemeinsam mit Partnerin Jasmin und Mama Dorothea führt Stefan Mahlknecht das Hotel Waldhof in Völlan bei Meran. Es herrscht Aufbruchsstimmung, denn bald soll die Vision der Gastgeberfamilie Wirklichkeit werden: ein Hotel als Experimentierraum für nachhaltige Praxisbeispiele.

Wie hat sich die Landschaft in Völlan verändert?

Stefan: In der Wiese unter dem schwebenden Infinitypool waren früher Apfelbäume, so wie überall in der Region. Die Sonnenausrichtung setzt aber leider künstliche Bewässerung voraus. Deshalb mussten wir noch weiter zurückschauen und wissen jetzt, dass diese Lage von Natur aus eine sehr biodiverse Trockenwiese wäre. Deshalb sammeln wir passende Samen und renaturieren die Fläche. Dann musst du sie nicht mehr bewässern. Solche Gedankengänge wollen wir überall im Hotel umsetzen. Es soll Sinn machen, die Region wiederzubeleben und offene Räume zu schaffen. Wir wollen unser Hotel auch lokalen Organisationen zur Verfügung stellen für Workshops oder Weiterbildungen. Unternehmen eine klassische Workation bieten, bei der man sich mit der einheimischen Szene vernetzen kann.

Und wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Stefan: Wir haben uns kürzlich mit Architekturbüros getroffen und warten auf erste Entwürfe. Das alte Haus wurde als private Villa gebaut, die Raumaufteilung macht keinen Sinn mehr für unsere Zwecke, deswegen müssen wir es abtragen. Wir brauchen Gemeinschafts- und Workshop-Räume. Energietechnisch wollen wir mit Photovoltaik und Wärmepumpe so gut es geht Selbstversorger werden. Regelmäßige Weiterbildungen in Sachen Umweltschutz sind geplant, auch für das Hotelteam. Mir ist es wichtig, dass unsere Gäste den Ort und die Region kennenlernen und dort auch Wertschöpfung passiert. Also, dass Gäste nicht nur bei uns essen, sondern auch in der Umgebung. Ich wünsche mir, dass sie Bio-Landwirt*innen in der Nähe besuchen und von ihnen lernen. Es ist wichtig, Generationen zu verbinden.

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Beleuchtete Sauna
c Waldhof2
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Teich in einem Wald
c Waldhof2

Was war der Moment, als du gespürt hast, du willst etwas anders machen als Hotelier?

Stefan: Ich habe sehr lange überlegt, ob ich gleich nach dem Studium ins Hotelgewerbe will, da ich kein klassischer Touristiker bin. Mein Umfeld kommt eher aus Branchen wie Film, Design oder Fotografie. Ich bin Einzelkind, trotzdem sagten meine Eltern immer „Mach was du willst“. Als ich mich fürs Hotel entschied, war klar, dass ich es nur so mache, wie es mir gefällt. Ich bin nicht 24/7 im Haus, frage nicht beim Frühstücksbuffet jeden Gast wie er geschlafen hat. Dafür sind wir alle drei nicht der Typ.

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Und welche Learnings hattest du bisher?

Stefan: Dass nicht alles von heute auf morgen geht - was schwierig ist, denn ich bin extrem ungeduldig. Ich habe auch gelernt, wie sehr man von anderen abhängig ist, etwa von den Mitarbeitenden und deren Unterstützung. Und ich weiß jetzt, wie unterschiedlich Gäste aus verschiedenen Ländern sind, auch was den Zugang zur Nachhaltigkeit betrifft.

Strebt ihr Umwelt- oder Klima-Zertifikate an?

Stefan: In der Flut der Zertifikate bin ich mit keinem richtig glücklich, manchmal steckt auch nicht viel dahinter. Eine Entscheidung macht sowieso erst nach dem Umbau Sinn. Wir werden wahrscheinlich sogar auf die Sternebewertung verzichten, ich halte das für veraltet. Man muss auch ohne Zertifikate authentisch sein und Gästen kommunizieren, was nicht passt.

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c Waldhof2

Wie sieht denn dein Wunschgast für den neuen Waldhof aus?

Stefan: Menschen, die am Weltgeschehen interessiert sind und die im Urlaub gerne mit Locals interagieren. Kultur- und Kunstaffine. Reisende, die sich selbst beschäftigen und nicht 24/7 bespaßt werden wollen. Kritische Menschen, das ist wichtig.

Wo bist du, wenn du nicht im Hotel bist?

Stefan: Ich bin in den Bergen unterwegs, fotografiere leidenschaftlich gerne und übernehme auch Aufträge für Kampagnen für Outdoor-Brands. Auch beim Storytelling für unsere Social-Media-Kanäle und Newsletter kann ich mich kreativ austoben.

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Gedeckter Frühstückstisch mit Aussicht auf einen mittelalterlichen Turm
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Frau, die auf einer Restaurantterrasse steht
c Waldhof2

Was meinst du: Wohin wird sich der Tourismus in den nächsten Jahren entwickeln?

Stefan: Ich hoffe, dass es noch viele andere gibt, die in dieselbe Richtung wie wir gehen und uns sogar kopieren. Tatsache ist aber, dass wahrscheinlich noch mehr große Luxusresorts gebaut werden und sich durch den Platzmangel hier viel an den Gardasee verlagert.

Verrate uns, wie du Nachhaltigkeit privat lebst.

Stefan: Mit offenen Augen durchs Leben gehen und logisch denken. Im Hotel werden wir nie das Wlan abdrehen oder ausschließlich Naturmaterialien verwenden, wie das Naturhotels oft machen. Denn so sind wir privat auch nicht. Ich esse manchmal Fleisch, fliege auch mal in den Urlaub, versuche aber, beides zu reduzieren. Nachhaltigkeit ist ja eine ganzheitliche Sichtweise, deshalb zähle ich es auch dazu, dass ich mich auf Events und Messen mit anderen austausche und Nützliches für den Betrieb dazulerne.

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