Portrait Alois Seyrling
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Seefeld in Tirol

Alois Seyrling – Hotel Klosterbräu

Interview • Locationtipps

Das Wissen der Alten mit der Lässigkeit der Jungen zu vereinen – das ist das Ziel von Alois Seyrling. Seine großen Hilfen dabei: die 500 Jahre alten Klostermauern, der ICE Bahnhof in Seefeld und das gute Gefühl, das Nachhaltigkeit jede Menge Geld spart und die Umwelt schützt.

Robert Kropf
15. November 2023

Wir erwischen Alois Seyrling am Seefelder Pfarrhügel, gleich hinter dem Hotel Klosterbräu. Da wuselt er zwischen den Bienenstöcken herum. Da zwickt ihn der Esel in die Jacke. Und seine 200 freilaufenden Hühner? Die ignorieren den Fünfsterne-Hotelier. Die sind beschäftigt mit Wiesen pecken, Regenwurm zupfen und vom Hahn davonlaufen. Der Pfarrhügel ist sein Lieblingsplatz in Seefeld, „meine Wellnessabteilung mit 150.000 Quadratmetern“, sagt Seyrling. Dort oben sieht er alles, was ihm wichtig ist: Sein Hotel in den über 500 Jahre alten Klostermauern. Sein Privathaus, aus dessen Keller seine Schweine rausgrunzen. Die Kinder der Gäste, die dort nicht von den Hasen und Eseln weg wollen. Und das Seefelder Bergplateau, auf dem er aufgewachsen ist, und dessen intakte Natur er gerne gleich gut, und wenn geht besser an seine Kinder weitergeben möchte.

Die Mauern deines Hotels sind über 500 Jahre alt. Das ehemalige Kloster ist seit 200 Jahren im Besitz deiner Familie. Würden die Mauern reden können, was würden sie dir sagen?

Die Mauern würde sagen, dass sie einen ziemlich kleinen CO2 Abdruck haben. Denn sie stehen ja unverändert seit fast einem halben Jahrtausend da und wurden aus Materialien der Region gebaut. Die Menschen haben vor 500 Jahren ein großes Haus hingestellt, das heute noch genau so funktioniert. Die Mauern würden auch sagen, dass die Menschen früher viel richtig gemacht haben. Weil es gar nicht anders möglich war. Die Lebensmittel hat man rund um das Kloster produziert, da gab es keine Lieferwege. Der Bergsee war bewirtschaftet, den Wald hat man aufgeforstet. Die vielen Wiesen gemäht und an die Tiere verfüttert. Geheizt wurde mit dem Holz aus dem eigenen Wald, Strom hat es keinen gegeben. Das Fahrzeug war das Pferd. Die Menschen haben nie mehr genommen, als sie gebraucht haben.

Hotel Klosterbräu – der Bauer als Hotelier

500 Jahre alte Klostermauern. Haushühner, die Sommerfrische auf der Alm machen. Und ein Gastgeber, der einen vegetarischen Bauernhof neben das Hotel stellt. Über die Welt, das Wissen und die Werte hinter den Kulissen des Fünfsterne-Hotel Klosterbräu, hoch oben am Seefelder Plateau.

Wie übersetzt du das in die Jetztzeit? Den Gästen im Fünf-Sterne-Hotel kannst du ja schwer den Strom, geschweige denn das Internet abdrehen…

Zum einen brauchen wir nicht viel tun. Die Gäste spüren das Mystische im Haus selbst. Wenn du in den Weinkeller gehst, machst du eine Zeitreise. Mein Lieblingsplatz ist der breite Klostergang im ersten Stock. Wenn da die 500 Kerzen brennen und die Fresken beleuchtet sind, kriegst du Gänsehaut. Zum anderen sind wir ein moderner, junger Betrieb. Wir recyceln so viel wie möglich, wir schmeißen viel weniger Müll weg als noch vor Jahren. Wir schauen, dass das Lebensmittelangebot vernünftig ist. Es braucht keine 30 Salatsorten am Buffet, sondern fünf lässige, die gut schmecken. Es braucht keine 25 Käsesorten, sondern sechs oder sieben aus Tirol mit echter Qualität. Wir haben Honig von den eigenen Bienen. Wir bauen bald eigene Erdäpfel an. Auf eine gewisses Art und Weise bewegen wir uns rückwärts – hin zu den Ideen und Techniken, die vor 100 Jahren hier am Berg funktioniert haben.

Das Klosterbräu ist ja ein nachhaltiges Luxushotel – wie schaut euer Blick nach vorne aus?

Wir setzen soviel umweltschonende Maßnahmen ein, wie wir derzeit können und wie es die Technik möglich macht. Wir heizen mit Fernwärme und Holz aus der Region. Bis auf den Pizzaofen sind wir frei von fossilen Brennstoffen. Wir erweitern gerade unsere Photovoltaikanlage um 250 Kilowattstunden. Wir putzen die Hotelzimmer chemiefrei. Wir sparen jedes Jahr 35.000 Plastikflaschen ein, weil wir auf Pumpspender umgestellt haben. Das Schöne daran: Das alles schützt nicht nur die Umwelt, die Ressourcen, die Menschen in der Region. Sondern langfristig bedeutet es auch, dass wir kostengünstiger als früher wirtschaften. Das ist ein doppelter Nutzen, der sich für mich als Unternehmer gut anfühlt. Denn: Wer nachhaltig wirtschaftet, spart auch Geld.

Kannst du dich an deinen Change Moment erinnern? Als dir klar wurde, dass es für dich einen neuen Umgang mit den Ressourcen der Natur braucht?

Ganz klar, als meine Kinder geboren wurden. Da habe ich mir erstmals ernsthaft die Frage gestellt: Wie sieht für meine Kinder die Zukunft aus? Wie werden die Rahmenbedingungen sein, ein Hotel zu führen? Wie geht es unseren Kindern in 30 Jahren mit der Natur, der Umwelt, dem Klima, den Ressourcen. Ohne Kind denkst du immer nur an dich, mit Kindern denkst du an die Zukunft. Mehr Eco, weniger Ego, würde ich sagen. Zum anderen hatte ich mit Christian Wandel vom Leutscherhof einen großartigen Mentor. Er ist ein Pionier der Nachhaltigkeit. Er hat immer wieder Inputs gebracht und gezeigt, was er gerade im Hotel umstellt, welche Daten er erhebt, was er gerade analysiert, wie er damit umgeht, was es kostet, was es bringt. Ich konnte so die Dinge neu denken. Da hat er mir sehr geholfen. Er war meine Abkürzung in Richtung Nachhaltigkeit.

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c David Johansson

Was denkst du heute neu? Kannst du uns Beispiele nennen?

Dass saisonale Betriebe mit zwei Mal drei Monaten Öffnungszeit wirtschaftlich schwierig sind, aber vor allem ökologisch und sozial nicht nachhaltig. Also haben wir auf Ganzjahresbetrieb umgestellt. Ich weiß, dass man Zimmer so plant, dass sie eine längere Lebensdauer haben. Also raus mit dem trendy Schnickschnack, das nach drei Jahren keiner mehr sehen kann. Rein mit Natur, Raum, Holz, Lehm. Stein. Alles Dinge, die lange halt und nicht alt werden.

Du sprichst von euren neuen Naturzimmern. Woher kam die Idee dieser neuen Art von Zimmer?

Ich habe vor drei Jahren mein Privathaus für meine Familie gebaut und dabei viele Dinge berücksichtigt: Ich habe mondgeschlägertes Holz aus dem eigenen Wald genommen, Wasseradern gemessen. Lehmwände gebaut, die die Feuchtigkeit regulieren. 95 Prozent der Materialen kommen aus Tirol, Bayern und Südtirol. Viel Zirbenholz, helle Räume, Lampenschirme aus Wiesenblumen. Keine Trends, keine exklusiven Farbkonzepte. Das Haus ist leicht zu reinigen, weil nicht viel Chichi drin ist. Meine Familie und ich, wir fühlen uns total wohl in diesem Haus. Genau so wollte ich es für die Gäste auch haben.

Und statt der Garage hast du einen Stall in deinen Keller gebaut.

Das war kein Ratschlag eines Unternehmensberaters, der sagt, wir sollen das so machen. Ich wollte Viecher in meinem Haus, keine Autos. Ich möchte in der Nähe von Tieren leben. Die Kinder haben das verstärkt. Weil meine Frau eine Vegetarierin ist, ist es schließlich ein vegetarischer Streichelzoo geworden. Wir machen auf dem Bauernhof keine Fleischproduktion. Die Tiere bleiben bis ans Lebenswende bei uns und landen nicht in der Küche. Einzige Ausnahme: Wenn die Legehennen umfallen, dann geht sich eine Hühnersuppe aus. Das ist okay, das ist auch ein Kreislauf.

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Weinkeller aus Stein
c Stephan Elser
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Suite mit Doppelbett, freihstehender Wanne und Holzwänden
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Wo gibt es bei dir im Hotel nach wie vor die größten Einsparungspotenziale in Sachen Energie und Ressourcen?

Die großen Hausaufgabe im Energiebereich haben wir mit Wasserkraft, Solar, Photovoltaik und Fernwärme gemacht. Jetzt machen 80 Prozent des CO2-Abdruckes bei uns Lebensmittel und Anreise aus. Da müssen wir schrauben. Das ist die größte Herausforderung.

Ihr habt in Seefeld einen ICE-Bahnhof. Da müssten doch sehr viele mit der Bahn direkt anreisen?

Sehr viele sind es noch nicht, aber es werden immer mehr. Dafür muss die Bahn verlässlicher werden. Wir wissen aus unseren Gesprächen mit den Gästen, dass sie die Bahn nicht nutzen, weil sie Angst vor Verspätungen und Ausfällen haben. Verständlich, denn es geht immerhin um die wertvolle Urlaubszeit, da will niemand unnötig auf Bahnhöfen herumsitzen. Als Region arbeiten wir intensiv daran, die Mobilität vor Ort zu verbessern – mit E-Bikes, Shuttles, gratis Koffertransporten. Wir haben in Seefeld gerade zwei Millionen Euro in den Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes gesteckt. Bei uns im Hotel klappt das so: Alle Gäste, die mit dem Zug oder Bus anreisen, nutzen vor Ort für den gesamten Aufenthalt unsere E-Scooter und E-Bikes gratis. Der regionale Bus ist auch dabei.

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c Stephan Elser

Welches Potenzial liegt im nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln?

Fleisch-, Milch- und Käseprodukte machen bei den Lebensmitteln 80 Prozent des CO2-Abdrucks aus. Die Idee ist einfach: Nichts verbieten. Positive Anreize schaffen, damit die Gäste weniger Fleisch, Milch und Käse konsumieren. Wir suchen zum Beispiel gerade einen vegetarischen Souschef, damit wir das Angebot weiter vergrößern können. 50 Prozent der Speisen in unserem Steakhaus sind bereits veggie oder vegan. Mein Traum sind ja eigene Milchkühe fürs Hotel. Mit vier Milchkühen mache ich 70 Liter Milch am Tag, das würde den Tagesbedarf locker decken. Ein oder zwei Käsesorten selbst herstellen, das wäre mega.

Wie viel Nachhaltigkeit traut ihr euren Fünfsterne-Gästen zu?

Ein Hotel ist ein Rolemodel fürs Leben daheim. Die Gäste kriegen das Thema bei uns an der Vielzahl von kleinen Themen mit. Zum Beispiel das Frühstücksei unserer 200 Hühner: Jeder Gast kriegt sein Ei. Die Hühner fressen nur Gras und Kräuter von den Wiesen. Eier zum Frühstück, Eier für die Pasta, Eier als Abreisegeschenk. Oder nehmen wir den Rooftop-Pool her: Wir wollten ihn von 37 auf 34 Grad senken, um Energie zu sparen. Da gab es einen Aufstand. Wir haben die 37 Grad erhalten, aber dafür kürze Öffnungszeiten eingeführt. Das kommt gut an. Wir testen sehr viel, manches bleibt, manches muss man dann auch wieder verwerfen. Täglich und wöchentlich dranbleiben, heißt es. Gerade machen wir eine Wall of Change: Das sind 20 Holzboxen mit Türchen, hinter denen jeweils eine Nachhaltigkeitsstory des Hauses steckt.

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Ihr plant ein neues Mitarbeiterhaus – was sind hier die wesentlichen Überlegungen?

Es ist ein Mitarbeiter*innenhaus für Familien. Das ist der Weg für uns – das sich Familien hier ansiedeln, hier leben wollen. Die Wohnungen haben dann zwei Schlafzimmer, liegen im Grünen am See. Du brauchst kein Auto. Der Kindergarten, die Schule, der Bus, der Zug nach Innsbruck, alles ist in Gehweite. Es geht um Lebensqualität für das Team. Nur so bleibt es lange im Betrieb und wird ein wichtiger Teil deines Hotels. Früher hast du geschaut, dass die Gäste bei der Abreise gleich das nächste Jahr buchen. Heute schaust du, dass die Mitarbeitenden wiederkommen. Oder im besten Fall durch die Ganzjahresöffnung und flexible Arbeitsmodelle wie 5-, 4- oder auch 3-Tage-Woche bei dir im Betrieb bleiben.

Gibt es ein Geheimrezept als nachhaltiger Hotelier?

Nein. Such dir die Gäste und die Mitarbeiter*innen, die so ticken wie du. Damit bist du ehrlich und authentisch.

Was ist für dich als Unternehmer eine große Visionen der nächsten Jahre?

Das wir uns alle mehr austauschen, uns gegenseitig helfen. Um nix neidig sein. Deswegen haben wir auch die Plateau Pioniere in Seefeld gegründet. Das sind zwei Hand voll Betriebe, die gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten. Da musst du mitdenken, da musst du mitarbeiten, da musst du liefern, da muss du dir Zeit dafür nehmen, dich vorbereiten. Du brauchst aktive Unternehmer dazu, die sich nicht nur eine Porsche finanzieren wollen, sondern an der ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Nachhaltigkeit arbeiten. Die Pioniere in Seefeld bringen Leute zusammen, die etwas bewegen wollen.

Was werden deine Kinder in 20 Jahren zu deiner heutigen Arbeit sagen?

Erstens: Wenn sie ins Unternehmen einsteigen, haben wir schon viel richtig gemacht. Zweitens: Danke, dass ihr uns was weitergegeben habt, das keine Belastung ist.

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Hotel Klosterbräu Aussenansicht im Sommer in der Dämmerung
c Stephan Elser
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Restaurant mit lila Licht und Steinwänden
c David Johansson

Wie sieht Reisen für dich im Jahr 2050 aus?

Fahren wird wichtiger als Fliegen. Die Alpen und Skandinavien werden als kühlere Klimaregionen profitieren. Wir werden im Tourismus eine Klimamigration erleben – Arbeitskräfte aus heißen Ländern wie Spanien und Griechenland ziehen Richtung kühle Regionen. In Hotels spricht man überall nur noch englisch – auch in Tirol. Der Nationenmix wird bei den Gästen als auch bei den Teams größer. Das ist gut so.

Visionär*innen