Portrait von Marc Traubel
c Hubertus Mountain Refugio
Balderschwang

Marc Traubel –

Hubertus Mountain Refugio Allgäu

Interview • Locationtipps

Marc Traubel hat das Hubertus Mountain Refugio Allgäu zu einem der besten Wellnesshotels ausgebaut. Was die Kraft der Natur anrichten aber auch positiv bewirken kann, darüber sprechen wir im Change Maker Hotels Interview.

Petra Percher
17. Mai 2023

Mit zehn ist er das das erste Mal hinter der Theke gestanden, nach der Schule folgten Lehr- und Wanderjahre von Lech bis nach Dubai und ein Studium in Heidelberg. Heute führt Marc Traubel das Hubertus Mountain Refugio Allgäu in dritter Generation mit innovativen Inputs von seinen Eltern.

Am 14. Mai 2019 ging hier eine massive Lawine nieder und zerstörte einen Teil eures Hotels. Im Wahnsinnstempo macht ihr daraufhin aus dem zwischenzeitlich Hubertus unplugged genannten Hotel das Hubertus Mountain Refugio. Was hat sich außer dem Namen noch verändert?

Die Lawine war ein einschneidendes Erlebnis und der Grund, warum wir viele Dinge geändert haben, die aber schon lange in unseren Köpfen waren. Es haben sich Prioritäten verändert. Und so ist der kleine Spa zu einem monumentalen Gebäude geworden – ohne, dass wir zusätzliche Zimmer dazu gebaut haben. Das gibt es nicht oft. Unser Denken hat die Lawine aber nicht verändert, denn wir waren immer schon naturverbunden. Wir nutzen das Ereignis eher, um die Ideen, die wir im kleinen Spa schon versucht haben unterzubekommen, groß zu machen. Und mehr Gäste in den Genuss der Behandlungen kommen lassen.

Balderschwang und das Hubertus beschreibt ihr als einen Ort der Kraft mit erhöhter Energie und speziellen Informationen, die heilsam und förderlich für das Leben wirken. Mit der Lawine hat sich die Kraft der Natur gezeigt, die ihr sonst positiv nutzt…

Ja richtig. Viele haben uns dann für den Mut bewundert, was wir daraus gemacht haben. Aber es gab für uns nie die Option, nicht wieder aufzubauen. Nur weil der Spa weg war, konnten wir ja nicht das Hotel zusperren. Es ist ja unser Beruf, unsere Berufung.

Du führst das Hubertus seit mehr als zehn Jahren gemeinsam mit deinen Eltern. Wie findet ihr euch alle wieder in dem Hotel?

Beide sind wahnsinnig tough, das sehe ich nicht bei vielen Menschen in ihrem Alter. Meine Mutter ist der emotionale Part, von ihr kommt das holistische Konzept. Papa ist wie ein Füllhorn von Ideen. Immer wieder zündet er ein ganzes Feuerwerk davon, zuletzt hat er das Eisbaden vorgeschlagen. Ich versuche, alles abzuwägen und zu schauen, was ist sinnvoll?

Aufbauend auf dem Kraftort hat deine Mutter, Christa Traubel, HolisticLife als ganzheitliches Wohlfühl- und Gesundheitskonzept entwickelt. Erzähl uns davon!

Da erinnere ich mich an ein kleines Streitgespräch mit meiner Mutter. Ich fragte sie, wo denn für sie der Spa sei? Sie meinte: Überall. Das habe ich erst einmal verkraften müssen. Daraus entstand aber schließlich das HolisticLife Konzept.

Wenn der Spa überall ist, trifft man als Gast auch überall auf die holistische Philosophie. Erklär uns das nochmal genauer, bitte!

Ja, dazu gehört Holistic Sleep mit der Meditationsmusik, der Yogamatte und den antiallergischen Daunendecken am Zimmer. Eine Zeit lang lag da auch Räucherwerk, aber das fand unsere Feuerwehr nach drei Einsätzen nicht mehr so spannend. Bei Holistic Touch geht es um Berührung im Spa. Wir haben keine Behandlungsräume, in denen nicht berührt wird. Früher hattest du Blubberliegen und Moorpackungen, das war für das Hotel zwar sehr effektiv, weil ein Therapeut konnte fünf Gäste gleichzeitig behandeln. Heute kommt es uns auf die körperliche und geistige Berührung an. Und Holistic Spirit ist alles, was wir außenrum anbieten. Die Kräuterworkshops und Wanderungen in die Natur, wir bieten handwerklich Kurse wie Naturkosmetik oder Wachstücher herstellen, um auf Müllvermeidung hinzuweisen. Es gibt Lesungen und Retreats.

Ihr habt auch einen Ayurveda-Koch im Haus…

Holistic Food ist ein wichtiger Teil des Konzeptes. Wir sind auf Gabriel Simon-Pinero gestoßen, der das Ernährungscoaching macht und mit Ayurveda arbeitet. Ayurveda bestimmt auch einen großen Teil der Behandlungen im Spa. Und über allem steht der keltische Jahreskreis mit den Festen, die unsere Urahnen schon gefeiert haben – und die Sinn machen wie der Rückzug im Winter und das Freudenfest im Sommer. Wir bringen damit unseren Urinstinkt und das Urwissen wieder nach vorne. Alles, was wir verlernt haben.

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Ein Mann und eine Frau, die durch ein Fenster einer alten Holzhütte schauen
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Blick auf ein weißes Doppelbett
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Und so finden Gäste heute im Hubertus indisches Ayurveda, keltisches Räuchern, chinesische Medizin, Feng Shui und Buddhas. Wie fügt sich das zusammen?

Es sind Konzepte hinter denen wir stehen. Keines davon schließt das andere aus. Meine Mutter ist gelernte Apothekerin, Yogalehrerin, Ayurvedatherapeutin, Heilpraktikerin und ich weiß gar nicht was noch alles. Die Themen begleiten uns schon sehr lange – lange bevor es ein Trend wurde. Der USP ist, dass ich diesen holistischen Ansatz als Gast spüre. Also nicht dogmatisch, aber wenn ich möchte.

Das muss man ja eigentlich wollen…

Manche möchte man schon zu ihrem Glück anleiten. Das gelingt uns auch. Wir haben eine Behandlung pro Aufenthalt inkludiert. Seither haben Stammgäste, die seit vielen Jahren kommen, auch den Spa entdeckt, den sie vorher nie benutzt haben.

Welches Feedback bekommt ihr oft von Gäste - was finden die gut?

Dass wir Leute zusammenbringen. Da treffen sich Menschen, die sich sonst nie getroffen hätten. Wir bieten seit einem Jahr eine Ladies Tour an. Da entstehen unglaubliche Gespräche, erzählt Wanderführerin Doris, die das begleitet.

Ihr setzt euch stets hohe ökologische Ansprüche. Was ist dir besonders wichtig?

Es ist eine Summe von vielen Kleinigkeiten. Im Prinzip haben wir 60 Haushalte plus einen Wellnessbereich energetisch zu versorgen. Da schaust du ständig, wie das ressourcenschonend für Umwelt und den Geldbeutel möglich ist. Die kleine Photovoltaik-Anlage vorne am Dach liefert momentan nur zwei Prozent des Stroms, aber es sind immerhin zwei Prozent. Jetzt werden wir die Größe verdreifachen. Mehr ist bei unserer Dachfläche nicht möglich. Balderschwang liegt unter den Top Ten bei den Sonnenstunden, vor allem wenn unten im Tal Nebel ist. Die meiste Energie produzieren wir im März. Es klingt zwar wie ein Tropfen auf den heißen Stein, aber auch viele Tropfen können etwas abkühlen.

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Marc Traubel an einem Waldbach
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Frühstücksbuffet im Hubertus Mountain Refugio
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Welche „Kleinigkeiten“ wirken sich noch stark aufs Klima aus?

Die Frage: Welche Temperatur fahre ich in der Sauna und im Schwimmbad. Das sind die beiden größten Energiefresser. Doch genau da hört der Komfortgedanke der Gäste oft auf. Gäste schauen bei der Urlaubsentscheidung zwar erst gern, was das Hotel alles macht, aber wie nachhaltig man dann selber anreist, steht auf einem anderen Blatt. Und da ist eben auch der Pool oft zu kalt.

Ihr seid Mitglied von Bioland, einer Wertegemeinschaft, die nach strengen Richtlinien arbeitet. Gleichzeitig seid ihr fest mit regionalen Produzent*innen vernetzt. Wie siehst du es: bio oder regional?

Bio wird kontrolliert. Es müssen Nachweise erbracht werden. Viele unserer Nachbarn machen es gut, wollen sich aber nicht zertifizieren lassen. Daher ist nur bio schwierig. Bei uns ist es eine gesunde Mischung. Die Brauereien beispielsweise sind nicht biozertifiziert aber bei uns ums Eck im Allgäu.

Ein typisches Wenn- und Aber-Thema?

Ich sage Henne und Ei-Frage dazu. Auch bei regional ist nicht immer sichergestellt, ob es für die Umwelt schonender ist. Wenn ich ein Rind vom Nachbarn kaufe, muss das zu einem Schlachthof geführt werden. Ich muss einen Kühlwagen mieten, leer hinfahren, das Tier holen. Anderes Beispiel: Für fünf Kilo Saibling aus Gunzensried muss ich eine Dreiviertelstunde hin und zurück mit dem Auto fahren, weil die nicht an große Lieferketten angeschlossen sind.

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Eine Frau im Bademantel in einer Ruheschaukel
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Ein langer gedeckter Tisch mit weißen Stühlen
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Können Hotels bei der Verbesserung von Lieferketten mithelfen?

Die Einkaufsgenossenschaft Hogast hat vor ein paar Jahren ganz kleinen Produzenten ermöglicht, über sie abzurechnen. Sie haben die ganze Fakturierung übernommen. Vielleicht schließen sich da mehr an. Fest steht: Man muss behutsam vorgehen und es muss ein Miteinander sein.

Können Hotels grundsätzlich für bessere Zukunft sorgen?

Nehmen wir die Autoindustrie als Beispiel. Viele Dinge, die in Serienproduktion gehen, werden im Rennsport erfunden. Jetzt ist der Rennsport nicht gerade eine nachhaltige Sportart. Aber die ersten Elektromotoren wurden in der Formel 1 verbaut – Energierückgewinnung durch Rekuperation, das ist heute alltäglich. Auch in Hotels finden Gäste Produkte, die sie oft noch gar nicht kennen, sie bekommen einen Überblick, was es überhaupt gibt an Biowein, Kosmetik, veganen Alternativen bis hin zu Betten.

Ihr seid also ein Showroom für Nachhaltigkeit?

Unter anderem. Wir müssen uns klar sein, niemand braucht ein Hotel zum Überleben. Aber man kann sich erden und runterkommen. Inspiration, Rückzug und Energie für den Alltag mit nach Hause nehmen.

Hubertus Mountain Refugio Allgäu - Lust auf Leben

Eine Lawine zerstörte vor einigen Jahren große Teile des Hotels. Heute zeigt sich die Kraft der Natur hier im Allgäuer Hochtal von ihrer besten Seite. Die Gastgeberfamilie Traubel macht aus dem Hubertus Mountain Resort eine richtige Wunderkammer für ganzheitliche Erholung. 

Wie hoch ist die Bereitschaft, für grünen Lifestyle und bessere Qualität Geld auszugeben?

Die Bereitschaft ist da. Wir haben das über Jahre aufgebaut.

Wie findest du Gäste, die zu dir passen?

Wir kommunizieren viel. Mit Worten und Bildern. Die Begeisterung der Gäste hilft, denn die erzählen das weiter. Es gibt aber auch Gäste, die nicht passen. Das dürfen wir so sagen. Es ist mein Elternhaus. Und es sind meine Mitarbeiter. Menschen sind eben verschieden. Es gibt Leute, die wollen gesehen werden, andere wollen sich zurückziehen, die einen wollen sich mit mir unterhalten, andere wollen einfach fünf Tage in Ruhe gelassen werden und mit gar niemanden reden. Diese Bedürfnisse rauszufinden ist schwierig, aber wir zeigen, dass Luxus nicht perfekt sein muss. Es gibt Ecken und Kanten. Der Boden wellt sich auch auf und knarzt. Unsere Zimmer haben Ecken und Kanten und eine andere technische Ausstattung als wäre das Haus auf der grünen Wiese neu gebaut. Aber sie haben Herz und Charakter. Und es gibt Mitarbeiter mit Ecken und Kanten, und das ist gut so. Deshalb passen gewisse Menschen zum einen Therapeuten im Spa, andere fühlen sich beim nächsten wohl. Man kann es nicht allen recht machen

Und wie findest du hier auf 1.044 Höhenmeter im Allgäu Mitarbeiter*innen?

Ich war unlängst in einer Sitzung. Es hieß, das Allgäu muss enkeltauglich werden. Ich habe gesagt, das Allgäu muss erstmal enkelproduzierend werden, damit es enkeltauglich werden kann. Meine Mutter hat mich mit 23 bekommen. Ich habe meinen ersten Sohn mit 33 bekommen. Da fehlt schon ein Stück. Wir müssen versuchen für Menschen, die in dieses wunderschöne Dorf kommen, ein Arbeitgeber zu sein, der fair ist, der sie nicht ausnutzt, sodass sie bleiben wollen und bleiben können. Vor einem Jahr haben wir einen Teamtag gemacht. Wir haben gesehen, dass ein Fünftel der Mitarbeiter wieder zu uns zurück gekommen ist. Ganz so deppert können wir nicht sein. Wir begegnen einander auf Augenhöhe und trinken auch mal zusammen ein Bier.

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Was ist dein Credo?

Neugierde ist, mutig zu sein, Fehler zu machen. Wenn man Fehler gemacht hat, kann man eh nichts mehr ändern, also nimm das Beste daran mit. Wir schauen neugierig in andere Branchen. Deshalb haben wir jetzt unseren Serviceroboter Balu, der auch für Diskussion sorgt. Dabei hat doch fast jeder einen Staubsaugerroboter, einen Rasenmäherroboter oder einen Poolroboter. Balu assistiert beim Abräumen. Für viele ist das dennoch zu neu. Das erinnert mich an Dubai. Dort habe ich zwei Jahre gearbeitet als ringsum gerade die irrsten Gebäude und die Palmen entstanden sind. Damals hätte ich auch nie gedacht, dass es einmal ein Handy ohne Tasten gibt. Oder Elektroautos.

Dubai – das ist so ziemlich das Gegenteil von Balderschwang… Was hast du für dich mitgenommen?

Toleranz. In dem Hotel waren um die 80 Nationen beschäftigt. Jeder hatte seine Bedürfnisse und das Wegfallen von Vorurteilen war bei mir sehr wichtig. Ich habe mit einem Pakistani zusammengewohnt, wir hatten Spaß, das war super.

Deine Vorurteile – warum?

Wenn in dem kleinen Dorf früher wer durchgelaufen ist, ist aufgefallen, woher die Person kam. Mittlerweile sehe ich nur noch, hier kommt ein Mensch.

Wir haben mit dem Rückblick auf das Jahr der Lawine begonnen. Spulen wir für das Ende des Geprächs ins Jahr 2050 vor – was glaubst du, wie sich der Tourismus weiterentwickelt?

Ich wünsche mir, dass es immer noch auf die zwischenmenschlichen Kontakte ankommt. Dass wir nicht wie im Film Wall-E als dicke Menschen in Wägen umherrollen. Ich wünsche mir, dass die Werte der körperlichen Nähe gepflegt werden, denn oft sehe ich, dass Gäste beim gemeinsamen Abendessen ins Handy starren. Ich möchte es mit Menschen zu tun haben, nicht mit einer Blechkiste. Bis 2050 sollten wir gelernt haben, unsere Ressourcen und Technologien noch sinnvoller einzusetzen, um den Planeten zu retten oder zumindest enkeltauglich machen. Die Erde braucht uns nicht. Aber wir brauchen die Erde.

Visionär*innen