
Als Jasmin und Michael nach Jahren im Ausland nach Hause kommen, verpassen sie dem Regitnig mit seiner mehr als 100-jährigen Geschichte einen Schubs ins Hier und Jetzt. Mit modernen Chalets und einem See-Spa samt Wohnzimmer investieren sie nachhaltig in die Zukunft des Familienbetriebs.
Jasmin träumte schon als Kind von einem eigenen Hotel. Michael ist in einem aufgewachsen. Gemeinsam führen sie nun in fünfter Generation das Regitnig Hotel & Chalets und bringen mit einem ausgewogenen Mix aus Kreativität, Mut und Beständigkeit frischen Wind an den Weissensee.
Näher am See geht nicht. Wir sitzen gerade an eurem Lieblingsplatz – warum hier?
Jasmin: Wir sind im alten Bootshaus über dem See. Hier haben wir das neue See-Wohnzimmer gebaut als Platz, wo man auch ohne Wellnessgedanken gemütlich liegen und sitzen kann.
Michael: Jetzt im Winter liest man ein Buch, schaut durchs Panoramafenster aufs Eis, im Sommer kommen die Enten und die Fische ganz nah.
Spätestens seit James Bond am Weissensee gedreht wurde, zieht die Gegend Touristen magnetisch an. Gleichzeitig wurde die ganze Region um den Weissensee zum Naturpark erklärt und trägt den Titel Klimabündnisgemeinde. Wie wichtig ist euch das?
Jasmin: Die Natur ist definitiv der Hauptbuchungsgrund der Gäste. Unser Haus ist um 10 Uhr so gut wie leer. Alle sind draußen unterwegs. Das Bedürfnis nach so speziellen Flecken wird größer. Leute suchen Orte, wo sie zur Ruhe kommen, für sich sein können. Wer den Haupturlaub hier verbringt, kommt total runter, kann Mensch sein.
Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Michael: Immer neue! Bei uns im Haus steigt ja jedes Jahr die Organisation der Meisterschaften im Eisschnelllauf am Weissensee ab. Die wollen zum nachhaltigsten Event weltweit werden. Heuer waren schon Mitarbeiter einer Universität dabei, die alles mögliche messen und tracken. Und die fragen dann auch bei uns nach, wie wir das zum Beispiel mit dem Essen machen. Für Events ist Nachhaltigkeit ein großes Thema, darauf müssen wir uns als Hotellerie einstellen.
Wann gab es einen Change im Hause Regitnig?
Jasmin: Als wir zwei nach Hause gekommen sind. Das Regitnig war immer gut geführt, aber eben für die Generation der Schwiegereltern. Wir wollen unsere Handschrift hinterlassen. Es muss für die heutige Zeit passen und für die Gäste von heute. Das heißt, Gäste sollen spüren, dass es sich um ein Haus mit mehr als 100 Jahren Geschichte handelt, dass es ein beständiges Haus ist. Aber es sollte sich nicht altbacken anfühlen. Da hat es noch einen Schubs gebraucht.


Dann habt ihr die Chalets gebaut.
Jasmin: Genau. Der erste große Schritt war die Eröffnung des A-la-carte-Restaurants. Da kann Michael die regionale Küche mit seinen Erfahrungen, die er auf der ganzen Welt gemacht hat, verbinden. Dann haben wir uns gefragt, was wir mit dem schönen Platz neben dem Hotel machen. Der Ausblick ist perfekt. Unser Wunsch waren Chalets als neue Form der Unterbringung am Weissensee, damit wir niemand anderen etwas wegnehmen. Es sollte eine Ergänzung für die Region sein und neue Menschen an den See bringen. Uns war wichtig, den Naturpark in den Raum reinzuholen. Dafür haben wir Stefan Thalmann, einen Architekten hier aus dem Drautal beauftragt. Und der erste Entwurf hat gleich gepasst. Er kennt den Weissensee gut und weiß, dass die Einheimischen ein bisschen anders ticken. Neues muss mit der Umgebung harmonieren und irgendwann eine perfekte Symbiose ergeben.
Warum ticken die Einheimischen anders?
Michael: Bei einem neuen Projekt ist den Menschen hier die natürliche Bauweise wichtig, dass es zum Ortsbild passt, dass Holz verwendet wird und Beton weitgehend draußen bleibt. Dem Architekten war sogar wichtig, dass das Holz direkt aus dem Drautal kommt. Es ist nicht behandelt - wenn du drüberfährst spürst du, dass die Oberfläche nur geschliffen ist. Das bedeutet, draußen wird es abwittern, und das passt auch gut hierher. Wir wissen auch heute schon, dass wir die Schrauben in zehn Jahren wieder anziehen müssen, aber wir wollten die Bretter nicht ankleben. Es gibt einfach zu viele Tierchen, die da draußen an den Chalets leben.
Auch die Handwerker sind aus der Region…
Michael: Ja, die sind alle von hier. Uns ist wichtig, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Das Obere Drautal ist ja nicht unbedingt der Nabel der Welt. Es ist schön, wenn es das Handwerk gibt und ganze Familien auch davon leben können. Nur mit genügend Aufträgen können die Betriebe das Nachwuchsproblem, das wir alle spüren, in den Griff bekommen. Als Hotellerie können wir da mithelfen und darauf schauen, dass das Handwerk attraktiv bleibt.
Auf der Regitnig-Webseite steht: Sei du die Veränderung, die du dir wünscht in dieser Welt. Was wünscht ihr euch?
Michael: Wir wünschen uns, dass sich unsere Gesellschaft nicht so sehr vom Wir zum Ich hin entwickelt. Wir wünschen uns, dass man nicht immer andere verantwortlich macht für das, was man tut. Veränderung beginnt bei einem selbst. Jeder kann das Licht ausmachen beim Rausgehen oder den Duschhahn beim Einseifen abdrehen. Wir wünschen uns, dass mehr Menschen diese Achtsamkeit an Kinder weitergeben.
Jasmin: Wenn man etwas vorlebt, kommt viel ins Rollen. Als ich ein Jahr in Argentinien war, hat meine Gastfamilie gar nichts von all dem gemacht, was bei uns immer selbstverständlich war. Erst durch mein Verhalten haben sie darüber nachgedacht.
Aber mit den Gästen könnt ihr nicht duschen gehen…
Jasmin: Das nicht. Aber man kann Gäste aktiv informieren, wo sie etwas beitragen können. Entweder sie machen mit oder sie lesen sich Gedanken durch, die wir in der Morgenpost mitteilen und nehmen so Möglichkeiten wahr. Gerade für Chaletgäste scheint Vieles schon gelernt. Wir wechseln Handtücher nur, wenn die Gäste sie in die Box vor der Tür legen und auch neue Bettwäsche gibt es nur auf Nachfrage.
Ihr sagt, ihr lernt von den Bedürfnissen der Gäste - was lernt ihr gerade?
Michael: Gäste legen viel mehr Wert aufs Essen. Es zählt nicht mehr die große Portion am Teller, sondern die Qualität. Oft kommt die Frage, woher die Produkte kommen. Wir lassen gerade neue Kärtchen drucken, die das beim Frühstück klar zu kennzeichnen. Marmeladen, Müsli, Kuchen, Kompotte und Aufstriche sind bei uns immer hausgemacht. Der Bauernhof, der uns mit Milch, Butter und Topfen beliefert, ist gleich gegenüber am anderen Ufer des Weissensees.


Glaubt ihr, dass Hotels zu einer besseren Zukunft beitragen können?
Jasmin: Die Wahrheit ist: gewisse Ressourcen verbrauchen Hotels einfach, weil Gäste sich natürlich Dinge wie warmes Wasser erwarten. Wir denken sogar über einen Pool nach, obwohl wir den schönen Weissensee vor der Tür haben. Es liegt an uns, das möglichst umweltschonend hinzukriegen. Entscheidend ist der regionale Impact. In der kalten Saison sorgt ein Pool nachweislich für Buchungen und sichere Jobs. Was Hotels noch zur sicheren Zukunft beitragen können, ist, Achtsamkeit vermitteln. Nicht oberlehrerhaft, aber so, dass Gäste gern mitmachen und sich am besten auch Anregungen mitnehmen. Wir animieren zum zu Fuß gehen und zum Rad fahren. Ganz oft bleibt das Auto einfach zwei Wochen lang stehen.
Ihr fährt selber gern mit dem Mountainbike. Wie helft ihr Gästen, wieder zurück zur Natur zu finden?
Jasmin: Früher haben wir mehr Wanderungen in Gruppen gemacht und Mountainbiketouren. Gäste haben sich gefunden und gemeinsam teilgenommen. Das ist nicht mehr so. Heute will niemand mehr getrieben sein von fixen Terminen. Sie planen Aktivitäten dann, wenn sie Lust haben, das Wetter und das Rundherum passt. Wir strengen uns bei der Beratung und den Tipps für individuelle Touren, umso mehr an. Jedem wird das angeboten, was passt.
Was tun, damit das Auto gar nicht erst mitkommt?
Michael: Die grüne Anreise klappt schon sehr gut am Weissensee. Fast alle Hotels machen bei der Weissensee Premiumcard mit und zahlen in einen Topf ein, der die Mobilität organisiert. Wer mit dem Zug kommt, wird vom Bahnhof Greifenburg mit dem Shuttle abgeholt und kostenlos ins Hotel gebracht. Vor Ort können Gäste den Naturparkbus nehmen, der regelmäßig die Orte um den See verbindet, die Linienbusse in die umliegende Region sind dabei, im Sommer auch die Schifffahrt und die Bergbahnen und einen gemeinsamen Wanderbus gibt es auch. Da braucht man wirklich kein eigenes Auto im Urlaub. Außerdem gibt es auch Fred, ein Carsharing für E-Autos in unserer Region.
Jasmin, du bist die Kreative im Haus Regitnig. Wo inspirierst du dich?
Jasmin: Wir fahren viel in Österreichische Hotels und nach Südtirol. Inspirierend kann die Architektur sein, die Möbel, aber auch Kleinigkeiten, wie ein Post-it mit einem netten Spruch am Kosmetikspiegel. Da habe ich mich jeden Tag gefreut zu lesen, was wieder draufsteht. Kurz gesagt: Was mir guttut, tut auch unseren Gästen gut.
Deshalb steht auch auf euren Servietten: Nimm dir Zeit für Dinge, die dich glücklich machen. Was macht dich glücklich?
Jasmin: Durchschlafen. Deshalb sind mir die Matratzen im Haus so wichtig. Und auch die Ruhe, dass wir hier bei offenem Fenster schlafen können und es ist komplett still.
Nehmen wir an, du bist Hellseherin - wohin entwickelt sich der Tourismus bis 2050?
Jasmin: Das ist gerade voll mein Thema, weil wir in der Weiterentwicklung stecken. Wenn wir heute etwas bauen, sollen wir auch in 30 Jahren noch damit arbeiten können. Diese Art von Nachhaltigkeit ist mir wichtig. Deshalb setze ich mich auch jetzt schon mit Fragen auseinander, wie: Brauchen wir Technik für Service-Roboter? Eigentlich spooky und crazy! Die Antwort? Ich weiß es nicht… Es kann auch in die komplett andere Richtung gehen. Wenn alles Hightech ist, gehen Hotels voll zurück zur Natur.
Ich denke, dein Bauchgefühl als neues Change Maker Hotel Mitglied gibt die Richtung vor…
Jasmin: Ich bin mir sicher, dass alles Künftige mit sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit zu tun hat. Man merkt schon jetzt bei den Jungen, dass so viel von allem da ist, dass sie von der Schnelllebigkeit überfordert sind und sie Plätze zum Runterkommen brauchen. Sie legen sogar öfter das Handy weg und posten nicht mehr ständig auf Instagram. Aber, um diese Beobachtungen auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen, werden wir bei der Planung eine Fachhochschule dazu nehmen. Damit wir auch einen Blick von außen bekommen. Wir müssen und wollen uns mit der Zukunft auseinandersetzen.
Wenn du eine Antwort gefunden hast, lass die Change Maker Community davon wissen!
Jasmin & Michael: Auf jeden Fall!