Change Maker Hotel Weihrerhof Oberbozen Suedtirol Manuela Klaus Pichler
Robert Kropf
Oberbozen

Manuela und Klaus Pichler –
Hotel Weihrerhof

Interview • Locationtipps

Warum Klaus und Manuela Pichler Nachhaltigkeit als Schulfach fordern, wie sie das Leben ihrer Gäste vereinfachen und wo sie im Hotel am meisten Ressourcen sparen, liest du im Interview mit den beiden Eigentümern des Weihrerhof in Oberbozen, Südtirol.

Robert Kropf
17. Januar 2024

Seit 2005 führen die Manuela und Klaus Pichler das Hotel Weihrerhof im Teamplay. Klaus ist ein Gasthauskind und im Hotel der Eltern aufgewachsen. Manuela war früher Bilanzbuchhalterin. Er ist der Mann der Ideen und Visionen. Sie die Frau, die die Zahlen im Griff hat.

Seit Jahren beschäftigen sich die beiden Gastgeber intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit im eigenen Umfeld und werden in ihrem Tun immer konsequenter. Sie sind sich sicher, dass der Umgang mit den Ressourcen der Natur eine klare Planung mit Zahlen, Fakten und Zielen braucht.

Wir sitzen hier im Bootshaus am See. Warum ist das euer Lieblingsplatz?

Manuela: Ich komme hier rasch zur Ruhe. Ich fühle mich im Bootshaus geborgen. Wie in einem Cocoon.

Klaus: Das ist bei mir auch so. Im Bootshaus spüre ich den See am besten.

Wie ist die Idee zum Bootshaus mit den Loungemöbeln und dem Seeblick entstanden?

Klaus: Wir wollten den See zu jeder Jahres- und Tageszeit spürbar machen. Früher war das anders, da waren wir ein Gasthaus. Da ging es um Schnitzel und große Portionen auf dem Teller. Der Außenbereich war nicht so wichtig.

Manuela: Mein Wunsch war es, dass der See nicht zur zum Schwimmen und für die Sauna da ist, sondern wir einen besonderen Platz haben für ein gutes Buch, einen Aperitif, einen Absacker. Für ein Gespräch mit den Menschen, die man gerne hat.

Hotel Weihrerhof – Urlaub fürs Ich am Bergsee

Der Weihrerhof liegt idyllisch am Wolfsgrubner Bergsee in Oberbozen. Dort setzen Manuela und Klaus Pichler voll auf die Natur und gleichzeitig auf glasklar messbare Nachhaltigkeitsziele. Warum die Schonung von Ressourcen kein Schamanenwissen ist, und was das alles mit den 40 Blackboxes im Kuhstall zu tun hat, liest du hier. 

Der Weihrerhof war ja nicht immer ein Hotel....

Klaus: 1967 haben die Eltern auf der grünen Wiese begonnen. Meine Mutter ist in ärmlichsten ländlichen Verhältnissen aufgewachsen. Damals hat der Tourismus angefangen. Der Traum von beiden war es, ein Gasthaus zu starten. Zur Hochzeit haben sie das Grundstück als Mitgift bekommen. Sie starteten mit dem Gasthaus und einigen Zimmern. Meine Mutter war die treibende Kraft in allen Dingen, mein Vater der Stratege.

Wie ist das bei euch beiden verteilt?

Klaus: Ziemlich gleich. Ich bin mehr der für die großen Pläne, und Manuela ist Herz und Seele, zuständig fürs Detail, für die Umsetzung. Bei mir ist oft bei 80 Prozent Schluss, bei Manuela geht’s unter 100 Prozent nicht. Es ist wichtig, das zu wissen und zu akzeptieren. Sonst wird es sehr schwierig.

Manuela: 2005 haben wir mit 25 und 26 Jahren übernommen und den großen Umbau begonnen. Wir waren sehr jung und sicher auch naiv. Sonst hätten wir uns gar nicht herangewagt. Der jugendliche Leichtsinn hat uns viel geholfen. Das war im Nachhinein das größte Glück.

Was war damals eure Vision für den Weihrerhof?

Klaus: Der Grundgedanke war immer: Das Hotel so zu machen, dass wir selber gerne darin Urlaub machen würden. Dass wir nicht nur nach unternehmerischen Grundsätzen handeln. In unserem Nachhaltigkeitsbericht steht auch: Wachsen heißt für uns, persönlich zu wachsen, nicht nur nach betrieblichen Kennzahlen.

Manuela: Wir wollten einen Ort schaffen, an dem wir uns als Gastgeber wohlfühlen, und wo wir uns nicht nur nach den Trends am Markt richten.

Wo steht ihr heute?

Manuela: Das Nachhaltigkeitskonzept, das wir in den letzten Jahren entwickelt haben, ist eine Wertehaltung von Klaus und mir. Diese zu entwickeln und Gäste zu finden, die das wertschätzen, das ist das Ziel. Wir sagen oft: Wir brauchen nicht jeden Gast, und es ist auch gut, wenn das Haus nicht gebrochen voll ist. Wir möchten Menschen da haben, die die Natur wertschätzen, das Essen, die Ruhe, den Respekt. Die – wie wir – den Blick auf die nächsten Generationen haben.

Klaus: Dinge so zu belassen, wie sie sind. Weniger ist mehr. Nicht ständig unterhalten werden, mich mit mir auseinandersetzen, mit meinem Partner, meiner Partnerin, mit meiner Familie. Wir beide glauben auch, dass es eine Nostalgiereise zurück zu unserer Kindheit ist. Damals hatten wir wenig. Jetzt haben wir mehr, aber dieses Mehr gibt uns nicht automatisch mehr Befriedigung.

Mit der bewussten Reduktion traut ihr den Gästen sehr viel zu. Wie reagieren sie darauf?

Manuela: Sehr gut. 95 Prozent der Gäste, die bei uns landen, merken, dass sie den ganzen Luxus nicht mehr brauchen. Sie brauchen bei uns keinen Hummer. Produkte sind austauschbar. Wir nehmen den Gästen Entscheidungen ab. Wir machen das Leben leichter für sie. Daüber sind sie froh. Es sind Urlauber*innen mit einer klaren Wertehaltung.

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Welche Werte treiben euch voran?

Manuela: Bodenständigkeit, Ehrlichkeit, authentisch sein, Wertschätzung.

Klaus: Respekt ist der Grundsatz. Wie können wir mit Mitmenschen und allem herum gut umgehen? Den Gästen gegenüber können wir die Bühne bieten. Aber für die Zufriedenheit ist jeder Gast selbst zuständig.

Einer der Schritte ist auch, weniger Fleisch zu servieren. Was meinen die Gäste zum vegetarischen Angebot?

Klaus: Auch das wurde super angenommen. Neue Gäste akzeptieren das leichter als Stammgäste. Wichtig ist, immer zu erklären, warum wir mehr pflanzenbasierte Gerichte anbieten. Das verstehen sie. Viele sagen, jetzt kommen wir wieder auf einen besonderen, einfacheren Weg. Weglassen ist die neue Freude, und der neue Spaß. Nicht Verzicht.

Manuela: Viele Gäste kommen schon mit dem Wissen und der Erfahrung, neue Essgewohnheiten zu haben. Das ergänzt sich mit unserer Speisekarte ganz gut.

Wo hat der Change für euch begonnen?

Manuela: Ganz klar mit den Kindern. (13 und 6, Anm. der Red.) Das war der Knackpunkt. Die Pandemie hat das „Weniger ist mehr“ nochmals total verstärkt.

Klaus: Mit den Kindern ist die Natur in mein Leben zurückgekehrt. Wir waren wieder mehr draußen, haben weniger gearbeitet.

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Was war der größte Change?

Manuela: Die Pandemie. Wir hatten sehr viel Zeit zum Nachdenken. Sehr losgelöst von allem, abgeschottet. Wir konnten uns aus dem Strudel das Alltags ziehen. Von nichts abgelenkt, konnten wir uns klare Gedanken machen.

Klaus: Die Pandemie hat uns total in die Gegenwart gerückt. Ins Hier und Jetzt verankert. Keine Gäste, kein Plan. Eine total neue Erfahrung. Als Unternehmer bist du ja immer in der Zukunft unterwegs, mindestens zwei Jahre voraus.

Seit zwei Jahren arbeitet ihr sehr intensiv an eurer Nachhaltigkeit. Was ist das größte Learning bis dato?

Klaus: Nachhaltigkeit braucht viel Struktur. Du brauchst einen Plan. Du brauchst klare Ziele, die du mit Zahlen definierst. Und die du ständig überprüfen kannst. Also nicht nur Bauchgefühl, sondern ganz viel Hirn und Zahlen. Nachhaltigkeit ist kein Schamanen-Wissen.

Gib uns ein Beispiel!

Klaus: Wenn ich weiß, dass ich pro Gast 300 Liter Wasser brauche, kann ich überlegen, wie ich den Verbrauch ohne Qualitätsverlust für den Gast auf 270 Liter reduziere. Anderes Beispiel: Früher haben wir pro Signature Treatment im Spa neun Handtücher verbraucht. Heute machen wir das mit drei Handtücher. Der Gast merkt dabei keinen Unterschied.

Wie sehr haben euch Zertifizierungen auf diesem Weg geholfen?

Klaus: Sehr, weil du dich mit dir selbst beschäftigen musst. Mir waren davor viele Dinge nicht klar: Etwa, dass ich miteinberechnen muss, wie viel CO2 meine Mitarbeiter bei der An- und Abreise zum Hotel verbrauchen. Heute monitoren wir auch alle Warenlieferungen. Wer kommt wie oft vorbei? Wie viele Kilometer werden gefahren? Eine gute Zertifizierung hilft dir dabei, diese Zahlen im ersten Schritt überhaupt zu sehen und danach auch gut zu ordnen und zu überprüfen.

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Ihr sagt auch, ein Hotel kann nie ganz nachhaltig sein. Wie meint ihr das?

Der Luxus, den der Gast zu Hause hat, ist der Mindeststandard für ein Hotel. Da müssen wir klar drüber, sonst kann der Gast gleich zu Hause bleiben. Zum Urlaub gehört also Dienstleistung. Und diese Dienstleistung erzeugt CO2. Wir müssen uns anstrengen, diesen Impact so klein wie möglich zu halten und so schlau vorzugehen, um die Ressourcen so gut wie möglich zu schonen. Optimieren, wo du kannst. Ohne den Gast auf der Strecke zu verlieren.

Sieht der Gast diese Bemühungen im Hotel?

Klaus: Ich würde sagen, 80 Prozent davon nimmt er nicht einmal wahr. Aber wir reden im Hotel viel darüber und erklären unseren Gästen unsere Schritte. Das ist enorm wichtig.

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Hotel Weihrerhof

Was ist euch wichtiger: Bio oder regional?

Klaus: Regional. Ganz klar. Weil es die kleinen Kreisläufe unterstützt. Uns Menschen, die Bauern in der Region. Wir haben zu ihnen Kontakt.  Die können nicht weglaufen, wenn wir mit ihnen reden. Da haben wir mehr Durchblick. Aber ganz wichtig: Ein Scheißprodukt aus der Region bleibt ein Scheißprodukt.

Wo liegen in der Regionalität Chancen, aber auch Probleme?

Ein großer Wunsch von uns ist, dass sich die Bauernhöfe unserer Region besser vernetzen. Wenn jeder mit seinen fünf Litern Milch und 30 Eiern vorbeikommt, ist das super, aber für uns logistisch nicht umsetzbar. Die Vernetzung würde auch  mehr CO2 sparen. Kommt ein Sammel-Lieferant einmal die Woche mit Produkten von zehn bis 20 Bauern, spart das sehr sehr viel CO2 bei der Lieferung.

Was nervt euch beim Thema Nachhaltigkeit?

Das es so aussieht, als wäre alles mit wenig Aufwand in kurzer Zeit machbar. Dabei gibt’s keine einfachen Lösungen. Ein Problem ist auch, dass von den Hoteliers und Medien die infantile Story erzählt wird, jedes Ei kommt handgestreichelt vom Bauern nebenan. Oder wenn man von 100-Zimmer-Hotels hört, die mit Kräutern aus dem eigenen Garten arbeiten. Das geht sich nicht aus. Das ist leider in 99,9 Prozent Greenwashing.

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Wie werden eure Kinder in 10 bis 15 Jahre eure jetzigen Initiativen bewerten?

Klaus: Die Next Generation und Fridays for Future sagen ja jetzt schon, dass wir mehr hätten machen können. Hoffentlich sagen unsere Kids einmal, dass wir uns ausreichend mit der Natur, dem Klima, den Menschen und den Ressource auseinandersetzen.

Euer Tipp an die Last Generation?

Manuela: Das zu viel gegessene Fleisch unserer Generation ist das Handy der jungen Generation. Seid euch bewusst, dass Smartphone, Streaming, Internet und Co Millionen Tonnen CO2 erzeugt.

Euer Wunsch an die Zukunft?

Manuela: Das es in den Schulen, aber auch in den Betrieben ein neues Pflichtfach mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umwelt-Ethik gibt. Wir im Hotel müssen gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitskurse, Erste-Hilfe-Kurse, Brandschutzkurse und Datenschutzkurse durchführen. Kein Gesetzgeber verlangt, dass wir unsere Mitarbeiter*innen im Umgang mit unseren Ressourcen schulen. Dabei braucht gerade das Klima und die Natur ganz dringend Erste Hilfe.

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