Change Maker Hotel Molzbachhof Nina Peter Pichler
Foto: Michael Reidinger
Kirchberg am Wechsel

Nina und Peter Pichler –

Naturhotel Molzbachhof

Interview • Locationtipps

Nina und Peter Pichler sind nach Jahren im Ausland ins Wechselland zurückgekehrt. Die jungen Chefs im Naturhotel Molzbachhof erzählen uns, warum man es nicht allen recht machen kann, wie ein beheizter Außenpool nachhaltig sein kann und wieso Holz der bessere Baustoff ist.

Karin Wasner
16. Mai 2023

Habt ihr einen Lieblingsplatz im Molzbachhof?

Peter: Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber bei mir ist das die Küche. Wenn mich was aufregt, geh ich arbeiten. Einfach nur tun, nicht reden. Kochen erdet und entspannt mich.

Du bist seit kurzem Mitglied der JRE (Jeunes Restaurateurs), einer internationalen Vereinigung kreativer Küchenchefs – eine Auszeichnung! Worum geht’s bei deinem „Cook the Gart‘l“ Konzept?

Peter: Nina und ich haben beide lange im Ausland gearbeitet und dort viel gesehen und gelernt. „Cook“ ist das internationale, das über den Tellerrand schauen, die Inspiration, der weite Horizont. Und das „Gartl“ ist die Heimat, die Region, unsere Garten, aber auch die Gärten rundherum, die Gärten und Felder unserer Produzenten.

Molzbachhof – Auszeit bei den Naturtalenten

Das Naturhotel wurde um einen Paradiesgarten herum geplant, im Vollholzzubau steckt kein einziger Nagel, der Molzbachhof im Wechselland ist energieautark. So geht Familie Pichler mit Ressourcen um, damit sie für viele Generationen reichen.

Ihr setzt also in der Küche auf Regionalität?

Peter: Absolut und ausschließlich. Im Sommer ernten wir in unserem Garten an die 100 unterschiedlichen Kräuter. Fisch und Fleisch, Milchprodukte und natürlich Gemüse – alles kommt aus der Region. Ich kenne jeden Produzenten und weiß, wie er oder sie arbeiten. Die Milch holen wir wie früher jeden Morgen in der 20-Liter Kanne vom Bauernhof gleich gegenüber.

Dann gilt für euch regional vor bio?

Peter: Viele Produkte sind auch bio, aber uns ist tatsächlich wichtiger, wer sie wie macht als ein Zertifikat. Wir haben viel drüber nachgedacht. Ein Beispiel: Vom Schurl bekomme ich Fische. Die leben ein paar Minuten den Molzbach hinauf in einem Teich, in den 1000 Stück reinpassen würden. Er hat nur 300. Den ganzen Tag rinnt frisches Bachwasser durch. Soll ich den jetzt nerven, eine Bio-Zertifizierung zu machen? Oder die kleine Bäuerin, die mir jeden Tag den frischen Schnittlauch bringt? Am Ende des Weges bestelle ich dann womöglich Bio-Schnittlauch aus Israel.

Ihr mahlt sogar euer Mehl selbst?

Vor dreißig Jahren hat mein Vater eine alte Mühle restauriert. Dafür wurde ein Mühlrad extra angefertigt. Er mahlt unser Mehl für das Brot selbst, und einmal die Woche bäckt er Brot im alten Holzofen.

Mit dem „Gaumenkitzel“ betreibt ihr ein Gourmetrestaurant mit 3 Hauben mitten in den Wiener Alpen. Kann das nachhaltig, saisonal und regional überhaupt funktionieren?

Ich brauche keinen Hummer oder Miesmuscheln, um gehobene Küche zu machen. Wir sind Qualitätsfanatiker. Die besten Produkte wachsen in unserem Garten – seltene Gemüsesorten, Kräuter, Beeren. Fleisch kommt bei uns als ganzes Tier an und hat Zeit zu reifen. Mein Vater und der örtliche Fleischhauer verarbeiten das im Keller selbst, machen Würste, räuchern und selchen. Mittags in unserer Wirtshausküche gibt’s dann Gulasch und Beuschl, anders funktioniert Nose-to-Tail nicht.

Gab es auch Zweifler oder kritische Stimmen?

Peter: Die gibt es immer. Manchmal kommen Meldungen wie: „Zu euch kann ich ja jetzt nicht mehr essen kommen.“ „Brauch ich da jetzt eine Krawatte?“ Aber die lade ich dann freundlich ein. Manche kommen dann – und einige sogar immer wieder.

Nina: Wir sind absolut nicht abgehoben. Im Wirtshaus steht noch die alte, hölzerne Schank. Zu uns kommen ganz viele Einheimische a la Carte Mittag- und Abendessen. Im Gaumenkitzel sorgen wir mit viel Enthusiasmus dann halt dreimal die Woche für Außergewöhnliches.

Und Blutwurstpralinen, Forelle confiert in Kamillentee, Cremeeis von Knollensellerie mit Rhabarber und Zitrone aus dem eigenen Gewächshaus im Gaumenkitzel?

Genau! Das Überraschende, das Besondere im Einfachen, das taugt mir, das ist für mich große Küche und nicht irgendein Chichi, das wer weiß woher kommt.

Image
Zwei Zitronenbäumchen in Töpfen in einem hölzernen Gewächshaus
c Karin Wasner
Image
Gericht im Restaurant Gaumenkitzel
c Karin Wasner

Ihr verzichtet bewusst auf ein Buffet. Suppe und Salat zu Mittag werden serviert. Ist das nicht gerade bei der heutigen Personalthematik eine Herausforderung?

Nina: Klar wäre es einfacher, alles nur hinzustellen. Aber wir machen es uns nicht einfach.

Peter: Bei Buffets wird jeden Tag soviel weggeschmissen, das wollen wir vermeiden. Jeder bestellt, was er möchte und das kommt frisch auf den Tisch!

Dabei hättet ihr ja sogar eigene Hühner, die Abfälle verwerten...?

Peter: Die bekommen aber bei uns nur frische Gemüse- und Salatreste.

Nina: Wir haben auch einen Kompost. Mit Humus und Eierschalen werden dann unsere Beete gedüngt.

Dein Vater Peter sen. stand 1975 mit einer der ersten Solaranlagen sogar in der Zeitung. Waren schon deine Eltern Change-Maker?

Mein Vater war immer schon ein Vorreiter. Ihn hat interessiert, Ressourcen zu sparen und etwas Neues zu machen. Über ihn hat man im Ort oft genug den Kopf geschüttelt.

Ihr seid die dritte Generation hier, gestartet haben deine Großeltern mit einem Gasthaus mit ein paar Fremdenzimmern. War Nachhaltigkeit schon immer ein Thema in deiner Familie?

Wie man früher gelebt hat, war ja nachhaltig. Man hat nichts verschwendet, einen eigenen Kompost gehabt. Regionale Säfte und Produkte, das war ganz normal, da hat man nicht mal drüber geredet. Da gab es auch noch keine Äpfel aus Südafrika, die billiger waren, als die aus Nachbars Garten.

Image
Schlafzimmer aus Holz mit zwei Doppelbetten
c Karin Wasner
Image
Molzbachhof: Blick auf Pool und Holzhaus
c Heldentheater

Sonnenenergie war nur der Anfang. Heute schreibt ihr euch Energieautarkie auf die Fahnen, wie geht das?

Peter: Wir haben eine PV-Anlage (Photovoltaik, Anm.) und eine Solaranlage. Und wir haben vor sieben Jahren eine eigene Ökostromanlage gebaut, eine der ersten Österreichs.

Wie funktioniert das genau?

Aus Hackschnitzel wird Holzgas erzeugt und das treibt einen Motor an, der Strom erzeugt. Und die Abwärme dieses Prozesses heizt das gesamte Hotel, den Pool und noch eine ganze nahegelegene Schule.

Ist Holz verbrennen wirklich so ökologisch?

Die Verbrennung ist so gut wie CO2-neutral, es wird nur so viel Kohlendioxid freigesetzt, wie die Pflanzen während ihres Wachstums gebunden haben. Das Holz kommt aus der Region, die Bauern, die ihre Bäume umschneiden, bringen die Stämme ins Sägewerk und den Rest können sie noch uns verkaufen. Die Asche holen sie sich wieder und streuen sie als natürlichen Dünger aufs Feld.

Wo wird bei euch der Change besonders sichtbar?

Nina: Spürbar wird er hoffentlich im Holzhotel Holzbach.

Hier bekommst du jede Menge achtsame Tipps für Reisen –
und ein gutes Gefühl für deinen nächsten Urlaub. 

Melde dich zum Good News-Letter der change maker Hotels an!

Gutes Stichwort. Holzbach heißt euer moderner Zubau – heute eines der ersten Vollholzhotels mit der Thoma Mondholz100 Methode. Was genau ist das?

Peter: Ich sag dir, was es keinesfalls ist: Leim, Metall oder Chemie. Statt mit Nägeln oder Schrauben werden mit großen Holzdübeln massive Vollholzelemente geschaffen für Wände und Boden.

Nina: Kein Zement, kein Beton. Nur 100 Prozent heimisches Nadelholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Und das wird im Winter und zur richtigen Mondphase geschlägert und hat Zeit, langsam zu trocknen.

Und was kann das?

Peter: Holz ist ein natürlicher, nachwachsender Rohstoff. Auch gefälltes Holz speichert CO2, bis zu 100 Jahre lang. Holz lässt sich einfach recyceln oder energiesparender rückbauen – ganz anders als Stahl oder Beton. Das betrifft uns sicher nicht und unsere Kinder wahrscheinlich auch nicht, aber vielleicht nachfolgende Generationen.

Nina: Holz hat eine gesundheitsfördernde Wirkung, Luftqualität und Raumklima sind im Holz besser. Tief schlafen und entspannt aufwachen, das merkt man einfach!

Natürliche Materialien sind nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Innenausstattung im Einsatz, oder täuscht der Eindruck?

Nina: Wir suchen jeden Boden und alle Materialien selber aus und überlegen uns, wie wir die Zimmer gestalten wollen.

Peter: Wenn ich durchs Hotel gehe, kann ich mich mit allem identifizieren und weiß, warum ich es so gemacht hab und nicht anders. Und wir wissen genau, welcher Handwerker was gemacht hat.

Image
Foto: Michael Reidinger

Regionalität also auch bei der Manpower und Womanpower?

Peter: Wir haben alle Umbauten mit regionalen Firmen gemacht. Die Tischler aus der Gegend, rufen uns schon an, wenn irgendwo ein alter Stadel oder ein Haus weggerissen wird und fragen, ob wir nicht etwas brauchen können.

Nina: Auch bei den Textilien im Innendesign setzen wir auf Naturmaterialien wie Loden oder Filz.

Was macht euch sonst noch zum „Naturhotel“?

Nina: Natur, Garten, Pflanzen, das spielt bei uns einfach eine riesengroße Rolle. Wir haben das Hotel ja quasi um den Garten herum gebaut.

Peter: Wir wollten nichts wegreißen, was es schon gab, möglichst viel weiternutzen, möglichst wenig Boden neu versiegeln. Wir machen langsam. Schritt für Schritt. Und mit viel Hirnschmalz. Wir überlegen, was wir brauchen und wie wir es am ressourcenschonendsten bekommen können.

 

Viele Hotels wachsen und wachsen. Dort ein neuer Zimmer-Trakt, ein größerer Pool...? Was habt ihr noch vor?

Peter: Wir wollen nicht mehr größer werden. Wir sind Qualitätsfanatiker. Und die Qualität ist eine andere, wenn es überschaubar bleibt.

Nina: Wir wollen den Bezug zu unseren Gästen behalten. Wir sind ein Familienbetrieb, wir leben hier, das ist unser Zuhause, unsere Kinder wachsen hier auf. Man sagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Wir haben dafür ein ganzes Hotel.

Visionär*innen