Fuchsegg Gastgeberin Carmen Can
Fuchsegg
Egg

Carmen Can - Fuchsegg Eco Lodge

Interview • Locationtipps

Von der systemischen Coachin zur Hoteliere – Carmen Can reizt mit ihrer Familie in einem Miniort im Bregenzerwald das Konzept des Hotelmachens aus. Warum sie für den Bau der Fuchsegg Eco Lodge erst Häuser vermessen und Gräsersamen trocknen ließ und wieso wir eigentlich niemals "Hotel" dazu sagen sollen, erklärt sie uns im Change Maker Hotels Interview.

 

Petra Percher
22. Mai 2023

Wir sitzen hier an einem langen Tisch mitten im Bregenzerwald im oberen Stock des Gasthauses der Fuchsegg Eco Lodge. Der Raum ist groß und hell. Es gibt eine Küche und Sofas. Warum hast du dir die Lounge bei den Meetingräumen für das Gespräch ausgesucht?

Die hohen Räume geben Inspiration zum Denken, genauso wie der Blick in die Natur, zum Wald, zum Pool. Hier habe ich den Überblick. Ich kann auf die Terrasse rausgehen und erlebe wunderschöne Lichtstimmungen, sehe wie Gäste ihren Kindern und Enkeln beim Schwimmen zuschauen oder bei den ersten Schwüngen auf Skiern.

Deine Großeltern hatten in der Nähe ein Ferienhaus, wo eure Familie viel Zeit verbracht hat. Gib uns einen kurzen Einblick in die Geschichte des 2020 eröffneten Fuchsegg…

Meine Familie und ich haben in Schetteregg immer Potenzial gesehen. Wir wollten ein Haus, in dem verschiedene Menschen und Sichtweisen zusammenkommen, dazu eine Wirtschaft, wo auch Einheimische gern hingehen. Wir wollten einen Gegenentwurf zu einem Hotel, denn wir sind selbst keine typischen Hotelgäste. Wir mögen keine unterirdischen Gänge und keine Aufzüge nach irgendwo. Stattdessen sollten Gäste genau das erleben können, was bei uns drei Generationen hier im Ferienhaus erlebt haben.

Das Fuchsegg ist ein Grüne-Wiese-Projekt. Ihr konntet alles neu denken. Das schafft viele Möglichkeiten, birgt aber auch viele Risiken. Was ist dabei wichtig?

Wir haben die Region früh eingebunden. Das Projekt sollte gewollt und sinnvoll sein. Da haben wir auch eine gute Unterstützung erfahren. Gleichzeitig haben uns Hotelberater gewarnt, dass das ein C-Standort ist. Wenige kennen das Gebiet Schetteregg. Aber wir wussten, worauf wir uns einlassen.

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Fuchsegg Inhaberfamilie Inhaberfamilie Kerim und Carmen Can und Heinz Hämmerle sitzen auf der Bank
c Emanuel Sutterluety
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Change Maker Hotel Fuchsegg Eco Lodge Tenn mit Ausblick
c Fuchsegg

Ihr dreht es sogar um und macht die C-Lage von Schetteregg zu einem USP…

In Schetteregg ist Endstation, hier geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Rad weiter in die Natur. Schetteregg hat langfristig Megapotenzial, weil ich daran glaube, dass Natur heilt. Corona hat dieses Bewusstsein noch verstärkt.

Gerade bei Neubauten schauen Umweltschützer besonders genau hin. Auf welche Maßnahmen bist du stolz?

Zum Beispiel, dass wir durch eine ökologische Baubegleitung einen Teil der seltenen Pflanzen auf unserer Wiese erhalten haben. Wir haben die Samen der Kräuter und Gräser vom Gärtner aus Bezau rausnehmen und trocknen lassen. Der hat sie nach der Fertigstellung ausgesät. Nun wächst wieder genau die Art von Pflanzen, die immer da gewachsen ist.

Das heißt, die meisten Maßnahmen sieht man als Gast gar nicht?

Einige Maßnahmen soll man gar nicht bemerken. Wie bei unseren Armaturen, die bei gleichem Duscherlebnis um die Hälfte weniger Wasser brauchen. Wir haben Duschköpfe mit einem Kübel Wasser verglichen, ich hätte das sonst auch nicht geglaubt. Ich will ja nicht, dass Gäste das Gefühl haben, da kommt wenig Wasser raus. Jetzt sagen sie sogar, der Strahl sei so angenehm. Bei anderen Maßnahmen erkennt man den Grund nicht gleich. So werde ich ab und zu gefragt, warum ich im Meetingraum keine bodentiefen Fenster eingebaut habe. Stattdessen dienen Holzlamellen als konstruktiver Sonnenschutz, damit die Räume nicht so extrem aufheizen. Darüberhinaus ist es ein wichtiger Schutz für die seltenen Vögel hier. Sie fliegen dadurch nicht gegen die Glasfronten. Lamellen trennen Außen und Innen und ermöglichen ganz neue Ausblicke und Sichtweisen: Ich sage, wenn du dus bischt, bischt dusa, wenn du hin bist, bischt dinna.

Fuchsegg Eco Lodge - Gemeinsamzeit im Bregenzerwald

Die Fuchsegg Eco Lodge im Bregenzerwald will kein Hotel sein und schon gar kein Chaletdorf. Es lässt sich in keine Schublade stecken und genau deshalb ist Urlaub hier so erfrischend anders.

Du möchtest Gäste mit der Bregenzerwälder Lebensart berühren. Wie machst du das?

Was macht den Unterschied? Der Ort, die Menschen und die Kultur - hier vor allem die Baukultur. Der Gast soll beim Reinkommen merken, wo er ist. Unser roter Faden war immer das Vorsäß - die mittlere Stufe aus der hier typischen Dreistufenlandwirtschaft. Unsere Architekten Ludescher + Lutz haben aus der Vogelperspektive die ganze Landschaft analysiert, damit das Fuchsegg hierher passt. Wie lang und wie breit sind die Häuser? Welches ist niedriger, welches höher? Wenn man die Baukörper sanft anpasst, kommt es natürlich auch teurer. Wir haben auch einen Entwurf mit nur zwei großen Baukörpern gemacht. Aber da standen wir nicht dahinter.

Du sagst oft, das Fuchsegg wollte auf die Welt kommen. Herausgekommen ist etwas ganz Eigenes.

Ich freu mich, wenn du das so siehst. Ja, es ist kein Chalet, kein Hotel, es ist einzigartig. Wir sind umgeben von Wald und Wiesen. Nichts ist überinszeniert. Es gibt keine Geschäfte im Ort. Das macht etwas mit einem.

Wodurch spürt der Gast, dass er in einem besonderen Haus ist?

Unser gemeinsamer Nenner ist das Dreieck aus Wissensvermittlung und Inspiration im nachhaltig Wirtschaften, aus Bewegung im Freien und Gemeinsamzeit von drei Generationen oder Teams. Wir wollen ein Ort sein, wo man Vorarlberger Lebensart spürt. Gäste hören schon beim Frühstück das typische „Hoi miteinand!“ Das ist Urlaub. Nicht wie in einem Resort, das überall stehen kann.

Was verstehst du genau unter der Gemeinsamzeit?

Wir wollen, dass hier Familien, Freunde, Teams mit Menschen aus der Umgebung zusammenkommen und sich austauschen. Dafür müssen wir fünf verschiedene Zimmertypen managen. Von Einzelbelegungen für Tagungen und Retreats, bis Familienzimmer und Lofts für Paare. Es ist alles sehr individuell. Uns wurde geraten, dass sich eindeutige Adult only oder Familienhotels besser vermarkten lassen. Aber wir haben das gemacht, was in die Ortslogik passt und für uns Sinn macht.

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Du hast lange als Coach gearbeitet, bist Pädagogin. Wenn du dich in die Gäste versetzt - was sollen sie fühlen?

Gäste sollen gestärkter, fokussierter und fröhlicher von hier zurückkommen. Das lässt sich nicht einfach ins Konzept schreiben. So etwas entsteht bestenfalls. Was mich am Schetteregg immer fasziniert: Man kommt ganz schnell zurück zum Wesentlichen. Mit bloßen Füßen die Wiese spüren, die Jahreszeiten fühlen - ist es heiß, nebelig oder schneit’s? Schon durch die Architektur wird der Gast gefordert, in Bewegung zu kommen. Rein und raus zu gehen. Mentale Gesundheit ist wichtiger denn je. Und hier kann man sie einfach erleben.

Was war dir beim Bauen wichtig?

Dass wir mit Vorarlberger, insbesondere Bregenzerwälder Handwerkern aus der Nähe arbeiten. Dafür hat auch unser Generalunternehmer Plandrei aus Andelsbuch gesorgt. Er schafft langfristig mit Wälder Handwerker zusammen. Wenn jetzt etwas ist, steht der Handwerker am gleichen Tag hier und übernimmt Verantwortung. Wichtig ist das Miteinander - das Zem-Schaffe. Bei uns waren zum Beispiel gleich mehrere Tischler für die Möblierung in einem Raum tätig. Wir haben miteinander gedacht, so ist Innovation möglich. Ich glaube, eine solche gute Zusammenarbeit ist einzigartig für den Bregenzerwald.

Wie geht man das Einrichten an, wenn einem Nachhaltigkeit am Herzen liegt?

Das Zeitlose ist mir wichtig. Da tauscht man später nichts aus, nur weil es nicht mehr im Trend ist. Beim Handwerk geht es um Langlebigkeit und nicht ums Wegwerfen, das Schöne ist die überdauernde Qualität der Dinge. Ich frage dazu oft meine Tochter und gleichzeitig meine Eltern, und siehe da: Naturmaterialien wie Stein, Holz, Filz, Kork kommen bei der jungen und älteren Generation gut an. Gäste erzählen sogar, dass ihre Kinder ruhiger werden im Fuchsegg.

Woher kommt der Fuchs in eurem Namen?

Der Fuchs ist ein Familientier, er ist flexibel und lernt schnell. Er passt sich an ständig wechselnde Bedingungen an, wie wir. Ich begegne oft Füchsen. Beim Rohbau im Haus Drei ist er sogar reingelaufen, gestern war einer vor der Tenne. Erst war Fuchsegg nur ein Projektname. Dann haben meine Kinder aber gleich gesagt, der Name muss bleiben.

Als Neohoteliere hast du sicher schon die Erfahrung gemacht, dass es eine Herausforderung ist, Mitarbeiter zu finden.

Ein starkes Kernteam aufzubauen braucht Zeit, wir sind auf einem guten Weg. Die Rahmenbedingungen müssen neu gedacht werden. Es ist entscheidend, dass die MitarbeiterInnen einen Sinn in ihrem Beitrag zum Ganzen sehen. In der Gastronomie setzen wir auf Reduktion. Es gibt keine große Karte. Unser Küchenteam kocht frisch und dafür wenige Speisen. Unsere Köche haben kleine Kinder, deshalb haben wir den Sonntag als kulinarischen Ruhetag eingeführt, in manchen Wochen auch den Montag. Die Mobilität ist hier auch ein Riesenthema - der letzter Bus fährt um 18 Uhr runter nach Egg. Das macht es herausfordernd für junge MitarbeiterInnen und Lehrlinge, zu uns zu kommen.

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Change Maker Hotels Fuchsegg Eco Lodge mit Pool und Bergblick
Fuchsegg
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Change Maker Hotels Fuchsegg Eco Lodge Lobby mit Kamin
Fuchsegg

Wie kann ein Hotel tatsächlich zu einer besseren Zukunft beitragen?

Nur wenn es dir selbst gutgeht, kannst du Gutes leisten. Wir sind an einem privilegierten Ort umgeben von intakter Natur und wir machen das darum auch im Einklang mit dem Drumherum. Wenn man davon ein Stück mitnimmt, geht es dir besser. Du kannst mit deiner Familie besser umgehen und bist leistungsfähiger im Job.

Frage an die Pädagogin: Kann man Gäste „erziehen“? Zumindest anstupsen? 

Ja, indem man es selber vorlebt. Wenn Gäste ein Stück Realität kennenlernen und erleben, von dem sie spüren, das es ihnen guttut, dass sie das auch möchten. Und wenn sie fragen, warum wir keine Bananen haben, erklären wir unser Konzept und unsere Grenzen. Uns treibt das nachhaltige Wirtschaften an. Wir kommunizieren transparent was wir machen und was nicht.

Was sind deine größten Wünsche an die Zukunft?

Für die Region Schetteregg wünsche ich mir einen sanften Sommertourismus. Die grüne Anreise ist zurzeit noch schwierig. Deshalb verfolge ich mit Interesse Zukunftsprojekte wie den von Rhomberg geplanten „Wälderexpress“, einen umweltschonend betriebenen, autonom fahrenden Zug, der das Rheintal und den Bregenzerwald verbindet. Ich würde hier gern mit spannenden Leuten gemeinsam Gutes im Sinne von nachhaltigem Wirtschaften bewirken. Gemeinsam lernen und neue Ideen entwicklen. Wir haben die Räume dafür geschaffen, um neue Sichtweisen entstehen zu lassen, umgeben von Holz, Ausblick in die Natur - das macht was mit mit Menschen.

Nehmen wir an, du wüsstest schon, wohin sich der Tourismus 2050 entwickelt. Was würde sich verändern?

Der Tourismus - das klingt mir zu allgemein. Für uns hier ist es ganz wichtig, dass wir ganzjährig integriert mit ortsansässigen Produzent*innen gemeinsam den Weg gehen. Der mittlere Bregenzerwald ist nicht monotouristisch, wir haben eine funktionierende Dorfstruktur. Der Tourismus ist ein Teil davon. Darum erfährt der Gast auch mehr. In der Verortung und Zusammenarbeit liegt unsere Zukunft.

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