Gemeinsam mit seiner Frau Birgit führt Jakob Forstnig das klimaneutrale Hotel Gut Trattlerhof in Bad Kleinkirchheim. Warum Kreislaufwirtschaft eigentlich nichts Neues ist, was er von Verboten hält und wieso Gäste schon viel weiter sind als wir denken, verrät er im großen Change Maker Interview.
"Zum Gastgeber wird man geboren. In unserem Fall fünf Generationen lang", sagt Jakob Forstnig, Hotelchef im Trattlerhof in Bad Kleinkirchheim. Bis ins 17. Jahrhundert reicht die Geschichte des Hauses zurück, seit 2012 steht Jakob selbst an der Spitze des Familienunternehmens.
Daweil wollte er eigentlich immer am Wörthersee kellnern und kochen. Es wurde dann aber Italien, England und Belgien. Es folgte: Colorado, Washington DC, New York und zum Schluss sechs Jahre Deutschland. Sein Antrieb: Alles Gelernte in irgendeiner Form in Bad Kleinkirchheim umsetzen. Und das hat er auch getan.
Zum Gut Trattlerhof gehören das Hotel, die Trattler’s Einkehr und das Chaletdorf. Hast du da einen Platz, an dem du am liebsten bist?
Jakob Forstnig: Mein Lieblingsplatz ist die Einkehr. Da kann ich immer Wirt und Gastgeber sein. Für mich ist das wie Urlaub von der täglichen Arbeit. Im Hotel ist es auf jeden Fall unser Haustisch. Das ist unser Ort, wo wir uns als Familie jeden Tag treffen.
Du bist beruflich viel herumgekommen – von Bad Kleinkirchheim in die große Welt und wieder retour. Was hat dich da geprägt?
Jakob: Meine Mutter war vorausschauend. Ich wollte immer am Wörthersee arbeiten. Aber sie schickte mich schon früh nach Italien, England, Belgien, damit ich Sprachen lerne. Ich bin ihr heute dafür sehr dankbar. Damals hab ich das anders gesehen. Die Jahre in Vail, Colorado, und in Washington DC waren die große Welt für mich. In allen Ländern hab ich mir immer vorgestellt, wie würde dies und das in Bad Kleinkirchheim funktionieren? Was müsste ich ändern, was kann ich belassen, wie setze ich es in Bezug zu meiner Heimat?
Dein Unternehmen ist eines der nachhaltigsten im Kärntner Tourismus. Was war dein Change Moment – der Punkt, an dem du gesagt hast, ich mache das anders?
Jakob: Auslöser war bestimmt meine Zeit in England. Im Jahr 2008 hast du in England schon weniger Grundsteuer gezahlt, wenn du einen Energieausweis für deine Hotelimmobilie hattest. Da wurde auf höchster politischer Ebene klar entschieden: Wenn du nachhaltig arbeitest, bekommst du Vorteile. Das war weitsichtig, weil das Thema damals in der Bevölkerung noch gar nicht angekommen war. Nachhaltigkeit positiv zu besetzen statt Verbote auszusprechen, das ist ja auch das aktuelle Thema, mit dem wir und die Politik uns beschäftigen.
Dann kam der Ruf der Familie und du hast 2012 die Betriebe in Bad Kleinkirchheim übernommen? Welches Bild von damals taucht da vor deinen Augen auf?
Jakob: Das ich beim genauen Hinschauen gesehen habe, wie nachhaltig wir eigentlich aus unsere Familiengeschichte heraus schon sind. Wir haben immer Energie gespart und geschaut, dass alles verbraucht wird. Alles gut nutzen, mit dem Wasser sparen, die Speisereste an die Schweine verfüttern, das Licht ausschalten. Als kleiner Familienbetrieb intelligent und genau Wirtschaften war immer wichtig. Vermeidung von Abfall, Recycling, das haben meine Eltern schon gelebt. Upcycling hieß früher einfach, in die Werkstatt gehen und Dinge reparieren. Das war völlig normal. Diese Art der Nachhaltigkeit leben wir seit 100 Jahren. Die Kreislaufwirtschaft ist ja jetzt nix Neues. Wir leben in einem Revival, das es schon seit 100 Jahren gibt.
Welche Werte stecken da für dich drin?
Jakob: Naturverbundenheit. Verlässlichkeit, Familie. Das Wissen, welchen Schatz wir zu Hause haben. Das Bewusstsein, dass du das Wasser aus der Leitung trinkst, dass du durchatmen kannst. Das alles zu bewahren und beschützen, das ist mir ganz wichtig.
Konkret: Was waren eure ersten großen Schritte in Sachen Nachhaltigkeit nach der Übernahme?
Mein Vater hat in den 90er Jahren klugerweise ein Wasserkraftwerk gebaut. Die ersten Schritte waren, das Thema Energie & Nachhaltigkeit aus dem Kraftwerk mit dem Trattlerhof zu vernetzen. 2012 haben wir dann das Umweltzeichen gemacht, weil es für uns eine gute Basis war. Damals waren wir in Kärnten einer der ersten 14 Betriebe, im Tal selbst überhaupt der erste. Dann gings rasch: Bei allen Investitionsschritten tickte das Thema mit. Uns war schnell klar: Wir wollen Bewusstsein bilden bei den Mitarbeiter*innen, im Dorf, in der Region und auch bei den Gästen.
Nachhaltigkeit ist vielfach ein leere Worthülse. Jeder und alle ist mittlerweile nachhaltig. Was steckt für dich in diesem Wort?
Es steckt in allen Dingen, die wir tun. Zum Beispiel wollten wir nachhaltige Kugelschreiber kaufen. Die gab es nicht. Also haben wir jetzt nachhaltige Bleistifte im Hotel. Wir überlegen, wie wir dem Gast bei der An- und Abreise helfen, Energie zu sparen. Wie oft kommen die Lieferanten, welche Wege haben sie, kann man hier optimieren? Wir können unseren Aktionsradius so spannen, dass wir selber die richtigen Dinge tun. Und dann schauen, dass ein paar andere das auch tun. Tue Gutes und rede drüber. Das ist ja auch das Thema der Change Maker Hotels. Eine Inspiration für andere zu sein.
Ihr habt sicher Viele mit eurem Hof-Auto inspiriert – ein Tesla, den die Gäste fahren und fühlen können?
Ja, das war eine Idee vor sieben Jahren. Durch die erneuerbare Energie haben wir früh auf E-Mobilität gesetzt. Jeder, der möchte, sollte so ein Auto mal ausprobieren und schauen, wie sich das anfühlt. Hier steckt Tradition und Innovation dahinter. Altes und Neues zusammenzubringen. 150 Jahre alte Bauernmöbel und Internet. Laptop und Lederhose, da kennen wir uns gut aus. Das ist kein Widerspruch. Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.
Im Gut Trattlerhof fällt sofort auf, dass ganz viel altes Holz verbaut ist.
Holz ist ein Baustoff, der immer noch gut ist, auch wenn er schon über 300 Jahre alt ist. Holz als Baustoff überzeugend einzusetzen, das ist mein Philosophie. Der CO2 Abdruck von so altem Holz ist super. Das Holz war schon da. Die Alten haben da also nicht alles falsch gemacht.
Der Gutshof spielt bei euch eine große Rolle. Worin liegt hier die Inspiration?
Jakob: Wir haben eine lange Geschichte, seit 1520. Wir waren mal Landwirtschaft. Wir wissen, was seit damals alles am Hof passiert ist. Alles, was da gut war, tragen wir weiter. Zum Beispiel wurde früher am Hof alles selbst gemacht. Bierbrauen, Schnapsbrennen, Landwirtschaft, Leinen und Lodenhandeln, Schusterbetrieb. Mensch, Tier und Natur - das war ein Zusammenleben am Gutshof. Da wurde geliebt, gelebt, gearbeitet. Die Mitarbeiter waren Teil der Familie. Verpflegung, Beherbergung das war selbstverständlich. Mit dieser Selbstverständlichkeit leben wir das weiter. Unser Motto heißt auch I feel Gut. Das Gutsleben spüren. Da ist auch die Nachhaltigkeit integriert.
Deinen Mitarbeiter*innen geht’s hoffentlich besser als vor 300 Jahren.
Jakob: Alle Betriebe, die erst jetzt etwas für ihre Mitarbeiter*innen tun, haben ein Problem. Viele reden ja immer noch von Personal statt von wertvollen Mitarbeiter*innen. Bei uns sind alle im Team Mitgastgeber*innen. Wir nennen sie Hofleute. Es gibt eine eigene Agenda dafür, Freizeitaktivitäten, Schulungen, Entwicklungsmöglichkeiten. Wir machen sie auch zu Mit-Unternehmer*innen, in dem wir Gewinne an sie ausschütten. Das ist eine Einstellung, ohne die meine Frau und ich nicht arbeiten möchten.
Wie viel Nachhaltigkeit traust du deinen Gästen zu?
Mittlerweile heißt die Frage: Wie viel Nachhaltigkeit trauen die Gäste dem Hotel zu? Alles, was die Gäste zu Hause bereits machen – Recycling, Bio-Seife, schlaue Lichtsysteme, Photovoltaik, E-Car, Ladestellen – setzen sie im Hotel grundsätzlich voraus. Bei uns brachten die Gäste schon mal den getrennten Müll zur Rezeption, weil wir mit der Trennung in den Zimmern noch nicht so weit waren. Das haben wir sofort geändert.
Du meinst, die Gäste treiben die Nachhaltigkeit im Tourismus voran?
Wir merken, dass das Bewusstsein zur Nachhaltigkeit seit zwei Jahren angekommen ist. Den Gästen muss man da nichts zutrauen, die schaffen das locker. Viel wichtiger ist, dass wir als Betrieb inspirieren und noch mehr Bewusstsein schaffen. Die Gäste sind auch schon viel informierter, wenn sie zu uns kommen. Die Zeiten, wo du mit Micky-Maus-Maßnahmen Umweltbewusstsein vortäuschen konntest, sind vorbei. Das ist auch gut so. Das macht Greenwashing in Zukunft viel, viel schwieriger. Für uns wird es wichtiger, noch mehr zu tun, um eine Vorreiterrolle einnehmen zu können.
Wie sieht das bei den regionalen Lebensmitteln aus?
Auch da ist der Gast schon viel weiter. Wenn wir nicht die Kärntner Milch und den Schinken aus dem Tal servieren, fragt der Gast nach, warum das so ist. Er oder sie verlangen danach. Auch hier dreht sich das Spiel: Der Gast fordert bereits ein, und nicht der Hotelier ist so super, weil er die Eier von der Mitzi-Tant beim Frühstücksbuffet serviert.
Wird Nachhaltigkeit nicht zu oft nur auf Essen und Trinken reduziert?
Wenn du einen gewissen Anspruch hast und den Preis dafür zahlst, dann erwartest du als Gast regionale Produkte. Die Standards steigen hier generell an. Wichtig ist auch, mehr als nur die Herkunft des Essens irgendwo auf die Speisekarte zu schreiben. Das ist ein Bauernschinken aus dem Tal, das ist zu wenig. Ich möchte den Gästen vermitteln: Wie schneide ich ihn richtig, wie lagere ich das Produkt. Die Story dahinter ist es, die spannend ist.
Ihr seid auch Mitglied bei Slow Food Village. Was bedeutet das für dich?
Aktuell sind das acht Dörfer in Kärnten, die eine verantwortungsvolle Ernährungs- und Esskultur hegen und pflegen. Sie leben die Slow Food Philosophie im Alltag und sie fördern das logische Zusammenspiel zwischen Natur, den Menschen der Region und bäuerlichen Betrieben im Dorf. Das ist gelebte Regionalität. Regionale Produkte kommen zu regionalen Menschen. Wir experimentieren hier zum Beispiel viel mit den Schuljausen. Wie schmeckt eine Handsemmel vom Ortsbäcker und einem geräucherten Karreespeck anders als eine Billigsdorfer-Extrawurst-Semmel.
Bio oder regional?
Regionalität würde ich vorziehen. Bio, wenn es machbar ist, in Bezug auf Anlieferung. Ein regionales Ei vom regionalen Bauern, den ich gut kenne, ist mir lieber als ein Bio-Ei, das mit einem Lkw 300 Kilometer Anfahrtsweg hat.
Was sind eure nächsten Pläne, wie entwickelt ihr Euren Gutshof weiter?
Jakob: Das geistige Wohl wird immer wichtiger im Urlaub. Wir planen Räume, wo man zu sich kommen kann und den Ort bewusst wahrnimmt. Denkräume für die geistige Hygiene. Wo bin ich und was nehme ich wirklich wahr? Mehr Raum zum Denken zu geben. Wo sind Kraftplätze, wo kann ich meditieren, wo kann ich eine Kulturwanderung machen. Runterkommen von den Medien. Zu merken, dass ich eine Familie habe und nicht die Kinder nur im Hotel bei der Betreuung abgebe.
Hotels sind ja immer auch ein Testlabor. Gäste probieren Dinge aus, die sie zu Hause nicht haben.
Jakob: Früher waren das Duschen oder Matratzen. Heute sind es immer mehr Dinge, die der Seele gut tun. Ich nenne es Tourismus-Seelsorge. Gespräche anbieten, die Gäste an der Hand nehmen. Das ist ja auch ein Angebot, in dem die Mystik der Berge eine gute Rolle spielt. Als Hotelier der Zukunft geht es um weit mehr, als die Gäste mit Essen und einem Zimmer mit Dusche zu versorgen.
Wie glaubst du, werden die Menschen in den nächsten Jahren reisen?
Die Mobilität im Urlaub ist wichtiges Thema. In den vergangenen Jahren wurde viel Auge darauf gerichtet, dass der Gast das Auto vor Ort nicht braucht. Jetzt müssen wir da noch genauer hinschauen. Dass zum Beispiel die bereitstehenden Busse nicht leer rumfahren. Der Fokus in den nächsten Jahren geht auf die Anreise und Abreise des Gastes: Mehr Bahn, die letzte Meile verbessern. Gästen Vorteile bieten, wenn er oder sie nachhaltig anreist. Wir müssen den Gästen zeigen, dass diese achtsame Form des Reisens ein gutes Gewissen und ein gutes Gefühl macht.
Wie stehst du zu Verzicht?
Wir sind mitten in einer Mega-Klimakrise, und wir reden drüber, ob Verzicht okay ist? Ich nenne es lieber Umdenken. Oder Einschränken für einen höheren Sinn. Die Bereitschaft dazu ist klar spürbar. Wir sehen es ja mit den Klimaaktivisten, dass hier eine Lebendigkeit da ist.
Was werden deine Kinder in 20 Jahren zu deiner heutigen Arbeit sagen?
Du hast das schon sehr gut gemacht. Aber wir machen es jetzt noch besser.
Dein Tipp: Wo kann ich am schnellsten den CO2 Abdruck verkleinern?
Weniger Fliegen, weniger Auto, weniger Fleisch.