Change Maker Hotel Stern Obsteig Rene Foeger
(c) Der Stern / Jürgen Schmücking
Obsteig

René Föger – Familienhotel Der Stern

Interview • Locationtipps

René Föger studiert nach der Tourismusschule internationale Wirtschaft, arbeitet dann für Swarovski. Mit 27 übernimmt er den Stern am Mieminger Plateau. Die Eltern drücken ihm den Schlüssel in die Hand und geben ihm jegliche Freiheit zu gestalten. Er lässt keinen Stein auf dem anderen und erzählt uns hier warum.

Petra Percher

Das Familienwappen der Fögers geht auf das Jahr 1509 zurück. Für viele Jahre betrieben sie ein Wirtshaus mit Herberge und Pferdetränke am Tiroler Fernpass. Mit der Zugsverbindung über die Alpen wuchs die Sorge, dass die Handelsroute versiegt. René Fögers Urgroßeltern zogen um und übernahmen das Wirtshaus Stern in Obsteig. Sein Opa begann, Zimmer zu vermieten, seine Eltern brachten das Haus auf die Größe von heute, bevor Renè in 20. Generation der Wirtsfamilie mit der Übernahme 2004 das Ruder komplett herumriss. Er stellt das Thema Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt und legt sich sogar mit einer ökologischen Wildsau an.

Wo ist dein Lieblingsplatz im Stern?

Oben auf der neuen Terrasse mit dem Blick auf die Berge und über das ganze Mieminger Plateau. Hier kann man sich ein Getränk aus dem Kühlschrank nehmen und den Sonnenuntergang genießen.

Der Stern – Verspieltes Familienhotel in Tirol

Ein Blick ins erste klimaneutrale Hotel Tirols: das Familienhotel Der Stern. Hausherr René Föger verrät dir außerdem die simpelste Formel nachhaltigen Wirtschaftens.

Als du das Haus übernommen hast – hast du gleich gemerkt, dass du es anders machen möchtest als deine Vorfahren?

Das würde jetzt wie ein Märchen klingen. Aber dem Betrieb ging es nicht gut, ich musste eine vollkommene Sanierung machen. Wir haben uns am Anfang überlegt, wer wir sind und wohin wir wollen. Da war schnell klar, dass wir am Mieminger Plateau in einer Naturgegend sind, dass das Haus viel Tradition hat und dass ich als junger Mensch nicht mehr auf Busgruppen warten will, sondern das Haus lieber auf Familien ausrichte.

Wann hat es dann Klick gemacht?

Der Grünberglift in Obsteig wurde geschlossen. Ich dachte, mir wird die letzte Infrastruktur weggenommen. Gleichzeitig kam das Thema Nachhaltigkeit daher. Ich fuhr zu einer Nachhaltigkeitskonferenz, wo ich meine Bekannte Andrea Dietl getroffen habe. Sie hatte sich selbständig gemacht und begleitet Betriebe beim nachhaltigen Tourismus. Sie ist mein grünes Gewissen. Ich war ihr erster Kunde. Ich war auch beim Grafiker und beim Architekten der erste Kunde. Mit diesem Triumvirat, mit dem ich immer noch arbeite, habe ich die Marke mehr und mehr geformt.

Das heißt das Thema Nachhaltigkeit war eigentlich Neuland für dich?

Das war 2009, da war noch nicht so klar, was ein Fußabdruck oder Klimaneutralität genau ist. Ich verstand mich als Übersetzer, der das in Häppchen verpackt, damit es spielerisch erlebt werden kann. So ist unsere Klimastrategie entstanden. Wir haben uns sofort in Richtung Klimaneutralität bewegt und unsere Hausaufgaben gemacht. Aber wir haben es niemandem erzählt, weil damit ja niemand etwas anfangen konnte. Nach und nach haben wir die Mitarbeiter mitgenommen, die Gäste immer mehr integriert, unsere Nachhaltigkeit immer erlebbarer gemacht. Mit viel Hausverstand und auf wissenschaftlicher Basis.

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Dann übersetze bitte einmal für uns: Wie macht man so ein altes Haus nachhaltig?

500 Jahre Familiengeschichte ist nichts anderes, als nachhaltig zu arbeiten. Weil wir in Generationen gedacht haben, weil wir immer schon sparsam mit Energie und Ressourcen umgehen, weil wir die eigene Landwirtschaft haben und mit regionalen Leuten arbeiten. Darum konnten wir auf einem sehr hohen Niveau anfangen. Im Nachhinein wurde mir klar, das war der logischte Schritt ever. Die CO2-Bilanz haben wir schnell im Griff gehabt. Dann habe ich das Thema Mobilität angepackt, das ja nicht in die CO2-Bilanz fällt, weil die An- und Abreise der Gäste nicht mit einberechnet wird. Die Mobilität ist aber der größte Emissär im Tourismus! Seit 2014 gibt es im Stern mit der grünen Anreise 5 Prozent Rabatt, es gibt E-Autos zu mieten und es gibt ein Ticket für die Mobilität vor Ort.

Du hast ja Betriebswirtschaft studiert, da geht es um Wachstum und Gewinn – eigentlich lernt man genau das Gegenteil vom Generationendenken…

Die nächste Bilanz ist uninteressant und das wird mir immer bewusster. Ich muss nicht meinen Kapitalgebern sofort schöne Zahlen bringen und kurzfristigen Erfolg. Man kann sagen, ich bin ein schlechter Betriebswirt, weil ich das Geld immer viel zu schnell wieder in neue Ideen gesteckt habe. Wo andere schönere Ergebnisse erzielt hätten, habe ich halt den mühsameren Weg genommen. Dafür den richtigen.

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Hotel Der Stern

Was sind deine Ziele mit dem Hotel Stern?

2020 haben wir unsere Klimastrategie den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) der UNO unterstellt. Denn der Klimawandel ist ja ein globales Problem. Wir allein bringen gar nichts. Es geht nur in der Bündelung der Kräfte. Wir haben fünf relevante Ziele für uns ausgesucht, wo wir wirklich etwas beitragen können. Saubere Energie, Regionale Wertschöpfung, Nahrungsmittel, Landverbrauch und Müllvermeidung, Ressourcenschonung. Und so haben wir unsere Werte, Vision, Mission ausgerichtet und die ordentlich ambitionierten Ziele für 2025 gesetzt.

Wenn du, wie du sagst, weltweit eh nichts bewirken kannst, was motiviert dich dann?

Wir als Stern sind ein kleines Gasthäusl. Unser CO2-Fußabdruck ist schön, aber deswegen dreht sich keiner um. Wir können aber Multiplikator sein. Wir haben viele Kundenkontakte durch das Restaurant und durch das Hotel – wir können sensibilisieren, animieren und mitnehmen. Wir sehen uns als Kommunikator, aber nie mit Zeigefinger. Wir sagen lieber, hey, so geht es auch, es tut nicht weh. Wir haben auch eine Sternreise entwickelt, wo wir wirklich die Hose runterlassen und alles erzählen. Wir dienen damit als Praxisbeispiel.

Hey, so geht es auch, sagst du auch über euer Hallenbad. Wie kann man sich ein Öko-Hallenbad vorstellen?

Ich habe es lange nicht realisiert, weil ich es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Ein Schwimmbad ist eine ökologische Wildsau. Eigentlich wollte ich bei dem Theater schneller, höher, weiter nicht mitmachen. Das macht den Urlaub für Gäste immer teurer. Vor fünf Jahren kam dann das Umdenken aus einer ganz anderen Richtung. Wir haben uns schwergetan, Mitarbeiter zu finden. Die Arbeitszeiten waren ein Megathema, weil wir so eine wellenartige Auslastung hatten. In den Ferien voll, dazwischen wenig. Das Mitarbeiterthema war also Auslöser für den Spielstadl und das Hallenbad.

Schwarzweißdenken funktioniert in der Nachhaltigkeit offenbar nicht.

Nein. Denn, auch wenn ich was für Mitarbeiter tue, habe ich immer noch das ökologische Problem. Meine Vorgabe war also, es muss das nachhaltigste Hallenbad im Alpenraum werden. Geht das? Da kam rasch Ernüchterung. Ich wollte Salz statt Chlor verwenden. Das geht mit dem Hygienegesetz aber nicht. Ozon wäre eine Alternative, aber nicht bei unserer Größe. Du stehst überall an, weil der Bau braucht Beton und Abdichtungsmaterial, das superchemisch ist. Der Wasserverbrauch ist kaum in Griff zu bekommen. Ich wollte es aber nicht sein lassen. Wie kann man etwas, das per so unmöglich ist auflösen, dass es doch vereinbar ist? Also kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

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Change Maker Hotel Der Stern Rene Foeger
c Jürgen Schmücking
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Change Maker Hotel Stern Heuschlafen
Hotel Der Stern

Wie macht man aus einer ökologischen Wildsau ein Ökoschwimmbad?

Wir haben uns Ansprüche gesetzt: So viel natürliche Materialen wie möglich, Recyclingprodukte verwenden und reduzieren, wo geht. Auch beim Flächenverbrauch. Daher haben wir es unterirdisch gebaut mit Grünfläche darüber. Dort sorgen wir mit einer Blumenwiese für Artenvielfalt samt Bienenstöcken und Ameisenhaufen. Damit haben wir aus einer Nutzfläche eine Naturfläche gemacht. Wir wollten aber auch keinen zusätzlichen Strom verbrauchen – deshalb gibt es die riesige Fotovoltaikanlage am Hoteldach. Wir haben auch gleich die gesamte Haustechnik ausgetauscht. Durch Wärmerückgewinnungen und Optimierung brauchen wir jetzt weniger Wärme als vorher. Weniger Wasserverbrauch, das war uns klar, geht natürlich nicht. Daher sind wir eine Ebene höher gegangen. Der Wasserverbrauch in Europa liegt bei Pi mal Daumen 120 Liter pro Tag. Zusätzlich verbrauchen wir die 30fache Wassermenge indirekt durch Konsum. Mode, Auto, PC, Essen. Auf Essen entfällt der allergrößte Anteil, und beim Essen wiederum auf Fleisch- und Milchprodukte. Wir reduzieren also den gesamten Fleisch- und Milchbedarf für die Gäste und erhöhen die vegetarische Alternative und sparen unterm Strich damit mehr Wasser ein, als wir im Schwimmbad verbrauchen. Und wir machen unser Ökohallenbad öffentlich, um die Kinder im Ort und auch die Gäste von Pensionen rundherum partizipieren zu lassen.

Damit hast du alle Probleme – wenn auch über Umwege – gelöst…

Es geht mir ums Sensibilisieren, wie man ein neues Schwimmbad auch angehen kann. Denn - und das wusste ich vorher auch nicht – wenn sich alle direkt vorher duschen, braucht man um die Hälfte weniger Chlor. Das gleiche mit den Handtüchern. Was da verschwendet wird! Wir haben im Schwimmbad groß hingeschrieben: 70 Prozent unserer Gäste verwenden die Handtücher wieder. Und so passiert es auch. Das Anstupsen bewirkt Verhaltensänderungen. Wir bieten keine Einwegbadeschlapfen, die muss man sich selbst mitnehmen. So lässt sich etwas nicht Nachhaltiges vereinbaren.

Was war für dich persönlich die größte Herausforderung auf dem Weg zum nachhaltigen Stern?

Zu lernen, geduldig und beharrlich zu sein. Die Idee vom Butz- und Stingl-Konzept in der Küche hatte ich schon vor zehn Jahren. Aber du brauchst die richtigen Leute dafür. Da musste ich auf einen Generationenwechsel warten.

Wie fühlen sich die Gäste hier?

Es ist ein heimeliges Gefühl, eine familiäre Atmosphäre, kein Chi-chi, kein Trara. Es ist ein sehr emotionales Erlebnis, wo man eintauchen kann. Trotzdem sophisticated. Wenn man genauer hinschaut, gibt es immer etwas zu entdecken, wo viel Kreativität, viele Gedanken und teilweise auch Witz drinsteckt. Auch wenn man schon 30mal da war. Der Stern ist etwas Überlegtes, Besonderes, Emotionales.

Was unterscheidet euch zu anderen?

Wir haben definitiv eine Seele, eine Persönlichkeit, eine DNA, wie immer man das sagen will. Das kann einen Reiz haben, versteht aber nicht jeder.

Produkte, die nicht von der Stange sind, lassen sich eben schwerer kommunizieren.

Genau, wir bieten kein Hochglanzerlebnis, sondern ein Erlebnis, das mehr in die Tiefe geht. Das ist erklärungsbedürftiger und lässt sich nicht mit schrillem Marketing verkaufen. Dadurch haben wir viel Loyalität und Weiterempfehlung, aber nichts für den schnellen Schuss.

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Wie ändern sich die Bedürfnisse der Gäste?

Seit 2019 sind wir nicht mehr versteckt nachhaltig, sondern gehen viel offener raus. Wir arbeiten klarer mit den Zahlen und Zielen und sind transparenter geworden. Nachhaltigkeit ist Common Sense, man kann auf einem ganz anderen Niveau mit den Gästen reden. Früher waren wir zurückhaltend, weil keinen hat das im Urlaub interessiert. Jetzt können wir zeigen, was wir machen. Das hat sich total verändert. Die Gäste selbst sind interessierter aber auch kritischer.

Du denkst ja in Generationen - wie schaut der Tourismus bei deinen Enkelkindern in 50 Jahren aus?

Klimatisch geht es Richtung Sommertourismus. Winter, wie wir ihn kennen, wird auf unserer Höhe nicht mehr als solcher erlebbar sein. Aber ob es in dieses komische Materielle, Virtuelle weitergeht oder doch wieder zurück, traue ich mich nicht zu sagen. Fest steht, wir leben alle über unsere Ressourcen und Möglichkeiten. Wir können nicht immer mehr nehmen als geben. Es muss andere Kriterien geben als Wachstum, Geld und Egoismus. Die Konzentration muss auf Altruismus und Win-Win liegen. Wir in Österreich haben die besten Voraussetzungen dafür, weil wir haben viel familiengeführte Betriebe, die nicht so kurzfristig denken müssten. Wenn diese Wachstumszahlen so weitergehen, dann hebt das keine Natur, keine Erde.

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