Christine und Franz Riedlsberger vom Gut Sonnberghof
c Karin Wasner
Mittersill

Christine und Franz Riedlsberger – Gut Sonnberghof Naturhotel

Interview • Locationtipps

Christine und Franz Riedlsberger sind auf Bauernhöfen im Nationalpark aufgewachsen. Einer davon ist heute Teil des Gut Sonnberghof Naturhotel in Mittersill - ein Wellnesshotel, das mit zwei Pools, Spa und Naturbadeteich alle Stückerl spielt. Bio und Nachhaltigkeit sind für die beiden so selbstverständlich, dass sie meist vergessen, darüber zu reden. Für uns machen sie eine Ausnahme.

Karin Wasner

Als Fünfjähriger ist Franz das erste Mal auf der Alm. Nach den Kühen schauen, melken, Käse machen. Er liebt sie noch immer, die Arbeit mit den Tieren, draußen in der Natur. Christine wächst auf dem Sonnberghof auf, eine Landwirtschaft, die ihre Eltern erst zu einer Jugendherberge, dann zu einem Gasthaus mit Zimmern ausbauen. Vor 22 Jahren übernehmen die beiden und packen ordentlich an. Gemeinsam schaffen sie das Unmögliche: eine Biolandwirtschaft und ein 4* Superior Hotel an einem Ort zu vereinen.

Wie schafft man all das hier aufzubauen – in nur knapp zwei Jahrzehnten?

Christine: Wir haben immer in kleinen Schritten gedacht. Was ist möglich? Was macht Sinn? Schon meine Eltern hatten das große Ganze und die Zukunft im Blick. Sie haben umgebaut und erweitert. Mein Vater denkt mit seinen 85 Jahren immer noch fortschrittlich. Anfangs haben wir ganz ohne Architekt gebaut – und immer fleißig angepackt. 

Franz: Ich bin gelernter Zimmerer und Polier. Bis auf Kochen, Waschen und Bügeln mache ich jede Arbeit gern. Ich hab immer gewusst: So will ich das, so muss das gehen.

Gut Sonnberghof Naturhotel - Logenplatz im Nationalpark

Kuhstall und Wellnesshotel – geht das zusammen? Und wie! Im Gut Sonnberghof teilst du dir die Liegewiese mit Emmi und Elke, den Pinzgauer-Kühen von Familie Riedlsberger. Gleich neben dem Pool beginnt ihre Futterschüssel: der Nationalpark Hohe Tauern.

Was wolltet ihr denn? War Nachhaltigkeit immer schon euer Thema?

Franz: Wir kommen beide vom Bauernhof. Da denkt man für Generationen und trägt Verantwortung, für die, die nach einem kommen. Da schaust du anders auf die Natur. Wenn zum Beispiel ein Boden erst einmal ausgelaugt und kaputt ist, ist das kaum wieder gutzumachen. 

Christine: Für uns war das, was andere jetzt für das Nachhaltigkeitsmascherl machen, immer schon logisch und selbstverständlich: Heimische Materialien verwenden, Menschen aus der Region beauftragen und beschäftigen, Lebensmittel, die vor Ort erzeugt werden, verarbeiten. All das machen wir immer schon, das ist uns nicht einmal aufgefallen.

Gab es diesen Change Moment, den Moment, wo euch bewusst wurde, dass ihr anders seid als andere Hotels?

Christine: Als wir beim Umbau vor zehn Jahren einen Energieausweis brauchten und der Zuständige meinte: „Ihr solltet für das Österreichische Umweltzeichen einreichen. Ihr müsstet nicht einmal etwas ändern oder Zusätzliches dafür tun. 

Franz: Erst da ist uns bewusst geworden, dass das, was wir machen, außergewöhnlich ist.

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Raum mit Holzwänden und grauen Liegen im Hintergrund ist ein Indoor Pool
c Sonnberghof
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Ruheraum im Gut Sonnberghof
c Sonnberghof

Und, wart ihr erfolgreich?

Christine: Erst war uns der bürokratische Aufwand dafür zu hoch, aber dann wollten wir es doch wissen. 

Franz: Von 800 Betrieben, die eingereicht haben, waren wir unter den sechs, die ausgezeichnet wurden – als die ersten Hotels österreichweit.

Die Anforderungen dafür sind hoch, das gesamte Konzept steht auf dem Prüfstand, von Abfallwirtschaft, Energie, Einkauf bis hin zu den Putzmitteln. Konntet ihr noch etwas verbessern?

Christine: Besser geht immer. Das ist auch ein Grund für uns, bei den Change Maker Hotels dabei zu sein: Wir wollen voneinander lernen und noch mehr tun.

Franz: Bei Ressourcen und Energie standen wir schon sehr gut da. Wir hatten ja schon fast 10 Jahre zuvor von Öl- auf Stückholzheizung umgestellt. Das bedeutet: nachwachsendes heimisches Holz aus dem eigenen Wald statt Erdöl. Aber auch: jeden Tag 2 bis 5 mal händisch einheizen, also sehr viel mehr Arbeit.

In den letzten zehn Jahren ist dann aber noch viel passiert. Ihr habt in euer Energiemanagement investiert?

Franz: Der Hof heißt nicht umsonst Sonnberghof. Selbst am kürzesten Tag des Jahres haben wir Sonne von 10 Uhr morgens bis 15 Uhr am Nachmittag. Im Sommer sind es 14 Sonnenstunden pro Tag. Eine thermische Solaranlage mit 120 KW und die 95 KW Photovoltaikanlage decken da schon eine beachtliche Menge unseres Energieverbrauchs ab. Vor vier Jahren kam noch Erdwärme dazu: 22 Sondenbohrungen, jede 165 Meter tief. Und kürzlich sind noch 16 dazugekommen.

Christine: Insgesamt 6270 Meter! Da gibt es wenige Betriebe, die so etwas realisieren.

Eure beiden Pools „tauchen unter“ – ist das auch Teil eures zukunftsweisenden Energie-Managements?

Franz: Zwischen 19 Uhr abends und 6:30 Uhr morgens wird das gesamte Poolwasser in ein unterirdisches Thermobecken abgelassen, wo es wie in einer Thermoskanne die Temperatur fast ohne Energieeinsatz hält.

Christine: Ein Schwimmbad im Freien verträgt sich nicht gut mit Nachhaltigkeit. Wir wollten diese moderne Technologie unbedingt haben, aber alle Fachleute haben abgeraten. Das sei viel zu teuer und würde sich nicht rentieren.

Und, rentiert es sich?

Franz: Vom Umweltgedanken sowieso. Aber auch wirtschaftlich muss ich die Experten Lügen strafen: Schon zehn Jahre später haben wir die zusätzlichen Investitionen bei den Energiekosten eingespart.

Christine: Nachhaltig denken heißt auch, langfristig denken. Und das bedeutet im besten Fall, dass am Ende nicht allein die Umwelt, sondern auch das Geldbörsel profitiert.

Was sagt ihr Gästen, die aus anderen Hotels gewohnt sind, bis 22 Uhr im warmen Wasser zu plantschen?

Christine: Wichtig ist, eine Balance zu finden, zwischen den Ansprüchen der Gäste und dem, was wir ressourcentechnisch vertretbar finden. Das ist immer eine Gratwanderung.

Franz: Viele machen sich keine Gedanken, wie etwas funktioniert und was beispielsweise ein auf 32 Grad geheizter Außenpool für das Klima bedeutet.

Christine: Wir nehmen uns die Zeit, die Zusammenhänge zu erklären und drüber zu sprechen, wie jeder seinen Teil beitragen kann. Die meisten verstehen, dass wenn sie essen und schlafen auch unsere Pools „schlafen gehen“.

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c Sonnberghof

Versteht ihr euch als Botschafter, die Aufklärungsarbeit bei den Gästen leisten?

Christine: Wir wollen niemanden belehren oder bekehren, jeder soll leben, wie er es für richtig hält. Aber wir selbst stehen einfach zu 100 % hinter unserem Weg. Was wir tun oder wie hier Dinge gemacht werden, regt unsere Gäste automatisch zum Nachdenken an.

Also Vorbildwirkung?

Christine: Es ist eine Art von Lebensfreude, die das Leben in einem Hotel ausmacht. Wie man hineinruft, kommt es retour - immer und überall im Leben. Wir können mit unserem Weg Resonanz erzeugen. Das kann jeder und jede einzelne.

Gab es auch schon Beschwerden, also unangenehme Resonanz?

Christine: Immer wieder. Als wir die schlimmsten Energiefresser, die Minibars, aus den Zimmern verbannt haben, haben einige Gäste protestiert. Auch, dass wir keine Handtücher im Wellnessbereich auflegen, erzeugt immer wieder Unmut.

Wie reagiert ihr?

Christine: Wir erklären, warum wir was wie machen. Dass eine Haltung dahintersteht. Und dass das, was wir tun, einen Grund hat. In einem klassischen 4*Superior Hotel verbraucht ein Gast im Schnitt 8-10 Handtücher. Pro Tag! Ein Saunagang, Handtuch in die Tonne. Man muss sich den Wäscheberg vorstellen, der da täglich zustande kommt, transportiert und mit viel Chemie, Wasser und Wärme gereinigt werden muss

Ihr tragt das Naturhotel seit einiger Zeit im Namen, wo und wie erleben die Gäste hier mehr Natur als anderswo?

Christine: Schau dich um. So weit das Auge reicht: Natur. Diese Alleinlage ist ein großes Geschenk.

Franz: Eine Familie hat uns eine Nachricht geschrieben, wie sehr sie der Besuch bei einem neu geborenen Kälbchen beeindruckt hat. Das war ein besonderes Erlebnis für sie.

Als Bauer und Senner engagierst du dich im Rinderzuchtverein und hilfst mit, eine alte Rinderrasse zu erhalten?

Franz: Bei uns leben 14 Milchkühe und 2 Zuchtstiere. Und jedes Jahr im August haben die Kälber. Ich bin mehrmals täglich im Stall bei den Tieren. Ich melke, käse und verarbeite das Fleisch selber zu Würsten und Schinken. Viele Gäste interessiert das. Im Felsenkeller können sie unserem Käse beim Reifen zusehen. Die älteste Kuh war 16 Jahre bei uns, die Elke. Die hab ich sogar schnitzen lassen. Jetzt bewacht sie unseren Wellnessbereich.

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Die Rasse ist vom Aussterben bedroht, warum?

Franz: Pinzgauer sind keine Hochleistungsrinder, sie sind eine Doppelnutzungsrasse: Fleisch und Milch - wie man es früher im Alpenraum gebraucht hat. Heute ist das nicht mehr gefragt.

Die Almwirtschaft ist als „Immaterielles Kulturerbe“ von der Unesco anerkannt. Dürfen eure Kühe im Sommer auf die Alm?

Franz: Sobald der Schnee weg ist, bis Oktober! Das ist essentiell für die Bio-Heumilch, die beste Güteklasse, die man produzieren kann! Weidewirtschaft ist arbeitsintensiv, aber ohne die Tiere würden die Almen verschwinden und als wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren gehen.

Eure Rinder arbeiten also als Landschaftspfleger und erhalten Naturräume. Auch ihr habt zusätzliche Ausbildungen gemacht, um euch Natur-Wissen anzueignen?

Franz: Ich habe eine Homöopathie-Ausbildung für die Rinderzucht absolviert. Im Stall ginge vieles mit weniger Chemie und Antibiotika.

Christine: Meine Leidenschaft sind Kräuter. Schon als Kind hat mich fasziniert, was man mit Pflanzen anstellen kann, die einfach so vor der Haustür wachsen. Vor allem die Phytotherapie fand ich immer schon spannend. Meine letzten Ausbildung auf dem Gebiet war zum Thema TEM – traditionelle europäische Medizin. Was nämlich TCM mit asiatischen Kräutern kann, können wir hier mit unseren heimischen Kräutern ebenso!

Du bist also die „Kräuterhexe“ im Sonnberghof? Lässt du dir in den Kessel schauen?

Christine: Da gibt es bei mir kein Halten, wenn mich jemand fragt. Alles, was rund ums Haus bepflanzt ist, ist essbar. Ich nehme interessierte Gäste gerne mit zu Kräuterwanderungen, mache Führungen im Garten oder Workshops, bei denen wir Seife oder Salben machen. Wir haben im Hotel dafür eine eigene kleine „Hexenküche“ eingerichtet.

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c Karin Wasner

Abgesehen von einem Drink in eurer Bar Herbarium – hast du einen besonderen Kräutertipp für uns?

Christine: Um uns herum wächst, was unser Körper braucht. In einem Jahr hatten wir plötzlich ganz viele Königskerzen -  ich hab sie zu Tinkturen und Tee verarbeitet, weil es so viele waren. Im folgenden Winter hatten Franz und mein Vater dann Lungenentzündung. Und genau gegen die hilft – erraten – die Königskerze!

Eure Biolandwirtschaft produziert größtenteils für das Hotel, was bedeutet das für eure Gäste?

Franz: Selbstgemacht bedeutet bei uns wirklich: selbst gemacht. Mit unserem Küchenchef Michael verarbeite ich die Rinder und unsere drei Freilandschweine zu Schinken und Würsten. Nose to tail versteht sich. Und ich behaupte: den Unterschied schmeckt man.

Christine: Wenn bei uns die Salami aus ist, ist sie aus. Genauso ist es mit dem Käse. Es gibt also nicht immer alles zu jeder Zeit.

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Käse aus eigener Landwirtschaft im Gut Sonnberghof
c Karin Wasner
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Hölzerner Shop mit langem Tisch
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Mit Glück kann man sich beim Frühstück also durch eure Produktpalette kosten?

Franz: Milch und Jogurt machen wir selber, ebenso den Käse. Wir haben extra einen neuen 300 Liter Kessel angeschafft, um die 40.000 Liter Milch pro Jahr zu verarbeiten.

Christine: Und einen Großteil Wurst und Schinken sowie Marmeladen und veganen Honig aus Löwenzahn und Fichtenwipfel.

Wir haben uns über Avocado beim Frühstück gewundert. Ist die ein Ergebnis der Gratwanderung, von der ihr vorher gesprochen habt?

Christine: Die ist mir schon lange ein Dorn im Auge! Meine junge Assistentin meint, dass es ohne die nicht geht. Und immer kann ich ja mit dem Kopf auch nicht durch die Wand. Genauso geht es mir mit den Chia-Samen. Die könnte man so gut durch Brennnesselsamen ersetzen - unser heimisches Super-Food!

Was bräuchte es dafür? Mehr Mut?

Christine: Ja, wahrscheinlich. Und mehr Zeit, um den Gästen die Produkte und die Beweggründe zu erklären. Da ist noch viel möglich. Das ist unser Weg und den werden wir weiter gehen. Dafür braucht es sie eben: die vielen kleinen Schritte.

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