
Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer ist auf Mission. Mit ihrem neuen Buch "Was wäre, wenn wir mutig sind?" und dem "Klima-Atlas" will sie die Klima-Debatte wachrütteln – mit radikaler Zuversicht, neuen Heldengeschichten und einer guten Portion Humor. Wie sie Hoffnung zur Praxis macht und dabei ganze Konzertsäle füllt, liest du hier.
Luisa Neubauer hat ihre Oma vor Augen, als sie ihr neues Buch schreibt. Die 92-Jährige versteht die Welt nicht mehr, vor allem die Verzweiflung nicht. Dabei ist die Lage klar: Die Klimakrise eskaliert, die Gesellschaft ist gespalten, und trotzdem scheint vieles zu stagnieren. Neubauer sieht das Problem nicht nur in der Krise selbst, sondern in der Art und Weise, wie darüber gesprochen wird. Ihre Antwort darauf? Radikale Zuversicht. Hoffnung nicht als vages Gefühl, sondern als Praxis. Und eine große Portion Humor.
Mit ihrem kleinen Buch "Was wäre, wenn wir mutig sind?" (Rowohlt, 2025) tourt sie gerade durch die Lande und füllt mit Lesungen ganze Konzertsäle mit jungen Menschen. Wir haben eine davon besucht. "Hoffnung habe ich nicht, Hoffnung mache ich!", ruft sie da von der Bühne. Das wirkt wie ein Magnet. Das Publikum versteht die Aufforderung: Wir müssen uns selbst aus der Schockstarre herausarbeiten. Nicht durch schöngeredete Perspektiven, sondern durch aktives Handeln. Hoffnung ist unbequem, weil sie Verantwortung bedeutet. Bequeme Hoffnung bedeutet, sich mit der Illusion abzufinden, dass es schon jemand anderes richten wird. Unbequeme Hoffnung hingegen verlangt, sich selbst einzubringen, zu handeln, auch wenn es anstrengend ist.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer füllte bei ihrer Lesung in Wien eine Konzerthalle.

Die Klimabewegung ist an einem Punkt angekommen, an dem der Widerstand gegen sie lauter geworden ist als der eigentliche Protest. Früher empfand Neubauer das Organisieren und Demonstrieren fordernd, aber das Sprechen darüber als inspirierend und nach vorne gerichtet. „Heute ist es angespannt und alles andere als weltoffen", beschreibt Neubauer den Wandel in einem Interview mit der FAZ am Sonntag. Medien haben sich sattgesehen an jungen Klimaaktivist*innen und setzen stattdessen auf Polarisierung. Plötzlich stehen Klimaforscher*innen wieder mit Klimaleugner*innen auf einer Bühne, als sei das Thema nicht schon lange wissenschaftlich geklärt. Die Autorin beschreibt das als Zeitreise zurück in die Neunziger.
Ein weiteres Problem: Der Diskurs über die Klimakrise hat seinen Humor verloren. Alles ist lustlos und nur noch bitterernst. Dabei ist Humor gerade für Neubauer ein Schlüssel, um Menschen zu erreichen. Um das zu ändern, hat die gelernte Geografin, die sich immer viel mit Atlanten beschäftigt hat, zusammen mit dem Datenjournalisten Christian Endt und dem Grafik-Designer Ole Häntzschel einen „Klima-Atlas“ (Rowohlt, 2024) herausgegeben, der die Sachlage eindrücklich und mit einer frechen Themenauswahl vermittelt.

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Mit dem "Klima-Atlas" bringt Neubauer ungewöhnliche Blickwinkel und eine neue Sprache in die festgefahrene Klimadebatte. Ihr Wunsch: Es braucht neue Heldenstorys, neue Vorbilder, positive Beispiele. Die neuen Erzählungen von neuen Heldinnen und Helden sollen klimafreundlich sein, nicht fossil. Eine Grafik im Buch spitzt das Thema zu und zeigt, dass bis auf Pipi Langstrumpf, die meisten traditionellen Heroes Männer mit schnellen Autos und einer Neigung zur Zerstörung sind. James Bond. Oder Batman. Alles Männer, die für „Fossilität“ stehen und die mit viel Getöse die Welt retten, indem sie sie erstmal halb zerstören. Doch in Luisas Augen brauchen wir diese Art von Heldentum gar nicht mehr. Stattdessen gehe es um Menschen, die kooperieren, Brücken bauen, neue Lösungen erdenken.
Wenn Luisa Neubauer das sagt, hat es Gewicht. Sie ist eines der bekanntesten Gesichter der Fridays-for-Future-Bewegung. Mit ihrem Engagement hat sie nicht nur Millionen von jungen Menschen inspiriert, sondern sich auch zu einer zentralen Figur in der globalen Klimabewegung entwickelt. Mit dem Atlas will sie noch mehr Menschen zum Nachdenken bringen, ohne sie dabei zu überfordern. Das gelingt mit 80 Karten und Infografiken, die komplexe Themen auf das Wesentliche reduzieren. Ob es um die schmelzenden Polkappen, neue Arten der Forstwirtschaft oder den Einfluss des Fleischkonsums geht – die Botschaft ist klar: Veränderung ist möglich, wenn wir sie anpacken.


Der Wandel kommt also mit uns. Aber sicher nicht durch technische Innovation allein. Hörst du der Autorin zu, wird klar, dass es nicht um neue Ingenieursleistungen, bessere Daten und ein paar Modellierungen geht, sondern vielmehr um einen gesellschaftlichen Wandel. Und der entsteht nicht bloß durch eine Ansammlung technischer Fortschritte, sondern durch eine geteilte Vision einer neuen Gesellschaft. Die Klimabewegung braucht eine positive, mutmachende Erklärung dafür, wohin wir eigentlich wollen.
Womit wir wieder bei der Hoffnung sind. Hoffnung machen, darunter versteht Neubauer: sich zusammentun, neue Gemeinschaften bilden, das eigene Handeln überdenken. Sie schreibt: "Menschen neigen dazu, Veränderung für unmöglich zu halten, solange sie nicht passiert ist. Und wenn sie dann doch geschieht, tun sie so, als sei es immer schon so gewesen." Diese "utopische Lücke" sei einer der größten Bremsklötze der Klimabewegung. Deshalb sei es wichtig, greifbare, reale Beispiele für erfolgreichen Wandel zu zeigen.


Der "Klima-Atlas" beginnt mit einer Karte von Weihnachten in München, an denen man früher Schlitten fahren konnte. Und sie zeigt eindrücklich, wie sich das Klima seitdem verändert hat. Eine andere Karte veranschaulicht, dass 30 Prozent Deutschlands mit Wald bedeckt sind – aber eben nicht mehr lange, wenn keine Anpassungen erfolgen. Statt Panikmache gibt es konkrete Visionen: etwa die Idee, mit trockenheitsresistenten Bäumen wie der Aleppo-Kiefer neue Wälder zu pflanzen. "Es geht nicht darum, einen Status Quo zu erhalten. Es geht darum, Zukunft zu gestalten."
Im Buch setzt sich Luisa Neubauer auch mit Mythen auseinander. Einer davon: "Aber China!" – das Argument, dass sich Europa nicht anstrengen müsse, weil China ohnehin die meisten Emissionen verursacht. Dabei zeigt eine Karte, dass China mittlerweile mehr Solarenergie installiert als der Rest der Welt zusammen. Schnell wird klar: China als Ausrede zu nutzen, um nichts zu tun, ist bequem, aber falsch. Eine andere Karte untersucht den Reflex bei Debatten über Verbote. "Egal, ob Gurtenpflicht oder Rauchverbot – die Rhetorik ist immer die gleiche: Das Ende des Abendlandes, der Untergang der Freiheit, die Gefährdung des Wirtschaftsstandortes“, sagt Luisa in der FAZ am Sonntag. Die potenziellen Verbesserungen oder gar Humor bekommen überhaupt keinen Raum.
Ihre Lesungen sind mehr als Buchpräsentationen. Sie gleichen politischen Veranstaltungen, in denen es um den Austausch, ums Mutmachen und um gemeinsames Handeln geht. Luisa zeigt, dass die Klimabewegung nicht verstummt ist, sondern weiter laut für Veränderungen eintritt. Ganz nach ihrem Motto: Hoffnung ist eine Praxis. Und diese Praxis beginnt mit Gesprächen, mit Freundschaften, mit dem Mut, Dinge anders zu denken. Sie beginnt mit der Entscheidung, sich nicht länger von Angst und Resignation bremsen zu lassen.