
Rund 3.000 Kilometer sind es von Österreich in den Norden Afrikas. Reiseautorin Maria Kapeller nimmt dafür Bahn, Bus und Fähre. Auch in Marokko selbst bewegt sie sich öffentlich fort. Erfahre, wie der Slow-Travel-Trip möglichst komfortabel gelingt, und schau dir unbedingt die Learnings an!
Es war eine meiner letzten größeren Reisen vor Ausbruch der Corona-Pandemie, im Winter/Frühjahr 2018: Sechs Wochen lang Zeit und der Selbstversuch, mit dem Zug von Österreich nach Marokko zu fahren. Von Linz nach Marrakesch. Von der gewohnten Umgebung in die vermeintliche Exotik. Welche Eindrücke liegen dazwischen? Und wie fühlt sich die langsame Annäherung an einen anderen Kontinent an? Im Gepäck hatte ich einigermaßen viel Zeit. Nur das Nötigste war vorgeplant. Mitgebracht vom Slow Travel-Trip habe ich die folgenden sieben Empfehlungen samt einiger Erkenntnisse.

Mit dem Zug geht es zuerst von Linz nach Frankfurt und später über Marseille nach Madrid.

Insgesamt fast 40 Stunden in Bussen und Zügen verglichen mit vier Flugstunden: Die terrane Reise auf dem Land- und Seeweg nach Marokko muss erst einmal organisiert werden. Das braucht Zeit. Ich erinnere mich an abendfüllende Recherchen, um die passende und günstigste Verkehrsmittel-Kombination zu finden. Mobilitäts-Suchmaschinen wie Omio oder Trainline helfen dabei. Die Züge und Busse buche ich aber meistens direkt über die Websites der jeweiligen Verkehrsgesellschaften.
Ich wähle Verbindungen mit wenig Umstiegen. So komme ich direkt von Linz nach Frankfurt und von da weiter nach Marseille. Von der französischen Hafenstadt geht es zwei Tage später nach Madrid und von dort in den Süden Spaniens. Somit ist der größte Teil der Strecke zurückgelegt. Die Überfahrt mit der Fähre nach Marokko dauert gerade mal eine Stunde. Dieses Ticket kaufe ich erst vor Ort, nachdem sich der Wind gelegt hat und der Fährverkehr wieder läuft.
Erinnerung an mich selbst fürs nächste Mal: Vorab prüfen, ob sich ein Interrail-Ticket lohnt.
Slow Travel soll keine Plackerei sein, sondern ein Genuss. Deshalb plane ich ausreichend viele Zwischenstopps ein und bleibe überall mindestens zwei Nächte. Die Unterkünfte wähle ich so, dass sie nahe vom Bahnhof sind. So hält sich das Rucksacktragen in Grenzen und macht das Weiterfahren komfortabler. Bei den Zwischenstopps gehe ich ganz stressfrei ans Entdecken. Das heißt: Ausschlafen und am nächsten Tag leichten Gepäcks durch die Stadt flanieren. Auf der Durchreise zu sein fühlt sich an wie geschenkte Reisezeit. Ich habe keine großen Erwartungen, was alles zu tun oder zu entdecken ist.
Was ich fürs nächste Mal lerne: Bei der Suche nach passenden Zwischenstopps orientiere ich mich auch an kleineren Orten entlang der Strecke. Es muss nicht immer eine Großstadt sein. Und: Ich plane mittlerweile Routen so, dass ich morgens in einer Stadt ankommen, das Gepäck am Bahnhof einsperre und mit dem nächsten Nachtzeug weiterfahre. Gerade in teuren Städten spart das zusätzliche Übernachtungskosten.

Auf der Fähre von Spanien nach Marokko.

Natürlich ließe sich die Anreise zeitlich auch gestraffter gestalten. Aber das ist erstens hektischer und anstrengender, zweitens leidet der Slow-Travel-Charakter darunter. Denn gerade die Wahrnehmung, dass der Weg das Ziel ist, begleitet mich auf der gesamten Reise. Es bestätigt sich zwar, dass eine gute Organisation goldwert ist. Aber genauso wertvoll ist es, am Weg genügend Zeit fürs Einlassen auf Neues und Unerwartetes freizulassen. Beim Flanieren in Marseille, plaudere ich etwa mit den Betreibern eines Bio-Cafés.
Weil ich meine Nase etwas später neugierig in ein altes Gebäude stecke, erfahre ich von einem Event ab Abend. Die Tickets sind leider ausverkauft, aber ich kriege einfach so eine Freikarte geschenkt. Wenige Stunden später finde ich mich in einem historischen Druckerei-Gebäude zwischen Lichteffekten und einer tanzenden Menge wieder. Beim mehrtägigen Zwischenaufenthalt im spanischen Granada lerne ich im Hostel eine junge Deutsche kennen, die im Stockbett über mir liegt. Sie vermittelt mir den Kontakt zu ihrer marokkanischen Freundin, die ich später tatsächlich besuchen werde.
Reminder: Das erinnert mich daran, beim Reisen vor Ort wieder öfter bewusst Kontakt mit Einheimischen zu suchen, etwa über spontane Couchsurfing-Treffen.
Noch unentbehrlicher als auf einer kurzen Flugreise sind auf einer mehrtägigen Slow-Travel-Reise mit Öffis die unabdingbaren Helferlein: Ohrstöpsel, Schlafmaske, eine dünne und warme Jacke, bequeme Schuhe, Wollsocken, eine bequeme Hose, Trinkflasche, Zahnbürste und Gesichtscreme. Statt Kissen oder Nackenrolle verwende ich ein zusammengelegtes Tuch, das ich genauso als Handtuch, Strandtuch, Umhang und Schal benütze.
Kurz gesagt: Mit kommt alles, was die lange Reise so bequem wie möglich macht. Ansonsten bewährt sich minimalistisches Einpacken. Ich nehme nur mit, was ich zur Not auch über längere Fußmärsche hinweg tragen kann. Kleidung muss ich irgendwann sowieso waschen, Schminkzeug oder modische Outfits gehören auch daheim nicht zu meiner Ausstattung. Den Rucksack zu schultern und sich mit dem Nötigsten auf den Weg zu machen, wirkt befreiend.
Gut zu wissen für nächstes Mal: Im Jänner ist es in Marokko nachts noch recht kühl. Heizungen gibt es kaum. Der dünne Merinopulli vom Wandern darf ab jetzt auch mit ins Reisegepäck.


Wenn ich weniger Materielles mit mir herumschleppe, bin ich näher an mir und am Wesentlichen dran. Das gilt erstaunlicherweise sogar in puncto Bücher und Zeitschriften, die ich aus Angst vor Langeweile stapelweise mitschleppe. Während der Fahrten lese ich keine einzige Buchseite und blättere kein einziges Magazin durch. Stattdessen plaudere ich mit dem Mitarbeiter des Bordrestaurants im TGV oder schaue stundenlang gebannt aus dem Fenster. Mit der vorbeziehenden Landschaft ändern sich die Vegetation, die Baustile, die Namen der Supermarktketten.
Im Zug durch die Lande zu streifen, gibt mir ein Gefühl, wie vielfältig und wertvoll Europa und die Welt sind. Wie sehr ich schätzen kann, hier so komfortabel unterwegs zu sein. Und dass es im Leben auch öfter mal länger braucht, um anzukommen. All das hatte ich beim Fliegen früher vermisst. Dass es ein Dazwischen gibt, das auch mit Leben gefüllt werden will. In Marokko ist der Reiseführer in Buchform natürlich schon hilfreich. Auch den schmalen Klassiker „Die Stimmen von Marrakesch“ von Elias Canetti lese ich auf einer windumtosten Dachterrasse an der Küste mit Hochgenuss.
Erinnerung fürs nächste Mal: Wenn Literatur, dann gern auch von lokalen Schriftsteller*innen des bereisten Landes.
Zugegeben, heutzutage ist es gar nicht mehr so leicht, beim Reisen auf digitale Geräte wie Smartphone oder Laptop zu verzichten. Google Maps zeigt uns den Weg, diverse Buchungsplattformen erleichtern die Hotelsuche, Tripadvisor gibt Tipps für Restaurants und Sehenswürdigkeiten. Ich drucke meine Tickets nach wie vor altmodisch aus, um nicht ständig am Handy herumwischen zu müssen. Und um abgesichert zu sein, falls das Gerät mal ausfallen sollte.
Das Handy benütze ich während der langen Fahrt nach Marseille nur zum Musikhören und später für Google Maps, um zur Unterkunft zu finden. Der Computer, den ich aus beruflichen Gründen notgedrungen mitnehmen muss, bleibt aber bewusst abgeschaltet. Generell versuche ich in den nächsten Wochen, so gut wie möglich ohne digitale Begleiter auszukommen.
Learning für nächstes Mal: Wann immer es geht, ganz ohne Laptop unterwegs sein und das Handy über lange Strecken hinweg ausschalten. Das geht als Selbständige leider nicht immer, aber ermöglicht ein ganz anderes Einlassen und Entschleunigen.

Mit dem Zug geht es von der Hafenstadt Tanger nach Asliah.

Angekommen in der marokkanischen Stadt Asilah.
Bevor ich nach Afrika übersetze, bin ich schon mindestens eine Woche durch Europa getingelt. Die Überfahrt mit der Fähre von Südspanien nach Tanger in Marokko fühlt sich an wie ein Übergang zu einer anderen Welt. Was war, liegt jetzt zurück. Was kommt, werden die nächsten Wochen zeigen. Von der Hafenstadt Tanger aus geht es mit dem Zug weiter ins Künstlerstädtchen Asilah, wo ich einige Nächte bleibe. Es folgen mehrere Wochen mit Zug und Bus durch Marokko – im Zickzack-Kurs stets südwärts, bis nach Essaouira.
Die Planung der Rückfahrt schiebe ich auf, das Im-Moment-Sein ist spannender. Irgendwann bin ich so weit im Süden, dass es sich zeitlich gar nicht mehr ausgehen würde, mit Zug und Bus rechtzeitig zurück in Österreich zu sein. Ich quartiere mich noch eine Nacht in Marrakesch ein und buche von dort aus ein Rückflugticket samt CO2-Kompensation nach Österreich.
Das ist mir eine Lehre: Die Rückreise nicht verdrängen und aufschieben. Bei den nächsten Malen beherzige ich die Rückfahrt von vornherein, etwa bei meinen Zug- und Busreisen nach Griechenland oder Süditalien.

Über die Autorin
Maria Kapeller ist Journalistin, Autorin und Slow-Travel-Expertin. Mit ihren Geschichten inspiriert sie dazu, das Reisen entschleunigter, nachhaltiger und intensiver zu erleben. Maria verzichtet weitgehend aufs Flugzeug und setzt auf Züge, Busse und Fähren. Ihre Reise nach Nordafrika ist ein Plädoyer für Offenheit, neue Perspektiven und echte Begegnungen. In ihrem Artikel nimmt sie dich mit auf dieses Abenteuer und hält wertvolle Tipps bereit.