Mag. Franz Eisl
© Stillsegler

Was bedeutet Tradition, Franz Eisl?

Blog • Interview

Alte Werte für eine neue Zeit: Franz Eisl sieht Tradition nicht als Stillstand, sondern als Basis für Fortschritt. Warum das beste Auto für die Umwelt das nicht gebaute Auto ist, warum Gebrauchsspuren Charakter verleihen und wieso echte Nachhaltigkeit mehr mit Bewusstsein als mit Zertifikaten zu tun hat – ein Gespräch mit Tiefgang.

Nicole Spilker

Eine alte Drechslerei in Traunkirchen. Hier, inmitten von Tradition und Natur, begründete Franz Eisl vor mehr als zehn Jahren seine Vision: ein Ort für handwerkliche Meisterwerke, die im Einklang mit der Umwelt stehen und gleichzeitig unsere Beziehung zu den Dingen neu definieren. Mit kleinen Herstellern und Handwerksbetrieben, werden eigene Entwürfe im Bereich Wohn- und Modeaccessoires entwickelt und zur Produktreife gebracht. 

Stillsegler steht für Dinge, die nicht nur funktional, sondern auch nachhaltig sind – aus natürlichen, abbaubaren Materialien, die wir reparieren und über Generationen hinweg schätzen können. In einer Zeit, in der schnelle Konsumzyklen und Massenproduktion dominieren, setzt Stillsegler auf die Überzeugung, dass sich wahre Qualität erst über die Zeit entfaltet. Eine Haltung, die inzwischen auch zahlreiche Hotels inspiriert, weil sie in ihren eigenen Räumen das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die Wertschätzung für das Handwerk lebendig halten möchten. 

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Cashmere Schal von Stillsegler
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Wanderset mit Brotdose von Stillsegler
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Schaut man sich das traditionsreiche Angebot von Stillsegler an, scheint es deinen Betrieb schon ewig zu geben. Was ist die Geschichte dahinter?

Die Idee zu Stillsegler hat ihren Ursprung im Werkstoff Keramik – was für einen gebürtigen Gmundner wie ich es bin dann auch nicht wirklich überrascht. Die Gebrauchskeramik meiner Jugend war zwar funktional und aus kreislauffähigen Rohstoffen gefertigt, entsprach aber nicht den neuen Trends im Wohndesign. Selbst alteingesessene Traditionsbetriebe kamen in der Vergangenheit wegen ökonomischem Wachstumszwang bei steigenden Energie- und Personalkosten in existentielle Schwierigkeiten. Viele sind mittlerweile vom Markt verschwunden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Lieblingsprodukte des täglichen Gebrauchs erfolgreich auf dem Markt bestehen können, auch wenn sie aus nachhaltigen Rohstoffen in traditionellen Handwerksunternehmen gefertigt und zeitgemäß designt sind. Deshalb habe ich Stillsegler gegründet. Unsere Philosophie ist es, den gesamten Lebenszyklus unserer Produkte umweltverträglich zu gestalten – von der Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Mit diesen selbst auferlegten Standards überzeugen wir die immer kritischer und umweltbewusster werdenden Kund*innen.   

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Stillsegler ist bekannt für seine sorgfältig kuratierte Auswahl an Produkten. Doch was braucht es, um Teil dieser besonderen Kollektion zu werden?  

Im Fokus stehen hochwertige Materialien und die kunsthandwerkliche Verarbeitung in europäischen Manufakturen. Das Endprodukt soll nicht nur nützlich sein, sondern ein geschätzter Begleiter werden – ein Produkt, zu dem man eine Beziehung aufbaut, das man schätzt und pflegt, wodurch es langlebig bleibt. Das kommt auch der Umwelt zugute. 

Der entscheidende Input von Stillsegler: Wir vermitteln zwischen den Design- und Funktionswünschen unserer Kund*innen und den handwerklichen Möglichkeiten der Produzent*innen. Damit übernehmen wir die wichtige Rolle der Kommunikation, die früher ganz selbstverständlich zwischen Kund*innen und Handwerker*innen stattfand. Dabei stellen wir niemals die über lange Zeit entwickelte und bewährte Funktionalität des Produkts in Frage. Das wissen unsere Handwerksbetriebe genauso zu schätzen wie unsere in Umweltfragen sensibilisierten Kund*innen.   

Wie stellst du sicher, dass deine Hersteller*innen dieselben Werte vertreten wie du, und wie schaffst du Transparenz für deine Kund*innen? 

Das gelingt durch langjährige, intensive, persönliche Beziehungen zu unseren Produzent*innen. Die eingesetzten Materialien und Techniken der Stillsegler-Produkte schließen typische Umweltschäden, die in unserer Konsumwelt durch Überproduktion entstehen, sowie Verstöße gegen Menschenrechte konsequent aus. Transparenz entsteht durch die Produkte selbst, die typische Merkmale der Einzelfertigung tragen. Diese Merkmale machen sie für Kenner*innen zu Lieblingsstücken, während Anhänger*innen von Massenware daran nur wenig oder gar nichts Nützliches und Sinnstiftendes erkennen.     

Für uns ist es essenziell, handwerkliche Traditionen zu bewahren. So setzen wir ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität unserer Konsumgesellschaft, die alles immer neu haben will. Handwerklich gefertigte Produkte sind langlebig und gut reparierbar, was Ressourcen und Energie spart, weil Neuproduktion nicht zwingend notwendig ist. Die Handwerker*innen selbst gehen aufgrund der engen Beziehung zum Rohstoff und des Respekts für das meist aus der unmittelbaren Umgebung stammende Material ja ganz anders mit dieser Ressource um, als etwa ein auf Gewinnmaximierung getrimmter Materialeinkäufer eines Massenproduktionsbetriebes. Zudem erfahren sie von unseren Kund*innen die Wertschätzung, die ihr Können und diese Kunstfertigkeit verdient.  

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Kaminholzkorb von Stillsegler
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Spiel und Lederetui von Stillsegler
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Dein Verkaufsraum liegt in einer ehemaligen Drechslerei über dem Traunsee im Salzkammergut. Warum passt dieser Ort so gut zu Stillsegler?    

Unser Magazin- und Verwaltungsstandort in Traunkirchen am Traunsee mutiert immer mehr auch zum Verkaufsstandort. Zwar verlagert sich der Konsum einerseits stärker ins Internet, andererseits legen viele Kund*innen weiterhin Wert auf ein spezielles Einkaufserlebnis – genau das bietet dieser Ort. Entscheidend ist der persönliche Kontakt: Wir nehmen uns Zeit, schaffen eine entspannte Atmosphäre jenseits von Hochglanzverkaufsflächen und laden zum ungestörten Stöbern und Staunen ein.  

Ein Besuch lohnt sich doppelt: Im Anschluss kannst du die beeindruckende Klosteranlage der Benediktinerinnen in Traunkirchen aus dem 11. Jahrhundert besuchen, mit Blick auf den Traunsee und den mächtigen Traunstein.   

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Nachhaltigkeit beginnt oft im Kleinen – mit Ideen, die inspirieren und zum Nachahmen anregen. Diese Ideen unserer Change Maker machen Lust auf mehr – und sollen gerne zum Nachahmen einladen.

Was treibt dein Klientel an?  

Immer mehr Menschen interessieren sich für traditionelle Produkte und Handwerkstechniken. Sie suchen Alternativen zu einem von Massenproduktion und Wegwerfkultur geprägten, werblich fast penetrant auferlegten Konsumverhalten, das für viele aufgeklärte Kund*innen schlichtweg inakzeptabel geworden ist – vor allem wegen der damit verbundenen Umweltbelastungen.  

Allerdings gibt es bei der Kaufentscheidung manchmal einen Bruch: Nicht alle sind bereit, für nachhaltig hergestellte Produkte einen höheren Preis zu zahlen. Interessanterweise zeigt die in aller Munde befindliche „Letzte Generation“ dafür tendenziell weniger Verständnis als die von ihr gerne auch vorverurteilte ältere Generation.  

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Wasserglas Adonis von Stillsegler
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Brotmesser und Brotdose von Stillsegler
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Nachhaltigkeit ist ein Schlüsselthema bei Stillsegler. Wie definierst du den Begriff?

Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist seit einigen Jahren in aller Munde, wird aber meiner Meinung nach völlig missbräuchlich verwendet. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Forstwirtschaft und bedeutet, nur so viel zu entnehmen, wie nachwachsen kann. Nachhaltigkeit ist ein Maßstab für den Umgang mit Energie. Doch so, wie wir den Begriff heute gerne verwenden, ist er nicht mehr als ein frommer Selbstbetrug. Doch im industriellen Zeitalter mit hohen Ressourcenverbräuchen ist echte Nachhaltigkeit kaum möglich. 

Das Gleichgewicht im System Erde wird torpediert. Die Erde reagiert auf diesen Missbrauch immer öfter mit Warnkatastrophen. Daher erscheint es uns bei Stillsegler als besonders dringlich, eine bewusste Beziehung zur materiellen Welt der Dinge aufzubauen. Unsere Konsumkultur ermutigt dazu, Gebrauchsgegenstände mit leichten Gebrauchsspuren als „unperfekt“ abzuwerten und als Wegwerfartikel zu behandeln. Unter „Stillsegler – used“ feiern wir genau diese Patina. Produkte, die ihre Funktion behalten, auch wenn ihr Aussehen sich im Laufe der Zeit verändert – übrigens so wie ja auch das Aussehen ihrer Nutzer*innen.  

Ein Beispiel: Das beste Auto für die Umwelt ist nicht das E-Auto, sondern das nicht gebaute Auto. Denn nicht die Nutzung, sondern die eingesparte Neuproduktion schont Ressourcen und Energie. Stillsegler trägt mit langlebigen Produkten dazu bei, die nicht nur funktionstauglich bleiben, sondern in meinen Augen mit der Zeit sogar ästhetisch anspruchsvoller werden.  

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Viele Hotels bestellen bei dir. Wie kam es dazu?

Viele Hotels stellen mit, in und über eine intakte Umwelt einen wichtigen Teil ihrer Attraktivität dar. Deshalb werden Gastgeber*innen bewusst zu Vorreitern im sorgfältigen Umgang mit dieser sensiblen Ressource. Auch die Gäste schätzen es, wenn sich dieses Engagement in den Details ihres Aufenthalts widerspiegelt. Stillsegler unterstützt Hotels dabei, Ästhetik und Funktion mit nachhaltigen, langlebigen Materialien zu verbinden. Ob natürliche Bettwäsche für erholsamen Schlaf oder gediegene Tischkultur – wir helfen dabei, das Wohlbefinden der Gäste durch durchdachte, nachhaltige Ausstattung zu steigern.

Stillsegler ist ein Ort, der Traditionen pflegt. Welche Traditionen sind dir persönlich besonders wichtig?    

Mir ist es besonders wichtig, Wissen zu bewahren, denn nur so kann handwerkliche Tradition eine Zukunft haben. Mein Lieblingsstück, eine traditionelle Holz-Plätte, steht dafür Pate. Dieses Boot wurde für flache Gewässer wie den Traunsee entworfen und diente einst Fischern und Salztransporten. Es besteht komplett aus Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft im Salzkammergut und enthält keine nicht abbaubaren Materialien. Nachhaltigkeit in ihrer ursprünglichsten Form. Zudem hält mich die klassische Kehrruderanlage beim Rudern fit – ob das auch unter Nachhaltigkeit fällt, möchte ich gerne offenlassen.  

Visionär*innen