Landwirte bei der Mandelernte
© Karin Wasner

Exotik am Feld: So kreativ wird dem Klimawandel getrotzt!

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Mutig, kreativ und voller Experimentierfreude – wo Bäuerinnen und Landwirte dem Klimawandel mit Pioniergeist begegnen, wachsen ungewöhnliche Pflanzen und Früchte.

Karin Wasner

„Wir experimentieren und lernen mit jedem Jahr!“ 2017 pflanzten Franz Bräuer und Philipp Zizala in der Wachau die ersten Olivenbäume. Der Klimawandel verursacht höhere Temperaturen und weniger Niederschlag. Das birgt – neben vielen Problemen – auch Chancen für neue Produkte wie die Wachauer Olive. Milde Winter und viele Sonnenstunden prägen das Klima im Donautal zwischen Melk und Krems. „Das mögen nicht nur Weintraube und Marille, auch die Olive fühlt sich hier wohl,“ weiß Franz, der Tüftler des innovativen Duos. Trockensteinmauern wärmen die noch jungen Bäume auf den Steinterrassen – ein Paradies für Insekten und Eidechsen. Seit 2020 reifen die ersten Früchte und werden eingelegt und zu nativem Öl gepresst. Die Blätter der Olivenbäume werden für heilkräftigen Olivenblättertee genutzt, aus Zitronengras, Wacholder und Olivenblättern macht Franz Limoncello.

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Olivenernte
© Karin Wasner
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Olivenbauern im Olivenhain
© Karin Wasner

Franz Bräuer und Philipp Zizala setzten die ersten Olivenbäume in den ehemaligen Weinterrassen der Wachau.

So verändert das Klima die Landwirtschaft

Auch Philipp Zizala schätzt die Arbeit im Marillengarten, am Weinberg und seit Neuestem im Olivenhain. „Wir haben fantastische Hanglagen, die für Wein nicht mehr geeignet sind und brach liegen.“ Oliven kommen mit weniger Wasser aus und haben bei uns noch keine Schädlingsfeinde, was sie weniger pflegeintensiv macht. „Wo kein Pferd kann gehen, darf der Wein stehen,“ soll Maria Theresia ihre Erlaubnis für Wein- statt Ackerbau begründet haben. Für Franz und Philipp gilt: „Wo kein Winzer kann gehen, darf die Olive stehen.“ Ihre Früchte reifen hier an der Donau vollkommen naturbelassen, werden nicht mit Pestiziden behandelt oder gedüngt. Im Spätherbst färben sie sich von grün zu violett-schwarz, geerntet wird von Oktober bis November. „Der ideale Fruchtwechsel: Zuerst die Marille, dann der Wein und danach die Olive!“

Vom Weinberg zum Olivenhain

„Olivenanbau in Österreich hat definitiv Zukunft!“ Markus Fink ist wissenschaftlicher Leiter der Agro Rebels. Als Verein erforschen die „Ackerbau-Rebellen“ gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur Wien exotisch-mediterrane Obst- und Gemüsesorten und unterstützen mit ihrem Wissen heimische Landwirte und Bäuerinnen, sich mit alternativen Pflanzen an den Klimawandel anzupassen. Ihr Ziel ist, die Olive österreichweit auf heimischen Ackerflächen zu etablieren. „Anstatt uns zu fragen, was der Klimawandel mit uns macht, fragen wir doch, was wir mit ihm machen können.“

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Welche Pflanzen profitieren vom Klimawandel?

Auf den Feldern von 30 bis 40 Partnerbauern wachsen österreichweit rund 5000 Olivenbäume. „Wir analysieren Boden und Mikroklima und suchen die idealen Sorten für den jeweiligen Standort.“ Früchte und Kräuter, die derzeit aus Italien, Portugal, Spanien oder Frankreich importiert werden, würden laut ihren Studien auch auf österreichischen Feldern wachsen. Bald werden die ersten größeren Ernten erwartet. Zeitgleich startet ein neues Forschungsprojekt mit der FH Wiener Neustadt: „Jetzt geht es darum zu ergründen, wie das neue Produkt sinnvoll vermarktet werden kann.“ 

Chancen statt Krisen

Wo andere Krisen sehen, sehen Markus Fink und seine beiden Kollegen Chancen: „Lavendel oder Rosmarin, Oliven, Granatäpfel und Feigen könnten ohne weiteres aus heimischer Landwirtschaft im Supermarktregal liegen.“ Besonders der landwirtschaftlich intensiv genutzte Osten und Südosten Österreichs kämpft schon jetzt mit immer längeren Trockenperioden. Sie bedrohen die Erträge bei herkömmlichen Marktfrüchten und Getreide.

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Bio-Wein-Guide Südtirol

Ob biologisch – ohne Chemie und mit viel Liebe zum Boden – oder biodynamisch, wo Mond und Sterne mitreden: Nachhaltigkeit liegt hier im Glas!

Neue Sorten ernten: von Süßkartoffel bis Pawpaw

„Leguminosen wie Erbse oder Ackerbohne sind von den Feldern völlig verschwunden.“ Richard Erasim ist seit 26 Jahren Landwirt im nördlichen Niederösterreich. Wo er bisher Mais geerntet hat, wachsen jetzt Kichererbsen – sie kommen mit Dürren besser zurecht. In diesen Regionen sollen sich Häufigkeit und Anzahl von Trockenperioden bis zum Ende des Jahrhunderts noch deutlich erhöhen. Laut aktuellen Klimamodellen könnte die mittlere Temperatur in Niederösterreich um mehr als 3,9 Grad Celsius ansteigen, wenn Treibhausgase wie bisher freigesetzt werden. 

Feld und Acker als Spielwiese für Innovation

Mit seinem Bruder Thomas Labuda gründete Richard Erasim die Erla-Exoten, eine Spielwiese für Innovation auf dem Feld. „Jedes Jahr teste ich eine neue Kultur!“ Physalis, Melone und Süßkartoffel aus Niederösterreich. Seit 2017 setzen sie auf Haselnüsse und die Pawpaw. „Im Geschmack zwischen Mango und Banane mit einem Hauch von Vanille,“ stammt die „Indianerbanane“ aus Nordamerika. Auf einem Hektar wurden in Etappen etwa 1000 Bäume gepflanzt. „Im klassischen Ackerbau bin ich weltmarktabhängig. Als kleiner österreichischer Bauer muss ich mich mit Großkonzernen in Australien und Amerika messen.“ Die Pawpaw ist ein Nischenprodukt, das es bisher nicht einmal in Supermärkte geschafft hat. „Die erste niederösterreichische Pawpaw zu ernten, war etwas Besonderes!“

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Pawpaw Pflanze am Baum
© Thomas Labuda
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Aufgeschnittene Pawpaw Frucht
© Thomas Labuda
Probeanbau: Pflanzen auf dem Prüfstand

Auch in Deutschland versuchen sich Landwirte und Bäuerinnen an Alternativen. In Schwaben sammelt Bio-Bauer Dominik Spegel Erfahrungen mit Erdnüssen. „Der Klimawandel fordert zukunftsträchtige Ackerfrüchte, die Dürren besser standhalten,“ erklärt der junge Landwirt, auf dessen Demeter- Hof neben Mais und Getreide auch Kartoffeln, Haselnüsse, Zwiebeln, Knoblauch und Spargel wachsen. Die nicht nur zu Nikolo beliebte Erdnuss ist keine Nuss, sondern eine Hülsenfrucht und wächst vorwiegend in warmen Klimazonen in Asien, Afrika und Südamerika. Sie ist genügsam und übersteht Trockenperioden gut. 

Frost, Frust und frische Ideen

2022 startete Dominik Spegel den ersten Probeanbau. Das Saatgut kam aus Usbekistan, seine ersten Jungpflanzen fielen erst einmal dem Frost zum Opfer. Die Erdnuss wächst unterirdisch, als Fruchtkörper auf Stängeln, die sich erst nach der Blüte in die Erde bohren. Geerntet wird im Oktober, wenn die Pflanze verwelkt. Das erfordert in Deutschland noch viel Handarbeit, denn Erntetechnik ist kaum verfügbar. Dann ist Kreativität gefragt. „Da wird dann der Schwingroder aus dem Kartoffelanbau auf Erdnuss getrimmt.“

Was wird künftig angebaut?

Auf die Erdnuss kam Dominik über das Projekt „FutureCrop“ der Arbeitsgruppe Kulturpflanzenvielfalt der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Ihr Ziel: Fünf alternative Bodenkulturen sollen auf ihre regionale Anbaufähigkeit geprüft und entsprechende Sorten- und Anbauempfehlungen erarbeitet werden. Auf dem Prüfstand stehen Erdnuss, Augenbohne, Sesam, Schwarzkümmel und Reis. Kriterien für diese Auswahl waren, dass es für sie in ihren Ursprungsländern moderne Produktionsverfahren gibt, und sie den Konsument*innen in Deutschland bereits durch Importe bekannt sind. Dann könnte durch ihren Anbau in Deutschland durch kürzere Transportwege CO₂ gespart werden.

Food-Expertin Hanni Rützler
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Erfahre mehr über die Food Trends 2025

Du interessierst dich für aktuelle Food Trends? Hanni Rützler, Ernährungsexpertin und Zukunftsdenkerin, weiß, was in Zukunft auf deinem Teller landet und blickt mit uns in die kulinarische Zukunft. Lies weiter – dein Geschmackssinn wird es dir danken! 

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Erdnussernte
© Birgit Gleixner
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Salatanbau mit Aquaponik
© Alexander Schechinger
Landwirtschaft neu denken mit Aquaponik

Außergewöhnlich ist auch die Idee, die drei Brüder und ihr Schwager im Südtiroler Ort Tramin unter dem Namen „Solos“ in die Tat umgesetzt haben. Aquaponik nennt sich die Methode, die Fischzucht und Gemüseanbau in einem Kreislauf verbindet. Was bei herkömmlicher Fischzucht – zum Beispiel von Lachsforellen in Becken – irgendwann als Abwasser heimischen Gewässern zugeführt wird, düngt bei „Solos“ Salat und Kräuter. „Die Versorgung mit Nährstoffen übernehmen die Fische,“ erklärt Matthäus Kircher, Mitbegründer des Start-ups. 

2-in-1: Fischzucht und Gemüseanbau

Zwischen Weingärten und Apfelplantagen arbeiten die südtiroler Jungunternehmer an einer neuen Methode um ressourcenschonend, ganzjährig lokal und platzsparend Lebensmittel zu produzieren. „Wir wollen Landwirtschaft neu denken und neue Maßstäbe für Nachhaltigkeit in der Ernährung setzten.“ Nur weil etwas immer schon so gemacht wurde, muss das für sie nicht so bleiben. In Zusammenarbeit mit der Alpenaquafarm Tirol wird aktuell eine Fischzucht mit Afrikanischem Wels und Forellenbarsch gestartet. Ein Projekt, das auch wissenschaftlich begleitet wird, um anderen Visionär*innen den Weg in die Aquaponik-Zukunft zu erleichtern.

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© Stefan Mahlknecht

Matthäus Kircher und seine Geschäftspartner bei "Solos" legen Wert auf den sinnvollen Einsatz von Ressourcen.

Felder im (Klima)Wandel

„Niemand muss dafür in ein Flugzeug steigen!“ Peter Dienstl verfolgt im nördlichen Niederösterreich einen ähnlichen Ansatz. Um ihn herum summen Bienen, Hummeln und Schmetterlinge im wogenden Violett. Als „Lavendelpeter“ holt er die Provence ins Weinviertel. „2018 musste ich meine 6000 Pflanzen noch abenteuerlich aus dem Tal der Könige in Bulgarien importieren.“ Der Kleinstrauch gedeiht auf kargen, steinigen, sonnigen Lagen und liebt Trockenheit und warme Temperaturen. Bedingungen, die für klassische Landwirtschaft oft ungeeignet sind. 

Allein von 2022 auf 2023 stieg die Lavendel-Anbaufläche österreichweit von 40 auf 141 Hektar. Sogar in Höhenlagen auf 1200 Metern wächst die blauviolette Heilpflanze in den Salzburger Bergen. Bei Peter blüht echter Lavendel, aus dem er in Handarbeit hochwertiges Lavendelöl, Hydrolate oder Sirup herstellt. Juni und Juli ist Hochbetrieb auf dem Feld: Shootings, Filmdrehs, Ernteworkshops. „Besondere Produkte verdienen eine besondere Vermarktung!“

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Landwirt im Lavendelfeld
© Karin Wasner

"Die ganze Welt ist lila", zumindest bei "Lavendelpeter" Peter Dienstl im Weinviertel. 

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Getrockneter Lavendel
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Ernten, was keiner erwartet

600 Kilometer Luftlinie entfernt beweisen Petra und Andreas Mathias Pioniergeist auf ihrem Acker in Niederösterreich. Vor vier Jahren pflanzten die jungen Landwirte ihre Mandelplantage. „Neben unseren Klassikern Mais, Sonnenblume und Getreide wollten wir etwas, das es sonst nicht aus heimischer Landwirtschaft gibt und das wir selbst vermarkten können.“ Ein Jahr zuvor erntete Andreas auf dem sonnigen Hang in der kleinen Gemeinde Kreuzstetten die letzten Kürbisse. Starkregenereignisse machten ihm die letzten Sommer dort immer öfter Probleme. „Ein bisschen verrückt muss man sein, etwas zu starten, von dem man keine Ahnung hat,“ verrät Petra.

Mit der Schere kappt sie unermüdlich Wasserschoße und sorgt so für genug Licht in den Baumkronen. 21 Reihen, je 300 Bäume. 6300 Mandelbäume, die großteils von Hand gepflegt werden. „Auf unsere erste Ernte im vorigen Jahr war der ganze Ort gespannt.“ Ihre niederösterreichischen Mandeln, die unter dem Namen „Amandala“ ins Regal kommen, sind nicht nur größer, auch geschmacklich sind sie den Importen aus Kalifornien und Spanien überlegen. Im September kam erstmals eine Erntemaschine zum Einsatz. 

Pioniergeist, Mut und Innovation

Ein Landwirt aus Oberösterreich hat eigens eine Weinlesemaschine umgebaut. „Bisher haben wir jede einzelne Mandel gepflückt!“ Gemeinsam entwickeln die innovativen Bauern und Bäuerinnen Lösungen für Herausforderungen, mit denen alle zu kämpfen haben. Konkurrenz spielt keine große Rolle, sie arbeiten zusammen an einer Zukunft für die regionale Lebensmittelproduktion. „Nicht jammern, sondern anpacken, sich etwas trauen und machen!“ Das Paar ist überzeugt, dass es mutige Ideen und frischen Wind in der Landwirtschaft braucht.

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Beschnitt von Mandelbäumen
© Karin Wasner

Petra Mathias Herzensprojekt: ihre Mandelplantage in Niederösterreich.

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Korb mit frisch geernteten Mandeln
© Karin Wasner

Visionär*innen