Daniel Kravina war noch nie auf einem Segelschiff. Trotzdem ist er jetzt Miteigentümer eines der letzten historischen Großsegler. Das große Ziel: Waren wie Kaffee, Kakao oder Rum segeln ausschließlich mit Kraft des Windes über den Atlantik.
Toppsegelschoner, Windjammer, Frachtsegler: Synonyme für Daniel Kravinas Neuerwerbung. Sie ist eine der letzten Diven aus jener Zeit, als die nicht motorisierte Schifffahrt technisch auf ihrem Höhepunkt angelangt war. Sie lief 1911 als Meta in der deutschen C. H. Lühring Werft in Brake vom Stapel. Von der Reederei Oltmann in der Nord- und Ostsee als Frachtsegler eingesetzt, wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg in Frankreich motorisiert. Es verschlug sie nach Italien, wo sie, ab 1954 in Onice umbenannt, bis heute der älteren Generation noch ein Begriff ist: Als Linienfrachter zwischen Sizilien und der schroffen Insel Pantelleria. 1999 als unrentabel ausgemustert, wurde sie schließlich in einem Winkel des Hafens von Trapani abgestellt und dort vergessen. Aufgestöbert hat sie Kravinas Bruder Oscar. „Er ist das Herz unseres Projekts“, so Daniel Kravina. Als die aus Italien stammenden Brüder das Schiff zum ersten Mal besuchen, ist es in erfreulich gutem Zustand. Der karbonhaltige Stahlrumpf hat kaum Rost angesetzt. Nun soll das historische Segelschiff, geht es nach dem Wiener Kulturunternehmer, 2018 als Brigantes zu seinem dritten Leben auferstehen: nach Originalplänen in Handarbeit rückgebaut.
Ihr Schwesternschiff, die Friedrich, wurde schon in den Siebzigerjahren wachgeküsst, und kreuzt als Eye of the Wind nicht nur auf den Weltmeeren, sondern auch in zahlreichen Hollywood- Produktionen die Kinoleinwand. Derzeit wird der Rumpf der Ex-Meta in jener Werft, in der sie schon als Onice gewartet wurde, wieder so weit seetüchtig gemacht, dass sie nach Triest überstellt werden kann, wo sie, wie Kravina hofft, auch ihren Heimathafen finden soll. Dort wird der größte Teil der Rückbauarbeiten stattfinden. Schon jetzt schlagen die Pläne von Oscar und Daniel Kravina international Wellen. Zahlreiche Freiwillige aus der ganzen Welt melden sich, um nach Vorbild der Tres Hombres, die seit einigen Jahren mit ihrem Segelschiff Frachten transportieren, Teil eines neuen Abenteuers zu werden. Sie wollen Hand anlegen. „Hier soll Handarbeit drinstecken, einfache Tätigkeiten, schneiden, schleifen, hobeln, schmirgeln, Verbindungen stecken; Holz ist unser Baumaterial, die Hände sind unsere Werkzeuge, eingekauft wird die Technologie, die wir für heutige Standards brauchen“, erzählt Kravina, „die Motorisierung wird rückgängig gemacht, nur ein kleiner Elektromotor für die Hafenmanöver muss sein, bei allem anderen halten wir uns so gut wie möglich an die Originalpläne.“ Den Masterplan für die Restaurierung hat der gelernte Bootsbauer Oscar Kravina. Er entwirft in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieur im Team, Tobias Blome aus Glückstadt, das Innenleben des künftigen Frachtseglers, um Ästhetik und Formsprache der Schiffe von damals mit den Bedürfnissen von heute in Einklang zu bringen. 17 Meter lang wird der Frachtraum sein, der Rest des 30 Meter langen und sieben Meter breiten Schiffes wird die siebenköpfige Crew und bis zu zehn Passagiere beherbergen. Den Luxus von Einzelkabinen oder Klimaanlage wird es nicht geben. Segeln verstehen die beiden Neo-Seeleute als Gemeinschaftserlebnis.
Wann das Schiff fertig sein wird? Kravina zuckt mit den Schultern: „Wir segeln auch nur, wenn es Wind gibt.“ Mit Schiffsanteilen wird das Projekt finanziert. Kaufen kann sie jeder, der gerade 1000 Euro übrig hat. Wenn genug Geld da ist, wird die nächste Etappe in der Restaurierung zurückgelegt. Auf Banken und Großinvestoren will Kravina bei seinem Projekt bewusst verzichten: Es geht ihm um Selbstermächtigung des mündigen Bürgers, um die Möglichkeit der Partizipation, und die ist mannigfaltig: sei es als Investor, Passagier, Volontär, der im Urlaub oder Sabbatical den Hobel schieben will, oder später als Käufer eines segeltransportierten Produkts.
Als Unternehmer geht es Kravina um Transparenz und Vertrauen. Mit alternativer Transportlogistik will er die Welt im Kleinen verändern. Mit dem Schiff werden er und sein Team Kaffee für kleine Röstereien, Olivenöl, Wein, Gewürze und Green Technology transportieren. Produkte und Mengen, die sich mit Containerschiffen und deren Ökobilanz einfach nicht vertragen. „Denn Fair Trade und alle anderen Gütesiegel sind nichts wert, wenn Umwelt und Menschheit die Preisdifferenz für den billigen Transport bezahlen“, ist Kravina überzeugt. Die ersten Röstereien haben schon ihr Interesse bekundet. Wie lang es dauere, bis der Kaffee aus Südamerika da sei, wollen sie wissen. „Das hängt vom Wind ab“, erklärt Kravina dann die Wertsteigerung des Produkts durch das Erwarten, „es muss nicht immer alles sofort lieferbar sein. Wenn ich segeltransportierten Kaffee will, dann muss er mir das Warten wert sein.“ Einmal pro Jahr ist eine Überfahrt von Portugal nach Brasilien geplant, von wo aus die südamerikanischen Häfen abgefahren werden, danach geht es retour nach Europa. Den Rest des Jahres will Kravina im Mittelmeer jene Häfen ansteuern, die für die großen Schiffe zu klein sind. Als Nebeneffekt erhofft er sich die Wiederbelebung der Häfen als Orte der Begegnung: Wenn Handwerker, Bauern, Kleinunternehmer ihre Fracht bringen oder abholen oder wenn Menschen einfach nur kommen, um dabei zu sein. Aufsehen wird die Brigantes jedenfalls erregen.