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Der Wert des Wartens – der Kaffee segelt übers Meer

Blog • Soziale Verantwortung

Daniel Kravina war noch nie auf einem Segelschiff. Trotzdem ist er jetzt Miteigentümer eines der letzten historischen Großsegler. Das große Ziel: Waren wie Kaffee, Kakao oder Rum segeln ausschließlich mit Kraft des Windes über den Atlantik.

Marie-Theres Stremnitzer
12. Juni 2022
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Segelschiff für fairen Kaffee

Toppsegelschoner, Windjammer, Frachtsegler: Synonyme  für Daniel Kravinas Neuerwerbung. Sie ist eine  der letzten Diven aus jener Zeit, als die nicht motorisierte  Schifffahrt technisch auf ihrem Höhepunkt  angelangt war. Sie lief 1911 als Meta in der deutschen  C. H. Lühring Werft in Brake vom Stapel. Von der Reederei  Oltmann in der Nord- und Ostsee als Frachtsegler eingesetzt,  wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg in Frankreich motorisiert. Es  verschlug sie nach Italien, wo sie, ab 1954 in Onice umbenannt, bis  heute der älteren Generation noch ein Begriff ist: Als Linienfrachter  zwischen Sizilien und der schroffen Insel Pantelleria. 1999  als unrentabel ausgemustert, wurde sie schließlich in einem  Winkel des Hafens von Trapani abgestellt und dort vergessen.  Aufgestöbert hat sie Kravinas Bruder Oscar. „Er ist das Herz  unseres Projekts“, so Daniel Kravina. Als die aus Italien stammenden  Brüder das Schiff zum ersten Mal besuchen, ist es in  erfreulich gutem Zustand. Der karbonhaltige Stahlrumpf hat  kaum Rost angesetzt. Nun soll das historische Segelschiff, geht es  nach dem Wiener Kulturunternehmer, 2018 als Brigantes zu seinem  dritten Leben auferstehen: nach Originalplänen in Handarbeit  rückgebaut.  

 

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Rückbau nach Originalplänen

Ihr Schwesternschiff, die Friedrich, wurde schon in den Siebzigerjahren  wachgeküsst, und kreuzt als Eye of the Wind nicht nur  auf den Weltmeeren, sondern auch in zahlreichen Hollywood-  Produktionen die Kinoleinwand.  Derzeit wird der Rumpf der Ex-Meta in jener Werft, in der sie  schon als Onice gewartet wurde, wieder so weit seetüchtig  gemacht, dass sie nach Triest überstellt werden kann, wo sie, wie  Kravina hofft, auch ihren Heimathafen finden soll. Dort wird der  größte Teil der Rückbauarbeiten stattfinden. Schon jetzt schlagen  die Pläne von Oscar und Daniel Kravina international Wellen.  Zahlreiche Freiwillige aus der ganzen Welt melden sich, um nach  Vorbild der Tres Hombres, die seit einigen Jahren mit ihrem Segelschiff  Frachten transportieren, Teil eines neuen Abenteuers zu  werden. Sie wollen Hand anlegen. „Hier soll Handarbeit drinstecken,  einfache Tätigkeiten, schneiden, schleifen, hobeln, schmirgeln,  Verbindungen stecken; Holz ist unser Baumaterial, die Hände  sind unsere Werkzeuge, eingekauft wird die Technologie, die wir  für heutige Standards brauchen“, erzählt Kravina, „die Motorisierung  wird rückgängig gemacht, nur ein kleiner Elektromotor für  die Hafenmanöver muss sein, bei allem anderen halten wir uns so  gut wie möglich an die Originalpläne.“  Den Masterplan für die Restaurierung hat der gelernte Bootsbauer  Oscar Kravina. Er entwirft in enger Zusammenarbeit mit  dem Ingenieur im Team, Tobias Blome aus Glückstadt, das Innenleben  des künftigen Frachtseglers, um Ästhetik und Formsprache  der Schiffe von damals mit den Bedürfnissen von heute in Einklang  zu bringen.  17 Meter lang wird der Frachtraum sein, der Rest des  30 Meter langen und sieben Meter breiten Schiffes wird die siebenköpfige  Crew und bis zu zehn Passagiere beherbergen. Den Luxus  von Einzelkabinen oder Klimaanlage wird es nicht geben. Segeln  verstehen die beiden Neo-Seeleute als Gemeinschaftserlebnis.

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Restaurieren mit Crowdfounding

Wann das Schiff fertig sein wird? Kravina zuckt mit den Schultern: „Wir segeln auch nur, wenn es Wind gibt.“ Mit Schiffsanteilen wird das Projekt finanziert. Kaufen kann sie jeder, der gerade 1000 Euro übrig hat. Wenn genug Geld da ist, wird die nächste Etappe in der Restaurierung zurückgelegt. Auf Banken und Großinvestoren will Kravina bei seinem Projekt bewusst verzichten: Es geht ihm um Selbstermächtigung des mündigen Bürgers, um die Möglichkeit der Partizipation, und die ist mannigfaltig: sei es als Investor, Passagier, Volontär, der im Urlaub oder Sabbatical den Hobel schieben will, oder später als Käufer eines segeltransportierten Produkts. 

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Der Kaffee segelt über das Meer

Als Unternehmer geht es Kravina um Transparenz und Vertrauen. Mit alternativer Transportlogistik will er die Welt im Kleinen verändern. Mit dem Schiff werden er und sein Team Kaffee für kleine Röstereien, Olivenöl, Wein, Gewürze und Green Technology transportieren. Produkte und Mengen, die sich mit Containerschiffen und deren Ökobilanz einfach nicht vertragen. „Denn Fair Trade und alle anderen Gütesiegel sind nichts wert, wenn Umwelt und Menschheit die Preisdifferenz für den billigen Transport bezahlen“, ist Kravina überzeugt. Die ersten Röstereien haben schon ihr Interesse bekundet. Wie lang es dauere, bis der Kaffee aus Südamerika da sei, wollen sie wissen. „Das hängt vom Wind ab“, erklärt Kravina dann die Wertsteigerung des Produkts durch das Erwarten, „es muss nicht immer alles sofort lieferbar sein. Wenn ich segeltransportierten Kaffee will, dann muss er mir das Warten wert sein.“ Einmal pro Jahr ist eine Überfahrt von Portugal nach Brasilien geplant, von wo aus die südamerikanischen Häfen abgefahren werden, danach geht es retour nach Europa. Den Rest des Jahres will Kravina im Mittelmeer jene Häfen ansteuern, die für die großen Schiffe zu klein sind. Als Nebeneffekt erhofft er sich die Wiederbelebung der Häfen als Orte der Begegnung: Wenn Handwerker, Bauern, Kleinunternehmer ihre Fracht bringen oder abholen oder wenn Menschen einfach nur kommen, um dabei zu sein. Aufsehen wird die Brigantes jedenfalls erregen. 

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