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Schnee von morgen:
Südtirols grüne Macher*innen

Blog • Südtirol

Ganz oben am Stiefel, zwischen Meer und Dolomitengipfeln, geht die Young Generation neue Wege. Südtirols grüne Pioniere sind Vorreiter in Sachen Fair Fashion, sie designen Lampen aus Laub oder bauen zarte Pflänzchen in Garagen an.

Franziska Riedl
8. Dezember 2023
Ulrich Kager & Patrick Sanin: Zarte Pflänzchen als Superfood

Die Garage als Brutstätte großer Ideen hat sich schon oft bewährt: Apple, Google, Harley-Davidson, sie alle entstanden zwischen Umzugskartons und Laubrechen. Auch als Ulrich Kager am ersten Prototypen eines Pflanzenregals bastelt, steht er in der Garage des elterlichen Hofs. Mittlerweile führen er und Patrick Sanin das Unternehmen Profarms. Seit 2021 stapeln sie grüne Microgreens im Vertical Farming-Verfahren. Die zarten Gemüse- und Kräuterpflänzchen stehen in ihrer Wachstumsstufe direkt hinter den Sprossen und gedeihen verwurzelt in einem Substrat aus Südtiroler Schafwolle oder Bio-Hanffasern – weit professioneller als zu Beginn, aber immer noch in der selben Garage in St. Pauls. In Karton verpackt landet das heimische Superfood in Gastro- und Hotelbetrieben in ganz Südtirol. Bald wollen die Burschen gemeinsam mit einem lokalen Bio-Landwirt expandieren. Eine Produktion in Linz steht an.

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Elisabeth Prugger: Das biointensive Ackerle

Elisabeth Prugger geht in der Landwirtschaft radikale Wege, die studierte Landschaftsplanerin besinnt sich nämlich aufs Einfache, aufs Alte. In ihrem Heimatdorf Tschengls im Vinschgau betreibt sie, unterstützt von ihrem Partner Simon, auf dessen elterlichen Hof eine kleinbäuerliche Vielfaltsgärtnerei. Ein Ackerle, wie sie sagt, mit dem die beiden Sorten wieder zugänglicher machen und das Angebot bereichern. Die Beete auf dem 1,5 Hektar großen Feld bearbeitet sie statt mit tonnenschweren Traktoren mit der Hand. Oder mit originellen Kleingeräten. Nach den Regeln des biointensiven Anbaus darf das Gemüse hier noch Gemüse sein, auch auf naturgesetzte Grenzen gibt Elisabeth acht. Alles angepasst an den Standort, mit dem Lastenrad geerntet und am lokalen Markt angeboten. Salat, Radieschen, Spinat, Knoblauch – „das Greiterhaus ist ein Fleckerlteppichhof, auf dem viel Unterschiedliches passiert“, sagt sie.

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Markus & Thomas Puff: Vitale Reben, vitaler Wein

Es könnte einfacher sein, das Weinmachen. Aus jeder einzelnen Lage holen Markus und Thomas Puff das Allerbeste heraus. Im Weinberg arbeiten die beiden herbizidfrei und nehmen der Natur damit nichts. Im Gegenteil: Achtsam bewirtschaften sie sechs Hektar sehr gut genährter Böden. Die durchlüfteten Hanglagen sorgen für vitale Rebstöcke. Sobald die Vergärung der Trauben im Keller passiert ist, bringen sie die Trester wieder zurück in den Weinberg. Die kompostierte Erde lockert die Böden, ein Zuhause für wichtiger Lebewesen entsteht und der Kreislauf der Natur schließt sich.
Humorvoll, achtsam und ehrlich arbeiten die Pitzner Brüder Hand in Hand. In ihrem Keller in Kardaun entstehen so jährlich an die 60.000 Flaschen Charakterwein.

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Franziska Haller: Wolle mit Charakter

Seit 1948 produziert der Familienbetrieb Spinnradl maßgeschneiderte „Psairer-Sarner“, Jacken und Westen aus reiner, naturbelassener Bergschafwolle. In der Werkstatt in St. Leonhard rattern seit 75 Jahren die selben Maschinen. Längst gäbe es neue, effizientere. Aber im Passeiertal bleibt man aber beim Altbewährten.
Die jüngste Enkelin des Gründers Alois Haller steht nun an der Spinnradl-Spitze. Franziska Haller hilft dem Unternehmen, moderner zu werden. Behutsam ändert sie auch einige Schnitte. Sonst nichts. Ihre Kunden und Kundinnen wertschätzen den hiesigen Rohstoff heute mehr als früher: „Damals war es selbstverständlich, die lokale Wolle zu verarbeiten, es gab ja keine Alternative“. Heute gäbe es Alternativen zuhauf – bis hin zur weichen Merinowolle aus Neuseeland. Aber Menschen blieben der robusten, langlebigen Bergschafwolle gerne treu. Sie wollen eben eine „Wolle mit Charakter“.

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Jasmin Castagnaro: Designerstücke aus Abfall

Sobald in Südtirol die Blätter von den Ästen segeln, ist Jasmin Castagnaro mit großen Taschen unterwegs und sammelt sie ein. In ihrem Studio sortiert sie das Laub nach Farben, mischt es mit natürlichen Bindemitteln und Bio-Harzen, presst es in wiederverwendbare Holzformen. Aus natürlichem „Abfall“ entstehen so minimalistische Lampenschirme.
„Laub ist ein Material, das für die Natur Sinn macht. Aber der Mensch entsorgt es“, so Castagnaro. Nach sechs Jahren Bildschirmarbeit in einem Designbüro, wächst ihr Wunsch, etwas „von Anfang bis zum Ende mit den Händen zu erschaffen“. Sie kündigt. Und findet im Laub „ihr Material“. Mit der Recycled Nature Collection will die Designerin fortan Menschen für einen bewussten Umgang mit der Umwelt sensibilisieren. Und aufzeigen, dass man nach guten Plastikalternativen oft gar nicht lange zu suchen braucht. In ihrem Fall liegen sie direkt vor der Haustüre.

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© FlipFlop Collective
René Romen: Auf der Schokoladenseite

René Romen wächst in Mitterplars bei Meran auf, in der Straße mit der Nummer 58. Die Zahl spielt in seinem Leben bald noch eine große Rolle, aber Stück für Stück: Nach der Schule geht René nach Berlin und London. Er jobbt in der Spitzengastro, vermisst aber sein Leben auf Nr. 58. Acht wilde Jahre später kommt er zurück, um hier sein eigenes Business zu starten. Heute produziert er in einer kleinen Hintergasse im Zentrum Merans handgemachte Edelschoko from bean to bar. In die Tafeln kommen wenige, ausgewählte Zutaten, am liebsten regionale. Die Bohnen selektiert er per Hand, packt jede Tafel einzeln ein, bringt sie persönlich in die Verkaufsstores.
„Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch ein Verständnis für die eigene Kultur und das Leben rundherum zu entwickeln“, so Romen. 58 Chocolate ist damit die Fusion zwei seiner ganz großen Lieben: der zur Schokolade und der zu seiner Heimat.

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© Markus Federspiel
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© Peppis Kreativstudio
Eva Haller: Aus Mangel wird Biodrink

Eva Haller wächst mit der Sennerei Algund nahe von Meran auf. Als junge Erwachsene beschäftigt sie sich mehr und mehr mit Veganismus, will bald den Kaffee nicht mehr mit Kuhmilch trinken. Gesagt, aber nicht getan. Denn was ist die Alternative? „Hafena entstand aus einem Mangel heraus“, sagt sie heute. „Mir fehlte es schlicht an regional produzierten Milchalternativen.“ Eva geht zu ihrem Vater. Der Stein kommt ins Rollen. Mit seinem Knowhow als Leiter der Sennerei steht er ihr bei der Entwicklung des eigenen Pflanzendrinks zur Seite.
Den Hafer bezieht Eva aus dem Vinschgau und dem Pustertal. Sämtliche Inhaltsstoffe werden im Bio-Anbau mit geringem Wasserverbrauch und niedrigen CO2-Emissionen hergestellt. Abgefüllt wird in umweltfreundlichen Mehrwegglasflaschen. Damit will Eva Haller auch regionale Kreisläufe ankurbeln und Wirtschaften im Gleichgewicht zwischen Boden, Pflanze und Mensch.

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Andreas Kalser & Josef Obkircher: Zwei echte Glückspilze

Kirnig ist aus dem Wunsch heraus entstanden, ein gemeinsames Projekt zu starten, das gut in unsere Zeit passt“, erzählt Andreas Kalser. Seit 2018 baut der Obst- und Weinbauer gemeinsam mit seinem Freund und Landwirt Josef Obkircher Schwammerl in Aldein an. Kräuterseitlinge, Skiitake und Austernpilze auf 1.500 Höhenmeter. In ihrer Entstehung einzigartig: Kirnig Pilze reifen rund 13 Wochen in speziell dafür ausgestatteten Pilzzellen heran, die Aufzucht geschieht rein biologisch und frei von chemischen Zusätzen. Kaiser und Obkircher manövrieren damit Südtirols erste biologische Edelpilze hinaus in die weite Welt. Wobei weite Welt etwas groß gefasst ist. Ziel sind nämlich ganz bewusst die nahe gelegenen Gastrobetriebe, Privatpersonen, Bio- und Feinkostläden. Durch die kurzen Wege zum Endverbraucher verzichten die innovativen Landwirte so zusätzlich noch auf aufwändiges Verpackungsmaterial.

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© Kirnig
Mirjam Hellrigl: Mode mit Statement

Eigentlich wollte Mirjam Hellrigl für Menschenrechte kämpfen. Nur fehlte ihr dabei der kreative Raum. Mittlerweile vereint sie beides in ihrem nachhaltigen Modelabel.
Der Name Überfliegerin entstand als Hommage an die Frauenrechtlerin Amelia Earhart, die als erste Frau den Atlantik und den Pazifik mit einem Flugzeug überquerte. „Mich beeindruckte, dass sich eine Frau in Zeiten männlicher Autorität über Grenzen hinwegsetzte“, so die Designerin. In ihrem Atelier in Meran kombiniert sie ganz bewusst feminine Details mit geradlinigen Männerschnitten. Mirjam arbeitet ausschließlich mit nachhaltigen und fair produzierten Materialien, die Stoffe sind oft Reste von Überproduktionen, Material, das normalerweise im Müll landet. Mode ist für sie Ausdruck von persönlichem Stil, ethischer Verantwortung, feministischer Botschaft und letztlich am Körper getragener Kunst. Sie setzt damit starke ästhetische Akzente, aber auch politische Statements.

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Daniel Tocca: Shoppen mit gutem Gewissen

Seit Jahren macht Daniel Tocca nachhaltig und fair produzierte Kleidung in Südtirol zum Thema. 2013 gründet er das Label Re-Bello, damals die erste nachhaltige Fashion-Brand made in Italy. Die Kauri Stores entwachsen daraus, 360 Grad sustainable Lifestyle-Shops, die sich in ganz Südtirol verteilen und deren Markenportfolio so kuratiert ist, dass Menschen mit gutem Gewissen kaufen können, ohne dabei aufs Label zu achten.
Das Thema Nachhaltigkeit hat sich in Daniels Kopf peu à peu verankert: „Das Interesse wuchs im Prozess“ sagt der Bozner. „Dass Kleidung auch Chemikalien und Schadstoffe beinhalten kann, musste ich erst erforschen.“ Seine Arbeit war ihm dabei der größte Lehrmeister. Mit dem Tun kam das Knowhow, das wiederum manifestierte sich im Wunsch, in der Gesellschaft ein Bewusstsein zu schaffen. Mit Kauri gelingt ihm das, und zwar 360 Grad.

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© Kauri

Visionär*innen