Sein Großvater war Weichensteller, sein Onkel Fahrdienstleiter und sein Cousin Lokführer. Der in Tschechien lebende Autor mit Zweitwohnsitz Berlin liebt den Weg mehr als das Ziel. In seinen Büchern spielt das Zugreisen die Hauptrolle.
Ob in „Trieste Centrale“, „Winterbergs letzte Reise“ oder dem aktuellen Werk „Durch den Nebel“ – wer ein Buch von Jaroslav Rudiš aufschlägt, geht automatisch mit an Bord. In seinem Bestseller „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ widmet er sich den schönsten Bahnhöfen, verwebt die Historie der Eisenbahn mit den Geschichten der Menschen, denen er begegnet. Und er verrät, warum die schnellste Strecke selten die schönste ist. Jaroslav Rudiš ist Schriftsteller und Weichensteller und schreibt mit großer Wortgewalt über die Magie der Eisenbahn. Als leidenschaftlicher Bahnfahrer führt ihn sein Weg selten von A nach B. Es ist das Reisen ohne Druck, das ihn reizt und befreit. „Für mich hat die Eisenbahn etwas Beruhigendes, Meditatives. Ich fahre oft auch mal so los. Wenn ich mit einem Text nicht weiterkomme, kaufe ich mir ein Ticket und steige ein.“
Eine Lieblingsstrecke hat Rudiš nicht wirklich, nur bevorzugte Erinnerungen: „Jede längere Fahrt ist spannend. Eine Reise durch mehrere Länder zum Beispiel, wenn man von Berlin über Tschechien nach Wien fährt. Zu sehen, wie sich die Landschaft und die Menschen verändern. Die vielleicht schönste Fahrt war die, die ich für das Buch ‚Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen‘ gemacht habe. Die ging von Berlin nach Marseille, dann weiter nach Rom und Palermo und dann nach Finnland. Man gewöhnt sich an den Sound und die sehr angenehme Bewegung, an das leichte Wanken und Schaukeln. Als ich am Ende der Reise wieder in Berlin angekommen war, dachte ich: wieder losfahren, wieder weiterfahren". In Österreich faszinieren den Schriftsteller vor allem die historischen Strecken: „Über den Semmering bin ich schon oft nach Triest gefahren, das ist mehr als eine Reise. Man kann von der Vergangenheit träumen und bestaunen, was mutige Menschen wie Eisenbahnpionier Carl von Ghega erschaffen haben.“ Aber auch kleine, kurze und wenig bekannte Strecken wie von Linz-Urfahr nach Aigen-Schlägl haben es ihm angetan. „Diese wunderschöne Landschaft lässt niemand kalt. Nur beim Zugfahren kann man so tief in die Natur eintauchen, man wird ein Teil von ihr.“
Die Nähe zur Umgebung und das entschleunigte Reisen gefallen Jaroslav Rudiš: „Bahngleise sind wie Lebensadern. Sie verbinden Länder, Städte, Kulturen und Menschen.“ Lob gibt es auch für die rot-weiß-rote Nightjet-Renaissance. „Die Österreicher haben jene Nachtzüge gerettet, die von anderen Staatsbahnen ausgemustert wurden, und bescheren diesen Hotels auf Schienen jetzt ein Comeback. Am liebsten reise ich allerdings untertags, da kann ich besser beobachten. Die Wirkung einer bewusst erlebten Zugfahrt sollte man nicht unterschätzen.“ Diese Wirkung macht aus dem 52-Jährigen ein Multitalent: 2021 wurde er als „einer der engagiertesten Brückenbauer zwischen Deutschland und Tschechien“ mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Rudiš beschäftigt sich intensiv mit Geschichte, verfasst Comics, Drehbücher – und auch sein Musik-Projekt ist von Weltliteratur inspiriert: Gemeinsam mit sechs anderen Musikern steht er bei den Auftritten von „Kafka Band“ auf der Bühne. Wenn die auf Tour geht, dann natürlich nur auf Schiene. „Fast kann man sagen: Ich lebe ich im Zug. Ich mag Bahnhöfe, Bahnhofskneipen, die Geschichten, die man hört. Ich mag auch die Leute, die Reisenden und natürlich auch die Eisenbahner. Ich wäre selbst gerne einer geworden. Meine erste Wohnung in Prag war sehr klein. Aber: Fenster mit Bahnblick. Genau deswegen hatte ich mich in diese Wohnung sofort verliebt.“
Verliebt hat sich Jaroslav Rudiš auch in die gastronomischen Genüsse an Bord. Denen widmet der Autor in „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ gleich mehrere Passagen: „Wo ist der Speisewagen? So lautet die wichtigste Frage, die man sich stellt, wenn der Zug am Bahnsteig einrollt. Wenn man Glück hat, ist ein Speisewagen dabei. Und wenn man noch mehr Glück hat, ist sogar jemand wie Herr Popović oder Herr Peterka dabei. Jeder Speisewagen serviert andere Würstchen. Herr Popović bietet die sehr fleischige Krainerwurst an. Immer zwei Stück. Wenn man sie vorm Semmering bestellt, braucht man bis nach Triest nichts mehr zu essen. Bei der Deutschen Bahn gibt es als Klassiker zum Bier die Currywurst mit Pommes und manchmal die Nürnberger Bratwürste. Im Railjet der ÖBB esse ich gerne die feinen Sacherwürstel, die an die langen Schienenstränge erinnern. Im polnischen Speisewagen bekommt man zum englischen Frühstück Würstchen der im Land beliebten Marke Sokołów. Und Herr Peterka serviert im tschechischen Speisewagen Spišské párky von einem kleinen Fleischer aus einem Prager Vorort. Benannt wurden sie nach Spiš, der von Deutschen besiedelten Gegend Zips in der Ostslowakei. Sie schmecken wie die ungarischen Debreziner, die man aus Österreich kennt. Ganz Mitteleuropa duftet auf einem kleinen Teller.“
Hungrig auf mehr? Wer Jaroslav Rudiš auf Instagram folgt, kann an seinen Zugreisen teilhaben und sich inspirieren lassen.
Gemessen an den CO₂-Emissionen ist die Bahn 30-mal klimafreundlicher als ein durchschnittlicher Pkw und 50-mal klimafreundlicher als das Flugzeug. Wer mit dem Zug reist, egal ob Urlaub oder Business-Trip, gestaltet aktiv die Zukunft im Sinne der Nachhaltigkeit mit. In vielen Change Maker-Hotels bekommst du sogar Goodies, wenn du öffentlich anreist!