Sie ist eine Change Makerin wie aus dem Buche. Nachhaltigkeitsberaterin Nunu Kaller geht das Thema Umweltschutz mit Lässigkeit an, legt aber immer den Finger dorthin, wo es pressiert. Besonders gerne nimmt sie die Textilbranche unter die Lupe – wir haben sie über Greenwashing, Gütezeichen und sanfte Chancen im Tourismus befragt.
Die Nunu. Wenn man es mal geschafft hat, dass dich das ganze Land beim Vornamen kennt, hast du es geschafft. Meine Freundin Nunu Kaller ist Kommunikations- und Nachhaltigkeitsberaterin, Autorin, nimmermüde Umweltaktivistin - und außerdem Mopsmutter, Genießerin und Optimistin. Nicht nur im Rahmen der Österreichischen Konsumdialoge oder als Consulterin wichtiger NGOs brennt sie für das Thema Slow und Fair Fashion. Ihr Buch „Kauf mich! Auf der Suche nach gutem Konsum“ hat viele zum Umdenken gebracht. Nunu surft darin das Dopamin-High bei der Schnäppchenjagd und zerlegt die Greenwashing-Tricks der Modeindustrie. Sie untersucht die Psychologie unseres Kaufantriebs, ist überzeugt, dass man niemanden in guten Konsum hinein-"shamen" kann und tritt dafür ein, dass Kund:innen nicht die Alleinverantwortung für nachhaltigen Konsum zugeschoben wird. Und sie richtet einen kämpferischen Aufruf an alle, zu aktiven Gestalter:innen einer besseren Zukunft zu werden.
Und „die Nunu“ liebt es zu verreisen, gut zu essen und Natur pur zu erleben, am liebsten in Österreich. Deswegen haben ich ihre beiden großen Steckenpferde gemeinsam vor den Karren gespannt und sie zu den Sünden und Chancen der Hoteltextil-Industrie befragt. Auch ihr ganz persönliches Reiseverhalten haben wir besprochen – viel Vergnügen beim Lesen!
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit im Tourismus und speziell in der Hotelbranche?
Über das Selbstverständnis der Branche selbst kann ich wenig sagen, aber ich weiß, dass es bereits bei einigen Hoteliers starke Überzeugung zu Nachhaltigkeit gibt. Kein Wunder, abgesehen von den Stadthotels ist die Tourismusbranche ja abhängig von der Erhaltung der Schönheit der Natur, und auch in den Städten braucht es nachhaltiges Verhalten! Aus Sicht der Umwelt ist es also hochrelevant – der Tourismus ist ein riesiger Wirtschaftsfaktor in Österreich mit ebenso großem Impact. Jetzt, in den Endzügen der Pandemie, fährt der Tourismus wieder mit voller Wucht hoch – doch ich merke, dass die Nachfrage nach Nachhaltigkeit gestiegen ist, das merkt man auch an dem Ausbau der Nachtzüge, die trotzdem dauernd ausgebucht sind…
Woher kommt eigentlich der Begriff „Greenwashing“?
„Greenwashing“ kommt sogar aus der Tourismusindustrie. Der Aktivist und Autor Jay Westervald nutzte ihn 1986 erstmals in einem Artikel: In Hotels standen schon damals vielfach Schilder im Bad, die in etwa besagten: „Wenn du dein Handtuch auf den Boden wirfst, tauschen wir es dir bei der Reinigung des Zimmers gegen ein Frisches aus. Wenn du das Handtuch allerdings aufhängst, lassen wir es hängen und du verwendest es noch einmal. Damit hilfst du aktiv dabei mit, Waschgänge einzusparen und so die Umwelt zu schützen.“ Hehre Geste, aber halt leider im Verhältnis zum Energieaufwand, den ein Hotel täglich hat, eine Lächerlichkeit. Kleine bis fast gar nicht messbare Wirkung, aber große, grüne Geschichte fürs Image drumherum schaffen – das ist Greenwashing.
Wo urlaubst du am liebsten und warum?
Urlaub heißt für mich meistens entweder totale Entspannung bei Freunden oder Neues entdecken. In Österreich habe ich das „Lesehotel“ für mich entdeckt: Weit oben am Predigtstuhl hat man den wohl schönsten Ausblick des gesamten Salzkammergutes rüber auf den Dachsteingletscher und runter auf den Hallstätter See. Das Besondere bei diesem Hotel ist die Einrichtung: Mehr als 12.000 Bücher „fliegen“ im Haus herum – jedes der 20 Zimmer wird von einem anderen Verlag regelmäßig mit Neuerscheinungen ausgestattet, von Roman bis Sachbuch, von Kochbuch bis Lebenshilfe, von Kinderbuch bis Bildband, das Stiegenhaus ist quasi ein einziges Bücherregal und das Hotel bietet lauter wunderbare Rückzugsecken zum Lesen. Es gibt keinen Wellnessbereich a la Pool, da man den LandwirtInnen in der Umgebung das Wasser nicht wegnehmen möchte, dafür gibt es fast täglich fantastisches Essen aus der Region. Direkt hinter dem Haus beginnen Wanderwege und Langlaufloipen, und zum Hotel gehört ein eigenes Seegrundstück unten am Hallstätter See, wo man an heißen Sommertagen Abkühlung findet. Für mich Leseratte ein Ort der absoluten Entspannung.
Doch ich gebe offen zu: Hin und wieder fahre oder fliege ich auch ins Ausland – wenn auch bereits sehr viel seltener als noch vor einigen Jahren. Bei Flügen, egal wohin, zahle ich immer CO2-Ausgleich, in meinem recht kleinen Auto sitze ich auf langer Strecke nie alleine. Nur noch in Österreich zu sein kann ich mir nicht vorstellen, da Reisen für mich vor allem Horizont öffnen und Dazulernen heißt (und ich das Meer sehr liebe). Natürlich ist Reisen per se nicht sonderlich nachhaltig, und vor allem sollte es irgendwann einfach nicht mehr finanzierbar sein, einfach mal übers Wochenende nach Mallorca zu jetten, weil es halt grad nur 30 Euro pro Richtung kostet.
Was wäre dann in der Hotelbranche das Gegenteil von Greenwashing? Wie schafft man Transparenz?
Der einfachste Indikator, ob man sich in Greenwashing-Gefahr begibt oder nicht, ist die Frage: Ändert das Unternehmen etwas an seinem Kerngeschäft? Im Falle der Hotellerie heißt das ganz klar: Wieviel Energie braucht das Hotel, wo kommt diese her, und wie wird mit dem Rohstoff Wasser umgegangen, sowohl vermeidungs- als auch abwassertechnisch. Danach kommen in dieser Wesentlichkeitsliste dann wohl eh schon die Lebensmittel und verschiedene Produkte in den Zimmern sowie das Angebot zu umweltfreundlicher Mobilität von öffentliche Anbindung bis zum Fahrradverleih. Erst, wenn man sich um diese relevantesten Punkte gekümmert hat, kann man darüber nachdenken, ob man nicht vielleicht einen Strauß Bio-Blumen zur Rezeption stellen will. Ich denke außerdem, dass Hotels die Möglichkeit bieten können, ihren Gästen Nachhaltigkeit vorzuleben. Ganz einfaches Beispiel: Zuhause pfeift man vielleicht aufs Mülltrennen, aber im Hotelzimmer wird es einem so leicht gemacht, dass man sich für zuhause ein Beispiel nimmt. Ich denke, es ist wichtig, die Gäste durch ausreichende Informationen über ihre nachhaltigen Aktivitäten von Energie- und Wasserverbrauch bis hin zu den im Restaurant angebotenen Lebensmitteln auf die „nachhaltige Reise“ mitzunehmen – und ein fairer Partner in der Region zu sein.
Welche Frage würdest du gerne beantworten?
Frage nicht, aber wenn ich mir einen Kommentar zum Schluss erlauben darf: Ich stelle mir angesichts der derzeit herrschenden Diskussion rund um den Wintertourismus (inklusive der Menschen, die sich am Wintertourismus eine goldene Nase verdienen und gleichzeitig nicht wollen, dass Städtetrips beworben werden) auch die Frage: Selbst wenn man nur ins nächste Bundesland zum Schifahren fährt, davon wird der Sport nicht nachhaltiger, noch dazu jetzt, wo das Klima bereits deutliche Veränderung zeigt: Wo kann man eigentlich die Umweltschäden ausgleichen, die durch Wintersport entstehen – vom nicht zu unterschätzenden Energieaufwand der Kunstschneeherstellung über die Chemikalien, die von den Schiern und der Funktionskleidung in der Natur landet bis hin zu den mitten in die Alpen gestellten Bettenburgen, die wasser- und energieintensiv arbeiten?
Wegwerf-Zahnbürsten, Mini-Seifen in Plastik verpackt, Einweggeschirr und Hotelslipper made in China - welche "Sünden" gibt es noch? Und wie können Betriebe gegensteuern?
So wie bei jedem Betrieb gilt es auch für Hotels, ganz genau darauf zu schauen, wo sie in ihrem Kernbereich nachhaltig agieren können. Das gilt sowohl für die Energieversorgung des Hauses, den Wassereinsatz, all die Produkte, die sie zur Verfügung stellen, aber auch die Frage: Welchen Beitrag leisten sie in der Region? Tragen sie zu Overtourism bei oder unterstützen sie sanften Tourismus? Holen sie sich die Produkte, zum Beispiel Lebensmittel, aus der Region oder bestellen sie beim Großhandel? Ich sehe das wenig branchenspezifisch, sondern es braucht ein grundsätzliches Hinterfragen rund um Regionalität und die eigene Rolle. Schöne Beispiele sind da das Biohotel Retter oder die Therme Laa, die bei den Lebensmitteln in ihren Restaurants stark auf Regionalität und Saisonalität achten.
Von der Bettwäsche bis zum Spa-Tuch: Auf was sollten Hotels bei Gewerbetextilien wertlegen?
Hoteltextilien unterliegen genau den gleichen Bedingungen wie alle anderen Textilien auch: Sie können unverhältnismäßig kostengünstig in China und Fernost produziert werden – den wahren Preis zahlen dann allerdings Umwelt und ArbeiterInnen dort – oder sie können aus heimischer und ökologischer Produktion kommen. Gerade bei Handtüchern und Bademänteln gibt es auch hier in Österreich noch Produzenten wie beispielsweise Herka, die in vierter Generation im Waldviertel Frottier herstellen, auf Wunsch sogar in zertifizierter Bio-Qualität. Es gelten auch die gleichen Bedingungen für Gütezeichen wie in der restlichen Textilbranche: Unabhängige Labels wie GOTS oder Fairtrade sind gut, industriegesteuerte Siegel nicht. Achtung, man sollte sich nicht mit „ökotex 100“ zufriedengeben. Dieses Siegel liefert Aussagen über die Hautverträglichkeit der Stoffe, über die Schadstoffe, die im fertigen Textil zu finden sind – sagt aber nichts über die Ökologie in der Lieferkette aus.
Stichwort Sauberkeit: Wie können die Textilien ressourcenschonend und umweltfreundlich geeinigt werden?
Das kommt sicherlich auf die Größe des Hauses an. Textilmanagement ist für das Co2-Management in Hotels definitiv relevant - aber es gilt halt zu überlegen: Ist mein Hotel klein genug, um im eigenen Haus zu waschen, sollte ich besser an Reinigungen outsourcen, die einen Nachhaltigkeitsfokus haben, oder sollte ich meine eigene Waschanlage im sehr großen Hotel umrüsten? Hoteltextilien sind oft aus einer Baumwoll-Polyestermischung, weil diese leichter in Form bleibt. Polyesterwaschung erzeugt aber Mikroplastikfasern. Deshalb ist der Umstieg auf reine Baumwollprodukte in jedem Fall ein grundlegender Schritt. Es geht ja nicht nur um die Waschung bei Textilien, sondern um den gesamten Lebenszyklus.
Wie definierst Du einen Urlaub, der es uns erlaubt zu genießen, aber nicht auf Kosten der Umwelt geht?
Ok, ich versuch mal ein Bild zu malen: Mein ideales Hotel ist eines, das öffentlich gut angebunden ist. Ich erreiche es also mit Bus oder Bahn (liegt es abgelegener, sollte mir das Hotel ein Shuttleservice auf Elektrobasis anbieten), und ich habe – zum Beispiel in einer Stadt – sogar vor Ort die Möglichkeit, mir ein E-Bike oder Fahrrad auszuborgen, um die Gegend zu erkunden. Die Energieversorgung kommt von den PV-Anlagen am Dach sowie aus anderen nachhaltigen Quellen wie etwa Ökostrom, im Zimmer werde ich freundlich zu nachhaltigem Verhalten angestupst, sogenanntes Nudging. Das Essen im Hotel ist vegetarisch und/oder regional gesourct, und es gibt kaum Wegwerfprodukte. Lustig und kreativ finde ich beispielsweise das Hotel Stadthalle, wo das Mobiliar in den Zimmern vintage und upgecyclet ist, und der Honig fürs Frühstück vom eigenen Hoteldach kommt.