Moderne Technologie kann die Welt verbessern, und bei der Energie wird ein Anfang gemacht. Innovation allein wird aber nicht ausreichen, um uns zu retten. Gerade im Tourismus braucht es auch die Rückbesinnung auf Tradition und kulturelle Identität.
In einer Zeit von Klimawandel und Ressourcenknappheit ist Nachhaltigkeit kein Trend, sondern ein Muss. Die Welt retten, ohne gleich in Askese zu verfallen – ist das überhaupt möglich? Bei der „Blauen Ökologie“ geht es laut Trend-Papst Matthias Horx nicht um die Verringerung unseres Fußabdrucks, sondern um das „Gehen auf Zehenspitzen, um einen soliden Auftritt auf der Erde, der der Natur nicht schadet, sondern nutzt.“ Dieser Trend soll ohne Verzichtsparadigma auskommen, eine zentrale Rolle nimmt dabei die Technik ein – „allerdings in Form von intelligenten Systemen, die nicht auf Profitmaximierung abzielen, sondern vielmehr auf Effektivität im Sinne von komplexen Kreisläufen“.
Um die Blaue Ökologie zu verstehen, muss man auch wissen, was in diesem Zusammenhang „schwarz“ und „grün“ bedeutet. Schwarze Ökologie geht davon aus, dass wir uns die Erde – und so steht es schon in der Bibel – zum Untertan machen. Ressourcen und Energie werden ausschließlich als ökonomische Güter bewertet, die Erde ist ein Marktumfeld, die Natur ein Asset, sonst nichts. Das grüne Narrativ hält strikt dagegen: Das Versprechen vom ewigen Wachstum ist falsch und führt direkt in die Katastrophe. Menschliches Handeln ist schädlich für unsere Umwelt, die Handlungsoptionen liegen deshalb ausschließlich im Unterlassen. Es gibt fixierte Grenzen, in denen konsumiert, gereist, gelebt werden darf. Und jetzt? Machen wir bald blau, hoffentlich. Das Konzept stammt wie erwähnt vom Zukunftsinstitut, Matthias Horx beschrieb bereits 2017, wie ein ganzheitlicher Denkansatz der Blauen Ökologie das Dilemma der grünen „Schuld-Ökologie“ auflösen könnte. Mithilfe von High-Öko-Technologien, durchdachter Digitalisierung und dem Willen, sich vom Mangel-Denken zu befreien, soll eine neue, faire, und enkelfitte Welt erschaffen werden.
Auch der austro-amerikanische Umweltökonom Gernot Wagner macht sich über eine mögliche Wende Gedanken, bleibt aber vorsichtig: „Wenn es in der klimapolitischen Debatte um bestimmte Wirtschaftssektoren, um mögliche Technologien zur Kohlenstoffreduzierung oder um die Energiestrategie geht, stellt sich immer dieselbe grundlegende Frage: Lässt sich der Klimawandel bekämpfen, indem wir uns darauf verlassen, dass die Menschen auf kohlenstoffärmere Technologien umsteigen, oder bedarf es grundlegenderer Veränderungen der Art und Weise, wie wir leben und uns als Gesellschaft organisieren?“ fragt er auf seinem Blog. Sein Fazit: Bei einer differenzierteren Debatte würde die Öffentlichkeit erkennen, dass nicht alle technischen Innovationen gleich sind. „Induktionsherde, Wärmepumpen, Solar- und Windenergie sind allesamt bereit, in großem Maßstab eingesetzt zu werden – und zwar sofort." Aber andere Technologien seien es nicht – allen vor allem die Kernfusion, diese Energiequelle der Sterne und der Sonne, die den Menschen ohne Treibhausgase unendlich Strom liefern könnte. Zusammen mit grüne Flüssigbrennstoffe hält Wagner sie bestenfalls für ein Ablenkungsmanöver oder, schlimmer noch, eine Ausrede für weitere Untätigkeit. „Mit mehr Mitteln für Forschung und Entwicklung könnten sie in Zukunft Vorteile bringen, aber das darf nicht von der Reduzierung der CO2-Emissionen in diesem Jahrzehnt ablenken.“
Zukunftsmacher werden
Wir sind alten Technologien, umkämpften Pipelines und verkrusteten Machtstrukturen nicht völlig hilflos ausgeliefert. „Moderne Technologie kann die Welt verbessern, und bei der Energie ist ein Anfang gemacht,“ meint auch Vordenker und Innovationsguru Christoph Keese: „Wenn wir Menschen von Energiekrise sprechen, meinen wir damit eigentlich nur den Mangel an eigenem Wissen und tauglichen Werkzeugen. An der Energie selbst kann es nicht liegen. Davon gibt es reichlich. Und trotzdem fällt uns derzeit nicht viel anderes ein, als die zarte Hülle der Atmosphäre, von der wir leben, rücksichtslos zu verheizen, um ein bisschen Wärme und Treibstoff zu gewinnen. Mit diesem Verhalten unterscheiden wir uns kaum von den Venezianern, die alle Wälder um sich herum abholzten, um Schiffe zu bauen, nur um dann unter den Folgen der verkarsteten Böden zu leiden.“ Ein prägnantes Beispiel, steht doch der Schiffbau für eine uralte Tradition, die uns erlaubte, die Welt zu entdecken und miteinander Handel zu treiben. Aber nicht alles aus „der guten, alten Zeit“ ist eben noch zeitgemäß.
Doch welche Rolle spielt die Tradition in der Innovation? Gerade im Tourismus muss das Rad nicht neu erfunden, aber doch in Einklang mit gegenwärtigen Begehrlichkeiten und zukünftigen (Klima-)Zielen gebracht werden. Neue Angebote und ressourcensparende Maßnahmen lassen sich auch nach bestehenden und authentischen Werten traditionsreicher Betriebe entwickeln – und gut ist es: Denn je weiter die Globalisierung voranschreitet, umso mehr scheint die Eigenart der Regionen, also ihre kulturelle Identität, in den Blickpunkt des Interesses zu rücken. Um Best Practice-Beispiele hierfür zu finden, musst du dir nur die Change Maker Hotels genauer ansehen. Zwei davon habe ich mir exemplarisch herausgefischt: Als Trendsetterin in der heutigen Gourmetküche vom Nesslerhof diente die Uroma der Gastgeber-Familie. Wie fast alle Großmütter hat sie das Brot selbst gebacken und Fleisch nach dem Nose-to-tail-Prinzip verarbeitet, anstatt nur die Gustostückerln aufzutischen – und so geschieht es heute wieder – um wertvolle Ressourcen und CO2 zu sparen und natürlich: um großartig aufzukochen. Beim Bau des Naturresort Puradies wiederum wurden regionale Produkte und Rohstoffe verwendet, etwa das Holz aus dem eigenen Wald. Der Strom wird vollständig aus erneuerbaren Energien gewonnen, und die Wärme kommt aus dem Biomasse-Heizwerk, Regenwasser wird gesammelt und 90 Prozent der Resort-Fläche bleiben unversiegelt.
Werden weitere Gastgeber:innen in Österreich diesen Beispielen bald folgen können? Weitere Good News dazu gibt es ganz aktuell: Die Europäische Investitionsbank hat gerade ein Darlehen von 150 Mio. Euro an die Österreichische Hotel- und Tourismusbank vergeben. Es wird in mehreren Tranchen ausbezahlt und dient der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen der Branche, vornehmlich soll es familiengeführten Hotels und Restaurants Investitionen in klimagerechte Projekte ermöglichen. Die ÖHT will das Darlehen der EIB um mindestens dieselbe Summe ergänzen, und mit 300 Millionen Euro kann man schon so einiges anstellen. Zur Unterstützung der grünen Transformation im Tourismus wurde außerdem ein „Sustainable Finance Board“ etabliert. Dieses stellt die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien bei Förderungen sicher, macht deren Impact messbar und erarbeitet zudem ein Konzept gegen Greenwashing. EIB-Vizepräsident Thomas Östros dazu: „Der Tourismus trägt mit seinen zahlreichen familiengeführten kleinen Hotels und Restaurants zur Schaffung von Jobs und Wirtschaftswachstum bei. Wir freuen uns, gemeinsam mit der ÖHT diesem Sektor die klimafreundliche Transformation zu ermöglichen.“ Und wir uns somit auf viele weitere Change Maker Hotels.